Über die Aurora

Aktuelle Ausgabe

Frühere Ausgaben

Suche

   Schwerpunkte    Theater     Kulturphilosophie     Belletristik      Literatur     Film     Forschung    Atelier     Musik  

......
Vom Space-Diplomaten zum folternden Soldaten

Serienhelden der Science Fiction im moralischen Zwiespalt

Jedes Produkt der Populärkultur spiegelt Aspekte der Gesellschaft, in der es
entstanden ist. Eine Betrachtung des Umgangs mit Ethik und Moral in Science-Fiction-
Serien ermöglicht Rückschlüsse auf die entsprechenden Diskurse ihrer Entstehungszeit –
von der Friedensbewegung der 1980er Jahre, die Star Trek: The Next Generation prägten,
bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001, die in Star Trek: Enterprise
und Battlestar Galactica verarbeitet werden.

Von Johannes Kaufmann
(07. 04. 2008)

...





Johannes Kaufmann

jo-kaufmann [at] web.de

geboren 1981 in Herkenrath -
Bergisch Gladbach. Ab dem
WS 2000/01 Studium der
Geschichte, Germanstik
und Philosophie an der TU
Braunschweig. 2006/07
Examensarbeit zum Thema:
"Der Zweite Weltkrieg als
Rundfunkkrieg: Organisation
und Inhalte der Rundfunk-
propaganda 1939-1945 am
Beispiel Deutschlands und
Großbritanniens". Seit Oktober
2007 Doktorand am Histor-
ischen Seminar in Braun-
schweig (Thema: "Militär-
Medien-Interaktionen in Israel
vom Suez-Feldzug 1956 bis
zum Ersten Libanon-
krieg 1982").

Homepage
www.buze.org

 

 

 

"Raumschiff Enterprise"
(Originalerie: 1966 bis
1969, 3 Staffeln, 79 Folgen)
 

Cpt. James T. Kirk
(William Shatner)

 

 


 

So einfach wie Star Trek
IX
waren die Abenteuer
der Neuen Enterprise (Star Trek: The Next Generation
– TNG) normalerweise nicht
gestrickt. Zumeist handelte
es sich bei den ethischen
Konflikten, vor denen Picard
und seine Gefährten
standen, um echte und
nicht nur scheinbare
Probleme. Dabei blieb
die Serie ganz und
gar ethisch.



 



 

"Raumschiff Enterprise:
Das nächste Jahrhundert
"
(1987 bis 1994, 7 Staffeln,
178 Folgen)


Cpt. Jean-Luc Picard
(Patrick Stewart)

 



 

  
Wenige Jahre später zeigt
sich Deep Space Nine schon
wesentlicher mutiger und
auch moderner. DS9 spricht
Themen an, die bei Star
Trek bis dahin übersehen
wurden – und das unbe-
quemer und weniger
hochtrabend als noch
bei TNG.




 

 

"Deep Space Nine"
(1992–1999, 7 Staffeln,
176 Folgen)
 

Cpt. Benjamin L. Sisko
(Avery Brooks)

 



 

Jean-Luc Picard ist ein
ruhiger und besonnener
Diplomat, eine fast schon
unfehlbare, ehrfurcht-
einflößende Lichtgestalt.
Den wesentlich düstereren
und kriegerischeren
Geschichten bei DS9 stellt
sich mit Captain Sisko ein
vergleichsweise impulsiver,
leidenschaftlicher Kämpfer,
ein Soldat in Sternen-
flottenuniform entgegen.

