Eine
"paradoxe Intention" untertiteln die Autoren bewusst ironisch ihr
Buch.
Da der moderne Mensch in der Fremde immer versucht, Bilder zu bestätigen,
die er längst vor Augen hat, kann Touristik als Massenphänomen mit
kulturhistorischer Betrachtung nicht einhergehen. Betrachtung sollte frei
sein, ohne Vorannahmen, ohne Urteil. Doch welcher Reisende der heutigen Zeit
ist dazu noch fähig?
Lucas Vosicky
und Madalina Diaconu haben ein Buch geschrieben, das zwei Städte verbindet,
indem es Verknüpfungen aufzeigt und Unterschiede beleuchtet. Sie lassen
dabei vor allem Reiseberichte und Tagebücher sprechen, die ganz persönliche
Eindrücke des "Fremden" schildern. Ob Adelige, Künstler, Händler oder
Studenten – oft sind die Wahrnehmungen auf Stereotype fixiert und
voreingenommen, manchmal aber auch wunderbar selbstreflexiv und
hinterfragend.
Die
Exotik zieht den Menschen an. Lässt er sich auf das Fremde ein und versucht
es zu verstehen, kann er das Eigene klarer definieren. So ist der Reisende
oft auf der Suche nach seiner eigenen Identität. Manch einer
berichtet, er habe sich
während seiner isolierten Jahre in Wien stärker als Rumäne gefühlt als zu
Hause in der Gemeinschaft. Titu Maiorescu, Schriftsteller und späterer rumänischer Ministerpräsident, beschreibt in
seinen Tagebüchern sehr lebendig kleinste Details und Schwierigkeiten des
Alltags. Auch bei ihm
war das Interesse für die Fremde eine Möglichkeit, die eigene nationale
Identität besser zu verstehen.
"Der
Eine reist, weil er sich sucht und der Andere
weil er sich verlieren möchte." (Friedrich Nietzsche)
Manche waren nur
auf Durchreise, manche zu Besuch, andere ließen sich für immer nieder,
verzaubert vom orientalischen Charme Bukarests oder der Freundlichkeit
Wiens. Das Buch gibt einen Überblick über die Geschichte der beiden Städte, ihre
Kultur, ihre Eigenheiten. Es zeigt aber auch, wie verbunden die beiden Orte
sind, wie sie sich gegenseitig beeinflussen und voneinander lernen. Die
Kollision zweier Horizonte wird zur Verschmelzung. Interkulturalität ist
gefragt. Heute, im Zuge der Globalisierung und des vereinten Europas, mehr
denn je.
Interesse
zeigen für das Andere ist mittlerweile Standard. So ist Rumänien zu einem
variablen Begriff geworden: jenseits der Grenze zum Westen, aber doch ein
Teil Europas. Jeder sieht, was er sehen will. So wird es zum Land der Armut,
"wirtschaftlich und kulturell rückständig", oder aber zum Land des
Brancovenesc-Baustils, das seine byzantinische Vergangenheit an vielen Ecken
huldigt, das in jeder Hinsicht vielseitig ist, gerade weil ihm niemand den
"Fortschritt in Richtung Westen" aufgezwungen hat.
Doch wann wird
Interkulturalität das, was sie eigentlich sein will? Nicht nur Interesse,
Begegnung und Austausch wären dann gefordert, sondern vollkommene Gleichstellung zweier Kulturen,
egal ob nebeneinander stehend oder überlappend. Nicht ein Pressen in fertige,
wenn auch akzeptierte Bilder, sondern ein Offenlassen der Pforten für jede
freie und unerwartete Entwicklung der "fremden" und auch der "eigenen"
Kultur. Das Ziel der Autoren ist es jedenfalls, "Vorurteile aufklärerisch in Vorteile
zu verwandeln". Ein erster Schritt ist getan.