"Wie
heißt die Lösung?" – Was ist das Geheimrezept für ein glückliches und
erfolgreiches Leben? Diese Frage beherrscht das Dasein Willy Lomans, der
Hauptfigur von Arthur Millers "Tod eines
Handlungsreisenden", das in einer Inszenierung von Eva Hosemann im
Salzburger Schauspielhaus gezeigt wird, und treibt ihn schließlich zur
Verzweiflung. Die große Karriere, die er sich immer erträumte, hat er nie
gemacht. Nach 36 Jahren harter Arbeit für die gleiche Firma, folgte nicht
der erwartete Aufstieg, sondern die Kürzung seines Gehalts und schließlich
sogar die Kündigung, da allein der Profit zählt und jegliche Menschlichkeit
in der Geschäftswelt schon lange verloren gegangen ist.
"Tod
eines Handlungsreisenden" ist ein Stück, das aktueller nicht sein könnte.
Auch ohne große Änderungen am Originaltext trifft es genau die Kernprobleme
unserer Gesellschaft, wie die immer härtere und zunehmend unsichere
Situation am Arbeitsmarkt und den sich stetig zuspitzenden Wettbewerb und
Leistungsdruck, der nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Bereiche des
Lebens durchdringt. Willy Loman ist ein Opfer dieses Leistungsimperativs des
Kapitalismus. Jeder muss Erfolg haben, wer es nicht "zu etwas bringt", hat
die Schuld allein bei sich selbst zu suchen. Mit einem einfachen Leben, wie
es sich sein Sohn Biff auf einer Farm erträumt, kann er sich nicht
zufriedengeben, es muss die glänzende Karriere sein, der Aufstieg vom
kleinen Mann zum Millionär, nach dem Vorbild seines Bruders Ben, der als
Verkörperung des "American Dream" im Cowboy-Hut durch das Haus geistert.
Als
absolut perfekt für das Stück erwies sich die geniale Konstruktion von
Stephan Bruckmeier, dem es gelang, mit Hilfe von dünnen Seilen, die als
durchsichtige Wände dienten, das gesamte Haus der Lomans auf die Bühne zu
bringen und jedes Zimmer, vom Eingangsbereich bis zu den Schlafräumen im
hinteren Teil der Wohnung, gleichzeitig einsehbar zu machen. Man kam sich
als ZuseherIn vor, als würde man wirklich durch das Fenster in den Alltag
einer Familie sehen. Vor den Augen des Publikums füllte sich das Haus mit
Leben und gab seine verborgensten Geheimnisse preis. Gezeigt wurden jedoch
nicht nur die aktuellen Handlungen der Lomans, sondern auch die
Vergangenheit der Familie, ihre Hoffnungen und Träume, die mit der
trostlosen Realität des Hier und Jetzt verschmolzen.
Die starren Formen der Zimmer und die
standardmäßige Einrichtung, der kein persönlicher Charakter der
BewohnerInnen anhaftete, erinnerten an die Austauschbarkeit der Familie
Loman und zeigten, dass es sich bei ihrem Schicksal nicht um einen
Einzelfall handelt. Wie in einem Container, eingepfercht in Einheitsformen,
verbringen die Lomans ihr eingeengtes Leben, im Garten nur eine verdorrte
Pflanze, sinnbildlich für die Erfolglosigkeit ihres Daseins.
Die
enge Verflechtung von Vergangenheit und Gegenwart verlangte den
SchauspielerInnen einiges ab. In Windeseile verwandelten sie sich von
deprimierten, vom Leben gezeichneten Erwachsenen, in hoffnungsvolle junge
Menschen mit Mickey-Mouse-Shirt und Baseballcap. Neben der hohen
Geschwindigkeit forderte die Inszenierung vom Ensemble auch stark belastbare
Stimmbänder. Ständig gellten ihre Schreie durch den Saal und ließen das
Publikum immer wieder zusammenzucken. Ihr Schreien wurde an manchen Stellen
sehr gekonnt eingesetzt, sodass einem die Verzweiflung der Figuren durch
Mark und Bein ging, manchmal wäre etwas weniger Lautstärke jedoch angenehm
gewesen.
Besonders ausgeprägte Stimmungswechsel musste
dabei Marcus Marotte als Hauptfigur Willy Loman auf sich nehmen. Von einem
Moment auf den anderen wechselte er vom erschöpften und trostlosen
Vertreter, der langsam verrückt wird, zum optimistischen und stolzen
Familienvater, der bis zum Schluss die Hoffnung auf den Erfolg seiner Söhne
nicht aufgibt. Hervorragend wie immer war auch Florian Eisner in seiner
Rolle als Biff, sei es als jugendliche Footballhoffnung, als verzweifelter
Sohn, der seinen Vater beim Seitensprung erwischt oder als wütender
Erwachsener, der sein Leben nicht in den Griff bekommt.
Ein
amüsantes Highlight in der ansonsten eher melancholischen Aufführung war
Philip Leenders als Firmenchef Howard Wagner. Mit Anzug, gegelten Haaren,
seinem herablassenden Betragen und seiner Besessenheit vom neuen "Nokia
N95", stellte er eine äußerst treffende Parodie eines typischen
Businessmenschen dar und bewirkte immer wieder Gelächter. Er schaffte es,
Willy Loman eiskalt abzuservieren und sich dabei gleichzeitig noch als
"guter Kerl" zu präsentieren.
Dass Eva Hosemann in ihrer Inszenierung auf
die letzte Szene des Stückes, die Beerdigung Willys verzichtete, sorgte
dafür, dass die melancholische Grundstimmung des Stückes auch nach dessen
Ende beim Publikum noch lange nachwirkte. Der abrupte Schluss mit dem Klang
des wegfahrenden Autos, gemeinsam mit den Schreien der Familie, im Wissen,
dass Willy dabei ist, sich umzubringen, wirkte um ein Vielfaches tragischer
und intensiver als der Schluss des Originaltextes und ließ die ZuseherInnen
betroffen und erschüttert zurück. |