 

 


 


Da fehlt doch was! Dem
aufmerksamen Leser ist
vermutlich aufgefallen, dass
die Star-Trek-Serie Voyager
in diesem Artikel keine
Erwähnung findet. Der Autor
hat sich in seinen Ausführungen
auf jene Serien beschränkt,
von denen er jede einzelne
Episode kennt. Ergänzungen
zu Voyager oder auch
Babylon 5 sind jedoch aus-
drücklich erwünscht:

jo-kaufmann [at] web.de

 

 

 

 

"Enterprise"
(2001 bis 2005,
4 Staffeln, 98 Folgen)
 



Cpt. Jonathan Archer
(Scott Bakula)

 



 

Wie weit darf man gehen,
um eine Gesellschaft vor
Terror zu schützen?
Welche Maßnahmen sind
moralisch noch zu
rechtfertigen, wenn das
Leben von Tausenden oder
gar Millionen in Gefahr ist?
Solche Fragen sind bei
Enterprise von entschei-
dender Bedeutung. Zeit-
genössische Referenz ist
ohne Zweifel die Anschlag-
serie in den USA am 11.
September 2001. 

 


 



"Battlestar Galactica"
(2003 bis 2008, geplant
sind 4 Staffeln, bisher
erschienen sind 52 Folgen)
 

Adm. William Adama
(Edward James Olmos)




 

 

Auch Battlestar Galactica
legitimiert den Umgang mit
ethisch brisanten Themen
mit einer Bedrohung für die
gesamte Menschheit, auch
BSG fußt somit auf den
Erlebnissen vom 11. September 2001. Nur
diesmal hat der Anschlag
schon stattgefunden. Die
Menschheit ist so gut wie
vernichtet, gerade einmal
40.000 Menschen haben
den Anschlag der Zylonen
überstanden. Dadurch
bekommt die Agenda des
Überlebens eine ganz
andere Bedeutung als bei
Enterprise. Und in diesem
Kampf um die nackte
Existenz bricht BSG auch
noch die letzten Tabus, vor
denen die schon alles
andere als samtenen
Handschuhe der Enterprise-
Autoren noch zurück-
schreckten.

 


 

 

Buchtipp

Wilfried Hinsch,
Dieter Janssen.
Menschenrechte
militärisch schützen.
Ein Plädoyer für huma-
nitäre Interventionen.
C.H. Beck, 2006, 303 S.
ISBN: 3406540996

 

 

 

Werbung

 

   In den 80ern gab es sie noch, die eindeutig gute und richtige Entscheidung, personifiziert in der Gestalt einer Science-Fiction-Figur: Captain Jean-Luc Picard. Stabil und unverwüstlich, auf dem Fundament einer unerschütterlichen Nichteinmischungs- und Friedensideologie, rauschte die Enterprise durch das Weltall und hinterließ am Ende jeder Episode das beruhigende Gefühl, dass das Gute sich wieder einmal durchsetzen konnte.

Zu jener Zeit, als die globale Friedensbewegung ihren Höhepunkt erreichte, als in allen Hauptstädten der westlichen Welt Plakate mit Aufschriften wie "Petting statt Pershing" von Demonstranten mit bunten Pace-Fahnen durch die Straßen getragen wurden, bewiesen Picard und seine Crew, dass in der menschlichen Zukunft sogar in den unendlichen Weiten des Weltraums Ethik und Moral triumphieren konnten, wenn man nur unverbrüchlich an seinen Überzeugungen und aufgeklärten Idealen festhielt. Die Menschheit bei Star Trek, die Hunger, Armut, Krieg und Elend hinter sich gelassen hat, wo das Individuum nicht mehr für Geld und persönliche Vorteile arbeitet, sondern "um sich selbst und den Rest der Menschheit zu verbessern" (wie Picard es in einer etwas befremdlichen Reminiszenz an den längst gedämpften Idealismus der Star-Trek-Vergangenheit formuliert), wurde immer wieder als unrealistisch kritisiert. Blauäugig und naiv sei es, zu glauben, dass der Mensch zu einer solchen Entwicklung fähig wäre.

