Anton Groder, vulgo Polzegg Toni, wurde am 23. Mai
1916 am Hof des Polzeggbauern im Seidlwinkltal der Gemeinde Rauris geboren.
In seiner Kindheit war der Anbau von Roggen, Weizen, Hafer, Gerste,
Kartoffeln und "Runggln" (=Futterrüben) selbstverständlich. Auch für einen
Hof am Steilhang auf 1100 m Seehöhe. Zwei Tagbau Roggen und zwei Tagbau
Weizen für den Eigenbedarf. Das reichte jedoch nicht. Weizen und Roggen
wurden auch zugekauft. Hafer und Gerste baute man als Futtergetreide für
Schweine und Pferde an. Wenn er Getreide mit dem Pferdefuhrwerk vom
Taxenbacher Bahnhof holte, fuhr er bis zu einem Zwischenlager, einer Hütte
im Seidlwinkltal (bei der ehemaligen Mühle). Jede Fuhre war 800 kg schwer.
Um vier Uhr früh ging die Fahrt los, um fünf Uhr Nachmittag war er wieder
zuhause.
Bis zum Jahr 1947 wurde
die gesamte Getreideernte hinunter zur hofeigenen Wassermühle am
Schütterbach gebracht. Die Beförderung von Lebensmitteln und anderen Gütern
auf den Hof war schwierig. Es gab keinen Weg. Im Winter konnte man Lasten
mit einem Pferdeschlitten befördern. Lag kein Schnee, wurde ausnahmslos
alles auf dem eigenen Rücken getragen. Man trug das Getreide hinunter zur
Mühle und das Mehl in Mühlkübeln hinauf zum Hof. Toni mahlte das eigene
Getreide und auch das der Nachbarn (Gratschberg, Hochberg). Gemahlen wurde
im Sommer und Herbst auf Vorrat. Das Mahlen war nur möglich, wenn genug
Wasser im Bach vorhanden war. Das gemahlene Getreide musste für den ganzen
Winter reichen. Um die Zeit zu nutzen, mahlte Toni oft Tag und Nacht.
Damals
hießen die drei Qualitätsstufen für das Weizenmehl "Muasmehl" (das schönste,
feinste und weißeste Mehl; das "Muas" ist eine einfache Speise aus feinem
weißen Mehl, Wasser, Salz und Butter), "Knödlmehl" und "Brotmehl". Nach
einem verregneten Sommer konnte das Getreide nicht trocken eingebracht
werden. Es musste das ganze Jahr mit dem nachlässigen Mehl, d.h
einem Mehl mit zu hohem Feuchtigkeitsgehalt, gekocht und gebacken werden. Um
die Qualität zu heben, wurde es mit zugekauftem Mehl, das aus einer
trockeneren Gegend stammt, vermischt. 1947 wurde diese Mühle von einer
Lawine weggerissen. Danach baute Toni eine Mühle nicht weit vom Haus
entfernt auf und betrieb sie mit Seilzug. Das brachte aber kein
zufriedenstellendes Ergebnis. Von 1950 an konnte beim Polzegger elektrisch
gemahlen werden. Die Mühle befand sich jetzt direkt im Bauernhaus.
Aufwändige Vorbereitungen waren für die Stromzuleitung notwendig gewesen.
Toni hatte schon in den Jahren 1943/44 angefangen, auf seiner Alm Lärchen zu
hacken und stellte diese als Strommasten auf. Alle seine Kriegsurlaube
verbrachte er mit dieser Arbeit. Ende 1943 brannte auf dem Hof das erste
Licht. Eine Lampe in der Küche, eine in der Stube, eine im Stall und eine
auf der Bruckn (=Tenne). Schon die Materialbeschaffung alleine erforderte
allen Einfallsreichtum. Als der Kohlschnaitbauern in Taxenbach seine
Stromkabel aus fingerdicken Eisendrähten durch feinere Aluminiumdrähte
ersetzte, erwarb Toni die alten Drähte für seinen Hof. Kleines Zubehör wie
Draht und Schalter kaufte er von Frau Röck. Zwanzig Stück Isolatoren erhielt
er von der SAFE in Bruck. Elf Jahre lang blieb diese elektrische Anlage
unverändert.
Gelernt, bzw. abgeschaut
hat Toni sich diese Fertigkeiten von seinem Vater Anton Groder (1878
geboren, 1947 gestorben). Dieser war ein gefragter Mann, wenn es darum ging,
Uhren wieder zum Gehen zu bringen, Nähmaschinen zu reparieren. Einer der
guten Ratschläge, die ihm sein Vater hinterlassen hatte, lautete: "Du muasst
stöhn, was dastühst, aber an jeden seins lossn. Du kannst nia gnuag schaun.
Nur donn kimmbst zu ebbas, wannst d’Augn offen hoitst." Im Zuge der
allgemeinen landwirtschaftlichen Entwicklung wurde auch auf dem Polzegggut
1953/54 mit dem Anbau von jeglichem Getreide aufgehört (der letzte Bauer,
der noch bis 1975 in Rauris Getreide anbaute, war der Mosenschuster).
Es
folgte ein Jahr, wo der gesamte Getreidebedarf zugekauft, mit dem Fuhrwerk
in Taxenbach geholt und selbst vermahlen wurde. Toni sah, dass die Kosten
für den Strom und der große Aufwand für die Lieferung sich nicht mehr
lohnte. So endete die Zeit des Selbermahlens 1953. Fortan wurde auch auf dem
Polzegghof Mehl in 50 kg Säcken beim Lagerhaus gekauft. Bis zu 80 kg konnte
Toni auf dem Rücken tragen. Erst 1962 wurde eine Straße gebaut.
Sein ganzes Leben lang hat
Toni beim Brotbacken geholfen. Zuerst seiner Mutter, später seiner Frau
Hilda, die er 1952 heiratete. Das Heizen des Ofens zählte immer zu seinen
Aufgaben. Aber auch das Kneten des Brotteiges. Toni sagt von sich: "Jede
Arbeit mach ich mit Freude." Einmal im Monat haben die beiden gebacken. 25
große Laibe.
1975 übergab Toni den Hof
an seinen Sohn Gregor und dessen Frau Elisabeth. Der große Holzofen wurde
von da an nicht mehr beheizt und ein elektrischer Backofen angeschafft. Nach
langer Krankheit starb Elisabeth Groder mit nur 42 Jahren. Mit dem Backen
auf Vorrat hörte man damals ganz auf. Tonis Frau Hilda bäckt auch heute noch
ab und zu ein Brot im Rohr ihres Küchenherdes. Das meiste Brot wird gekauft.
Wo? In Rauris. Aber das Brot, das heute in Rauris verkauft wird, wird nicht
mehr in Rauris gemacht. Es kommt aus Bäckerein in Gastein, Taxenbach, Zell
am See, aus Brotfabriken von Billa und Anker. Im Geschäft wird es
aufgebacken, was Ofenfrische vortäuscht. Die letzte Bäckerei in Rauris
schloss 1990.