Ulica
Jana Kochanowskiego
Als die
Stadt umschlossen lag
vom
Keuschheitsgürtel ihrer Festungswerke,
zierte sie
sich beim Stelldichein
mit
Dichtern oder Denkern.
Kleist
allein
kaute in
Jersitz einsam Gnadenbrot
auf einem
Straßenstummel
bei den
Infanteriekasernen.
Jeżyce,
aufatmend vom
ostmarkigen Ton der
Hanne-,
Kenne-, Tiedemänner,
gab sich
geselliger romantisch
und den
Schwarmgeistern
einen
Weitgereisten an die Seite,
auf dass
ihr Überschwang
sie nicht
verzehre.
Zurückhaltend in Glaubensfragen,
ausdauernd
im Sattel,
weiß er zu
vermitteln zwischen
Eminenzen,
Königen Ohneland,
Republikanern und dem launischen
Genius
Utopie.
Doch als
der Idealismus birst,
die
Trommel drischt,
von Sedan
kreischt,
Thorshammer, runengeimpft,
Obersalzberger Allee –
lässt er
persuasio fahren,
füllt
Benzin der
Tat in Flaschen.
Zurückgekehrt
auf
eigenen Grund und Boden,
ist er
umso verdutzter,
mehrfach
verhört zu werden:
Gallo
crocitanti, Odprawa posłów greckich,
von versi
sciolti ganz zu schweigen,
Satyrn und
Musen –
Kontakte
mit dem Westen noch und nöcher!
Den Hall
der Schüsse Ende Juni
nimmt er
mit in die Wälder von Czarnolas.
Es werden
neunzehn Treny.
Die
Pappeln sind gefallen, heute
wächst
Nadelgehölz vor den Fenstern empor,
und auf
dem Heimweg höre ich
manchmal
die Polizisten lachen,
die ihren
Plastiknapf
Spaghetti
Bolognese ins Präsidium balancieren,
zur
duftenden Erinnerung
an einen
Humanisten.
(Poznań, Juni 2006)
Coke
Zero
Nur der absoluten Nullität
geben wir das zweideutige Lob
völliger Unschädlichkeit.
(Friedrich Schlegel)
(1)
Nigredo, einst der erste Schritt
in einem großen Werke,
Materia prima, Rabenkopf –
lichtwärts mit kühner Stärke.
(2) Geheimnis aus dem Chaos steigt
in wunderlichen Sprossen,
und glänzt Rubedo glücklich
erst –
der Schlüssel ist erschlossen!
(3) Doch wisse die Gefahren auch,
die in den Tiegeln lauern.
So mancher, der der Acht
vergaß,
war nur noch zu betrauern.
(4)
Siehst weiße Vögel flattern du,
die ihr Gefieder sträuben,
flieh, flieh den locus
chymicus,
sie wollen dich betäuben!
(5)
Und nicht allein in der Substanz
verbirgt sich Arg und Tücke,
es schlägt des Menschen eigner
Fehl
das Ovum leicht in Stücke.
(6) Ein Herz als Zwerg und Ränkeschmied
wird nie das Gold erlangen,
sein Werk bleibt in der
Finsternis
des Anbeginns gefangen.
(7) So
schlürf die süße Lehre nun,
du dürstender Adepte,
und labe deinen Spiritus
am nichtigen Rezepte.
Komplizierte Dinge
Und da ich`s gesehen hatte,
fiel ich auf mein Angesicht
und hörte einen reden.
(Ezechiel 1, 28)
In der
Turmluke
des
Merkava-Panzers
hat der
Soldat sich
umgedreht,
als ob er riefe
in den
verschwimmenden
Hintergrund des Bildschirmbildes.
Spekulationen
über den
Urstoff,
Spekulationen
über den
Aufstieg in ein Paradies.
Thronwagen-Mystik,
von
Blitzen gleißend, Augen,
Hoheit,
Furcht und Zittern,
Kristallen
und Türkis.
Befehl zur
Weiterfahrt,
der Ketten
Kreislauf schleudert
Staub
himmelwärts,
das
Alphabet der Mineralien,
Urstoff
für Muschelschalen,
Schildkrötenpanzer.
Harnisch
aus Kalk,
Harnisch
aus Horn,
Gesellenstücke einer
langmütigen Natur,
Patiencen,
unbenannt,
wär nicht
der Lehrling Erdenkloß,
der
Zungengnom,
der
Metallurg der Silben.