   Was allerdings selten angesprochen wird, ist die Tatsache, dass es die Geschichten Picard und seinen humanistischen Freunden auch recht einfach machten, das Richtige zu tun. Zwar drehte sich fast jede Episode um einen moralischen Konflikt, doch waren diese Konflikte zumeist so gestaltet, dass es am Ende eben immer einen eindeutig richtigen Ausweg gab. Ein anachronistischer Versuch, an diese Art der Geschichten anzuknüpfen, ist Star Trek IXDer Aufstand (1998). Wenn Picard dem graubärtigen Admiral vorwirft, was er tue sei "unethisch; es ist amoralisch", dann wirkt diese unnötige Dopplung wie ein verzweifelter Versuch, die "guten alten Zeiten" wiederzubeleben (oder zumindest die alte idealistische Fangemeinde in die Kinos zu locken), Zeiten, in denen richtig und falsch noch eindeutig getrennt waren. Dabei hat Picard durchaus recht: Die Gegenseite handelt derart unmoralisch, dass sich der Konflikt als Schein entpuppt, denn was zu tun ist, kann gar nicht zur Debatte stehen. Konsequenterweise erkennt dies auch der Admiral, kurz bevor er von dem körperlich wie seelisch hässlichen Erzbösewicht eine letale Schönheitsoperation verpasst bekommt.

So einfach wie Star Trek IX waren die Abenteuer der Neuen Enterprise (Star Trek: The Next Generation TNG) allerdings normalerweise nicht gestrickt. Zumeist handelte es sich bei den ethischen Konflikten, vor denen Picard und seine Gefährten standen, um echte und nicht nur scheinbare Probleme. Dabei blieb die Serie ganz und gar ethisch. Wikipedia definiert Ethik als eine "philosophische Disziplin [...], deren Aufgabe es ist, Kriterien für gutes und schlechtes Handeln und die Bewertung seiner Motive und Folgen aufzustellen". Dabei baue sie "allein auf das Prinzip der Vernunft". Einen ähnlichen Satz hatten die Drehbuchautoren von TNG vermutlich über ihren elektronischen Schreibmaschinen an die Wand genagelt.

   Im Zentrum vieler Episoden steht die Frage von richtig und falsch, und über diese Frage wird nicht selten offen diskutiert. Als Beispiel hierfür mag ein Glanzstück der Serie, "Das Standgericht" (1991), stehen. Das stets aktuelle Thema zeigt sich in Fragen wie: Wie weit darf man im Namen der Sicherheit gehen? Wann wird die Priorität von Sicherheit zu einem Problem, weil sie nur noch auf Kosten von Freiheit und grundlegenden Bürgerrechten zu haben ist? Diese Fragen sind der Episode nicht subtil als Grundton unterlegt, sie stehen im Mittelpunkt des Geschehens und werden in einer Folge von Gerichtsprozessen, in denen schließlich Picard selbst unter Anklage steht, zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte. Am Ende steht die Rede des Captains, ein flammendes Plädoyer für die Rechte des Bürgers und für den Schutz des Angeklagten vor der Willkür des Staates. Im Angesicht der wortgewaltigen Eloquenz und der ethisch unwiderstehlichen Argumentation erscheint ein Widerspruch undenkbar. Die Öffentlichkeit im improvisierten Gerichtssaal ist überzeugt, die fanatische Anklägerin düpiert, sie lässt sich zum Ausfall provozieren, der ihr die Maske vom Gesicht reißt und die hässliche, machtgierige Paranoikerfratze zum Vorschein bringt. Am Ende siegt die Vernunft.

Mit der Lösung des ethischen Problems auf theoretischer Ebene ist auch die weitere Handlung vorgegeben: Sämtliche Anklagen werden fallengelassen, der verdächtigte, aber unschuldige Fähnrich wird freigesprochen. Ein Dilemma aus dem Wissen um das richtige Handeln und die Unmöglichkeit, dies in die Tat umzusetzen, gibt es selten. Der bewundernswerte ethische Grundsatz, dass die bürgerlichen Rechte und Freiheiten wichtiger sind als die Sicherheit der Gesellschaft, wird nicht mit der Möglichkeit konfrontiert, dass der Angeklagte eben doch schuldig sein könnte und den Schutz, dem dieser Grundsatz ihm bietet, zum Schaden der ihn schützenden Gesellschaft missbraucht.

Schutz des Ideals vor der Realität

   Besonders frappant wird dieses Ausklammern von echten Handlungsdilemmata bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Immerhin, das Thema Krieg wurde bei TNG nicht einfach ausgeblendet. Das wäre selbst für die utopiebegeisterten 80er zu unglaubwürdig gewesen. Doch begegnet es dem Zuschauer auf Seiten der Sternenflotte lediglich in Form einer pazifistischen und damit vereinfachten Version von Augustinus‘ bellum iustum: Er ist nicht nur gerecht, er ist auch immer ein Verteidigungskrieg. Die Bedrohung kommt von außen, von entmenschlichten Aliens wie den Borg, die nichts weniger als die Menschlichkeit selbst gefährden. Der Krieg ist gleichzeitig Abwehr eines unprovozierten Überfalls und Kampf für die eigenen Ideale und für eine Galaxie, die im Großen und Ganzen von friedliebenden Spezies bewohnt wird. Einen solchen Krieg können selbst Pazifisten mit gutem Gewissen führen. In einer Zukunft ohne Konzentrationslager, ohne ethnische Säuberungen, ohne als Freiheitskampf getarnten Terrorismus wird das Ideal der Nichteinmischung in die Angelegenheiten fremder Völker nur selten herausgefordert, weil das Recht auf Leben letztlich von niemandem in Frage gestellt wird, also auch nicht mit Gewalt verteidigt werden muss.

Kurz angedeutet wird das ansonsten ausgeblendete Spannungsverhältnis zwischen der Proklamation hehrer Ideale und der Obersten Direktive in "Star Trek VI – Das unentdeckte Land" (1991), wenn die Tochter des klingonischen Kanzlers beim Diner verächtlich ausruft: "Menschenrechte – schon das Wort ist rassistisch."

Natürlich ist es das. Bezogen auf die heutigen Zustände auf der Erde würden manche dieses Wort vielleicht sogar als imperialistisch bezeichnen. Denn was taugen solche Ideale, wenn man sie nicht für allgemeingültig erklärt? Kann man an sie glauben und gleichzeitig anderen zusichern, sie mit Füßen zu treten? The Next Generation geht diesen Fragen letztlich aus dem Weg. Die Autoren verschonen ihre Protagonisten vor Erfahrungen wie denen der Soldaten der UN-Sternenflotte im Jahr 1994, als sie gemäß der Obersten Direktive dem Völkermord an den Tutsi in Ruanda vor ihren Augen tatenlos zusehen mussten. Bei Roméo Dallaire, dem zuständigen Befehlshaber der UN-Schutztruppen, hat dies keineswegs zu einem picardesken Gefühl der moralischen Überlegenheit geführt. Er wurde depressiv, versuchte mehrfach, sich das Leben zu nehmen und konstatierte schließlich im Titel seines Buches ein Scheitern der Menschlichkeit und damit eine "Mitschuld der Weltgemeinschaft am Völkermord in Ruanda". Star Trek-Zuschauer werden vor einem derartigen Realitätsschock, der den hochtrabenden Idealen entweder ihre eigene Wirkungslosigkeit vorhält oder aber ihre Vertreter zwingt, zu Soldaten (und somit potenziell, ganz im Sinne Tucholskys, auch zu Mördern) zu werden, bewahrt – vorerst.