Kirchol
Teppich
aus Erdbeerlaub,
vom Regen
glänzende Rosetten,
Cmentarz
Wyznania Mojżeszowego w Lubaszu,
lackiertes
Blech an mürben Maschen,
und
Bretter einer Tischlerei
stapeln
sich fort auf das ursprünglich
eingefriedete Gelände.
Kanten im
Gras,
zu finden,
wo du stolperst.
Am
Kirschbaumast
ein Stock,
zwei Stricke
sind eine
Kinderschaukel.
Im
Holderbusch hat Vogelhunger
die
Blätter schwarz gesprenkelt.
Unter der
Föhre dort
steht noch
der Stein,
Hier
ruht in Gott,
unter der
Hagerose dort,
geborene Abraham,
ein zweiter,
im
Jahre 5665 nach
Erschaffung dieser Welt,
im
Monat Kislev,
ein
dritter dort
neigt sich
dem Abhang zu.
Festhalten
wie –
gegen den
Himmel auf
Unendlich
schlitterst du
in die
Sandgrube, suchst
Standpunkte, findest Lumpen,
schimmliges Stroh und einen
Christbaum
aus Plastik.
Mercatus
… das blöde herz des narren …
(Sir. 22, 22)
Vom
Silbenstochern deppert,
machst du
dich auf zu Ernten
unbestrittner Pflüge.
Sonnabend
ists,
du hast
Saturn zu Gast
und keinen
Schimmer,
ihn zu
bewirten.
Erdige
Knollen,
tellurische Fäuste
lassen
Gewichte aus Eisen tanzen.
Es
applaudiert
der Münzen
Tusch.
Helios,
schillernd
in der Gurkenlake,
streichelt
eine Wange.
Gewürze
und Pomaden,
Sälblein
aus fernen Ländern,
Pulver,
Olitäten.
Tuche,
brokatbestickt,
Pailletten. Goldhäutige
Makrelen.
Üppige
Früchte,
ein Herr
geht
schwer am
Stock,
stützt sich
mühsam und
hebt
den Apfel
auf.
Ein Brief
Parkbänke
in der Morgensonne,
Geruch
gemähter Wiesen,
Seedunst
und Trauerweiden,
Anglergeduld.
Kehr noch
nicht um,
vergrößere
den Bogen,
nach
Mittag erst
geh in die
Stadt zurück,
wenn die
pastellfarbene Sorgfalt
der
Kuchenpäckchen in den Straßen knistert.
Jetzt
bleib und male
Schrittmuster nach Belieben.
Du kannst
den Abend nicht verfehlen.
Er kommt
und bringt
das
Schlendern der Verliebten.
Siehst du,
wie viel
Vergnügen
die Welt
an ihren Tagen hat,
leichthin
verbracht,
die
schlichte Zeit,
du kannst,
mein Freund,
nichts
ändern,
wohl aber
dein Verhältnis
zu diesem
Nichts: du solltest
öfters
spazierengehn verkatert.
In diesem
Sinne grüßt dich herzlich,
Dein alter
Kumpel
Marc
Aurel.
Bozzetto
für Gosia
Landkarten
aus Handlinien
lässt du
im Ton, erfindest
Namen für
die Flüsse, werkelst
mit dem
Spatel, mit
Geduld und
Spucke,
glättest,
strichelst, kerbst,
verwirfst,
verknetest
Lust am
Druck, die
aus den
Ritzen
quillt,
stemmst dich ins Flache,
prägst
deine Bosselschrift,
pulst
ihren Sinn
als
Trauerrand vom Nagel,
und
gleich, ob Stern, ob Wind,
ob Nord,
ob Süd, ob Regen,
morgens
schwebt
fugenlos
an jedem
Blick und Giebel
das
Lehmnest der Welt.
Rondo
für Michał
Janiszewski
Rechts
blüht der Rummelplatz,
Geisterbahn, grasende Ponys, September, es weht
von der
Warta schon kühler, und Angler in Stiefeln
belächeln
die mutigen Hühner, die sich
auf den
Busbahnhof wagen. Geradeaus zum
Krematorium, links, hinter rostigen Kronen,
ein Zimmer
mit Fenstern zu ebener Erde,
auch heute
vielleicht der verstrubbelte Junge,
der
Postkarten blättert am Tisch
neben
Stapeln von Büchern, gelesenen,
Büchern,
die noch auf uns warten, zu finden
an Ufern
der Odra, Motława, der Wisła,
wir
sprechen von Arlt, dessen Vater hier lebte,
(zwei Mal
steht der Name noch im Telefonbuch,
Verwandtschaft, wer weiß), Buenos Aires,
die
Damenstrumpfträume, und Mütter,
das
Jüngste im Wagen, als schöben sie Pflüge,
verschnaufen vorm Fenster. Die Männer im Hoftor
sind
Bären, sie kraulen einander
den Pelz
ihrer Trunkenheit, naschen
den Honig
aus Waben des Abends,
geschützt
vor dem Licht, das die Domtürme pinselt.