Kampf um das Ideal – Star Trek Deep Space Nine (DS9)

   Wenige Jahre später zeigt sich Deep Space Nine da schon wesentlicher mutiger und auch moderner. Während im Zentrum Europas Menschen erneut in Konzentrationslagern zusammengepfercht werden, erfahren wir im Fernsehen von der Vernichtung durch Arbeit auf dem besetzten Bajor. DS9 spricht Themen an, die bei Star Trek bis dahin übersehen wurden – und das unbequemer und weniger hochtrabend als noch bei TNG. So gelingt es Major Kira in der Folge "Licht und Dunkelheit" zwar, eine Trennlinie zwischen Terrorismus und Freiheitskampf zu ziehen, doch muss sie feststellen, dass diese Grenze durchaus verschwimmen kann. Sie muss sich ihren moralischen Standpunkt hart und schmerzhaft erarbeiten und am Ende einsehen, dass ihre ursprüngliche Überzeugung aus der Zeit des Widerstands, dass jeder Cardassianer auf Bajor schuldig und somit ein legitimes Ziel war, im Angesicht des Leids, das sie selbst verursacht hat, nicht haltbar ist. Unbequem ist diese Erkenntnis, weil ihr Widersacher – anders noch als in der beeindruckenden Episode "Der undurchschaubare Marizza" (1993) – keine bewundernswerte, schamgepeinigte Ausnahmepersönlichkeit darstellt, sondern durch seine Verwundung im Nachhinein zum Fanatiker wurde. Er ist ein Verbrecher, ein Mörder – doch als Opfer des bajoranischen Anschlags war er unschuldig.

Inter arma enim silent leges – Ideale auf dem Prüfstand

   Besonders lohnenswert ist allerdings der Vergleich der beiden Hauptverantwortungsträger der Serien. Ist dies mit Picard bei TNG ein ruhiger und besonnener Diplomat, eine fast schon unfehlbare, ehrfurchteinflößende Lichtgestalt, so stellt sich den wesentlich düstereren und kriegerischeren Geschichten bei DS9 mit Captain Sisko ein vergleichsweise impulsiver, leidenschaftlicher Kämpfer, ein Soldat in Sternenflottenuniform (eine bisher äußerst seltene Spezies, wenn man bedenkt, dass die Sternenflotte eigentlich eine Armee sein soll), entgegen. Nur am Rande: Es spricht für die Qualität von Star Trek, dass diese sehr unterschiedlichen Führungspersonen optimal in die jeweiligen Szenarien passen.

Anders als Picard ist Sisko ein Pragmatiker, ein Befehlshaber, der seine Entscheidungen zumindest teilweise den Notwendigkeiten der konkreten Situation unterwirft. Oberste Priorität hat bei ihm der Schutz seiner Mannschaft, und dafür ist er bereit, notfalls auch festgefügte ethische Grundsätze zu opfern. Fast scheint es, als folge Sisko im Laufe der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen während der Serie zuweilen dem Motto Ciceros: Inter arma enim silent leges – Unter Waffen schweigen die Gesetze, ein Motto, das nicht nur von Admiral Ross zitiert wird, sondern auch den Titel einer Episode darstellt.

   Wie weit Sisko bereit ist zu gehen, wird bei der "Belagerung von AR 558" (1999) deutlich. Als der kleine Außenposten der Föderation auf einem abgelegenen Planeten immer wieder von Jem'Hadar, den herzlosen, gezüchteten Kampfmaschinen des Dominion – auch hier muss der Kampf noch mit der außergewöhnlichen Ruchlosigkeit des Feindes legitimiert werden – angegriffen wird, ist Sisko jedes Mittel recht, um das Überleben seiner schrumpfenden Kampfeinheit zu sichern. Nachdem es Dax gemeinsam mit einem Ingenieur gelingt, die tückischen und von den Soldaten der Sternenflotte verurteilten getarnten Landminen der Jem'Hadar zu lokalisieren und zu entschärfen, entscheidet Sisko, die Minen gegen den Feind einzusetzen. Das ist starker Tobak für eine Serie, die in einer eindeutig idealistischen, ja pazifistischen Tradition steht. Und das im Jahr 1999, das gleiche Jahr, in dem die "Ottawa-Konvention" der UNO zur Ächtung und zum Verbot von Landminen in Kraft trat!