Wir
sprechen von Filmen, die lohnen
die Zeit,
die sie dauern,
von Pavel,
dem Tod seiner Rehe,
von
Hrabal, Buczkowski, den Bädern von Lucca,
der
Brücke, die hier
Anno
Preußen, der Brücke,
gesprengt
neununddreißig, der Brücke,
nun müsste
ihr Bau bald beginnen.
Es
dunkelt, wir gehen zum Abschied nach draußen,
Mateusz
soll rein, auf der Stelle,
sonst
setzts was, ein Fenster knallt zu.
Ohne Laut
fließt der Fluss,
der
Verkehr rauscht, am Ufer
sind
Schatten, ein Lachen, sind Stimmen.
Die Jahre
zu zählen, kein Kassensturz, nur
die
bestätigte Regel, um eins
wird es
mehr unterm Strich.
Keine
Sorge, die Rechnung geht auf, keine Stunde
verloren,
veruntreut, vergangen ist jede
bis auf
die Sekunde, geh weiter
getrost
durch die Straßen und glaub mir,
sie dulden
es, wenn du behauptest,
du gingest
auf ihnen nach Hause.
Nach den Revolutionen
I świat
jest stary jak świat.
(Leopold Staff)
Nach den
Revolutionen, zwei
Weltkriegen, Geschichte, Mathe,
Französisch freitags, birgt
Franz Carl
von der Leyen,
die Nägel
hagebuttenrot,
sein
Pechsträhnenhaar
vor der
Flamme des Feuerzeuges.
Lass
blättern die Tünche
von Vasen
und Festons,
F C (wie
die Freunde ihn nennen)
stippt
Asche, wallt
in
klirrenden Schnabelschuhen
hinunter
zum Schlangenbrunnen,
vorbei an
Schiefergauben, Fachwerk,
Weinlaubpforten, Prellsteinmoos
und einer
Wäscheleine voller Regenperlen.
Vive
l`Empereur –
auf
solchen Schmus
lässt sich
F C jetzt nicht mehr ein,
ein
Dosenbier, ein lebend Bild in Rabenschwarz,
dann wird
es Zeit, nach Gräfinthal zu trampen,
zu Anna,
der hübschen Polin,
die auch
oft traurig ist, sie glaubt
an
Reinkarnation und hat
panische
Angst um ihren
Vater bei
der Feuerwehr.
Nicht einfach,
sie zu
trösten
mit der
Farbe Morgengrauen,
wenn die
ersten
LKWs zur
Grenze rumpeln,
und die
letzte Zigarette
träumt F C
auch oft alleine,
bis der
Tag die Glut verschüttet
mit
Schwemmland, Kraut und Rüben,
Tross und
Wagen, Thronen, Trümmern,
die sich
heben, senken in die Zeit.
(Blieskastel,
September 2006)
Phaethon lässt die Zügel locker
labor est inhibere
volentes
(Ovid)
Man höre einmal genau hin, wie
verwandelt
die Anfangsmelodie einem
vorkommt …
(Thomas Kahlcke)
Burn a bridge and
burn a boat.
(King Crimson)
Ein Rätsel
ist Reinentsprungenes; Freunde, ich bitte zu Tisch.
Labt Eure
Augen, belebt Euren Gaumen, es fehlt unsrer Zeit,
frei
heraus sag ichs: es fehlt. Wir haben keine, aber,
setz ich
hinzu, wir sind nahe daran, vielmehr, es wird Zeit,
ernsthaft
zu wirken. Freunde, so hebet die Becher, balsamischen
Trunk,
schäumend, wenn an geselligen Wolken gedeckt ist
Gästen
gleich Göttern, denn einmal, nur einmal, und mehr bedarfs nicht.
Brausende
Tiefe, rauschend von Herkunft, ein laubiges Sehnen,
Waldeströsteinsamkeit, raunender Quell, es rinnt uns Erquickung, der
Ursprache
Tau von den Blättern, Freunde, wir fahren hinab.
Fürchtet
euch nicht; versinkt nicht das herrliche Allrad im Dunkel, um
hell gegen
Morgen zu steigen, wiederum leuchtend? Also
trauet dem
luftigen Wagen, denn das Leben ist Mut.
Brausendes, Ewiges, sehet, es will uns begrüßen, es will,
Freunde,
das Herz mir zerspringen, einiges, glühendes Leben
schmiedet
uns fester den Kreis, nun tritt, Erwählter, hervor,
deute uns
Sterne und Vogelflug, lies uns den Traum aus der Hand.
Zäume die
Rosse der Sonne, hebe den Schleier des Bildes,
jenseits
der Götter wird uns das Leben lebendige Tat.
Fühlendes,
weihrauchgesättigt, ist worden spät, und schöner noch
blüht es
im Kampf, heilignüchtern, ein wilder Kristall. Reiten,
Reiten,
Reiten gen Morgen, denn das erstandene Leben
ist nicht
Bedürfnis nach Ruhe, nicht trottender Tage Mimikry,
Totenmarsch nicht und die Leere, ist Schicksal in jeder Gestalt.
Feurig und
Lohe und Brand sind die Rosse der Sonne, denn das
Leben ist
ist. Ist das gezielte Durchbrechen ethischer
Schranken,
Freunde, bewusster zu machen Gewünschel, Gestammel,
Triebhaftes japsend, ein tiefes, begeistertes Ja – nächstens mehr.
Freunde,
ihr geht, und mich schauert im Herzensgrunde, die Himmel
stürzen
Geschirr, Reste des Schmauses, zu Ende der Braus.
Abendland,
ruf ich und höre von magischen Bezoarsteinen,
wiedergekäut. Abendland, ruf ich, ein Klempner bietet
rund um
die Uhr seinen Dienst an, Verstopftes, Geplatztes zu richten.
Ist aber
ein Entsprungenes das Individuum, so
wacht
keine Ordnung darüber, dass es nicht sanglos verschwände.
Freunde,
ihr schlüpftet, ich hört es mit Freuden, unter jedennoch:
Wirkend
wie einst, pflegt ihr Verschönerung innen und außen,
webt mit
dem Skyhook erneut fühlende Fahrten ins All.
Deesis
… nirgends am Himmel
steht geschrieben,
dass der Stern ein Stern ist.
(Pawel
Florenski, Homo faber)
Meer,
brandungsgrün,
bäumt
sich,
stürzt
rauschend
salzweiß,
wirbelt
Muscheln
und Kies.
Sergijew
Posad,
in der
Stille am Schreibtisch
kehrt er
zurück an den Strand,
zu den
Mulden, gestochert mit Treibholz,
und immer
noch staunend
sieht er
das Wasser
steigen,
zerreißen
das
Schaumgespinst,
sieht
die Steine
schimmern
im blanken
Morgen von
Batum.
Gewaschene
Farben,
geschliffen, gehöhlt,
zerrieben,
zerstreut,
von neuem
geschichtet –
Wellenspur,
kristallin.
Eben weil
wir
nicht von
flüchtigen
Träumen
umgeben
sind, die sich,
kraftlos
und blutleer,
nach
unseren Launen richten,
sondern
von einer
Wirklichkeit, die
ihr
eigenes Leben lebt
und in
Beziehung zu anderen
Wirklichkeiten steht,
wird von
uns
Anstrengung verlangt,
immer aufs
neue
Beziehungen
zu ihr zu
knüpfen.
Dass man
also
den
Phänomenen trauen könne,
ohne
Materialist zu werden,
die Seele
glauben,
ohne dem
Gnostizismus
huldigen
zu müssen,
denn das
Verhältnis dessen,
was
strahlt,
zu dem,
was durchstrahlt wird,
ist nichts
Äußerliches.
Mit
anderen Worten:
Die Hüllen
decken das
Wesen
nicht zu,
sondern auf.
Zu Fragen
der Politik
habe ich
so gut wie nichts zu sagen,
notierte
er,
dem
Missverständnis zu begegnen,
er breite
über Machenschaften
den
Deckmantel der Wissenschaft –
doch die
ein für allemal entschlüsselte Geschichte
duldet
keine
Diskontinuitäten,
imaginären
Größen,
umgekehrten Perspektiven,
duldet
nicht
die
Anwendung der Relativitätstheorie
auf Dantes
Göttliche Komödie.
In seinen
letzten
Briefen
schrieb er
Trost
seiner Frau,
riet
seiner Tochter
Geduld
beim Lernen,
empfahl
Lektüren für die Jüngste.
Schrieb
von zahmen
Füchsen,
seltenen
Vögeln,
sturmverirrt.
Schrieb,
wie schwer
das Schreiben fällt
in dieser
Junimorgenstunde,
schrieb
vom Tosen
des Windes,
den
Schreien der Möwen,
der
Nichtigkeit menschlicher
Werke im
wirbelnden Schnee. |