Ist Sisko ein Verbrecher, DS9 durch den allgegenwärtigen Kriegsplot völlig aus dem Ruder gelaufen und plötzlich auf den militaristischen Grundzug vieler Science Fiction-Produkte aufgesprungen? Ein solches Urteil macht es sich zu leicht. Nicht nur, dass Siskos Entscheidung auf heftige Gegenwehr unter seinen Offizieren (insbesondere bei Dax) stößt, sie ist auch in gewisser Hinsicht moralisch. Um in diesem Punkt den Unterschied zwischen TNG und DS9 auch begrifflich festzuklopfen, habe ich mir erlaubt, unter den vielen Definitionen, die Wikipedia zu "Moral" anbietet, relativ willkürlich die auszusuchen, die den Kernpunkt meiner Analyse trifft. Demnach ist moralisches Verhalten vor allem durch die Absichten bestimmt. Moralisch handelt, wer damit gute Absichten verfolgt. Somit ist Sisko ein pragmatischer Moralist, der in der Absicht, das Leben der ihm anvertrauten Soldaten in einem Krieg gegen einen gewissenlosen, brutalen Feind zu schützen, auch vor extremen Maßnahmen nicht zurückschreckt. Anders als noch bei TNG liegt hier die Einteilung von richtig und falsch keineswegs auf der Hand. Wäre es richtig oder richtiger, seine Soldaten einem ethischen Grundsatz zu opfern? Ist es auf der anderen Seite richtig, ethische Grundsätze für das eigene Überleben (und das seiner Untergebenen) zu opfern? Picard und seinen Offizieren blieben solche Entscheidungen glücklicherweise erspart.

   Die Kunst ist der Spagat, den DS9 hier zu leisten im Stande ist. Das Ideal ist hart umkämpft, droht in einigen Episoden wie der "Belagerung von AR 558" gar zu kippen, doch kann es am Ende angeknackst, aber intakt erhalten bleiben. Denn letztlich zieht die Serie noch immer klare Grenzen. Auch wenn Agent Sloan von der geheimen Sektion 31 genau diese Argumentation bei Dr. Bashir anbringt, nämlich dass zum Schutz der Idealisten alle Mittel erlaubt seien, erntet er für seinen geplanten Völkermord an den Gründern, den Anführern des Dominion, keinerlei Zustimmung – nicht vom Zuschauer und schon gar nicht von den Offizieren der Sternenflotte. Erst einige Jahre später sollte sich mit Battlestar Galactica eine Science Fiction-Serie trauen, auch dieses Tabu in Frage zu stellen.

Gewissensbisse statt öffentlicher Verhandlung

   Keine DS9-Folge verdeutlicht den Unterschied zum Umgang mit Ethik und Moral bei TNG so eindrucksvoll wie "In Fahlem Mondlicht" (1998), ein Glanzstück der Science-Fiction-Unterhaltung. Im Zentrum der Episode steht wieder einmal die uralte Frage nach der Rechtfertigung extremer Maßnahmen durch einen guten Zweck. Sisko selbst benutzt das bekannte Bild vom Weg zur Hölle, der mit guten Absichten gepflastert sei. Das Außergewöhnliche an dieser Episode ist die Art, wie diese Hölle beschaffen ist.

Als Sisko mal wieder eine Verlustliste vorgelegt bekommt und seine Freunde über den Tod von Bekannten im Krieg gegen das Dominion trauern sieht, fasst er den Entschluss, dass die Romulaner unbedingt für den Kampf gewonnen werden müssen. Denn ihre wohlwollende Neutralität dem Dominion gegenüber kostet vielen Menschen und Aliierten das Leben.

Da die Romulaner sich jedoch nicht einfach überzeugen lassen, gerät Sisko unter Beeinflussung durch den cardassianischen Spion Garak unter Druck, die Grenzen der Legalität zu überschreiten. Er lügt und betrügt, besticht Sternenflottenoffiziere und deckt die Straftaten eines Kriminellen. Schließlich ist er sogar mitverantwortlich für den Mord an einem romulanischen Botschafter. Ein klassischer Handlungsverlauf, doch mit einem ungewöhnlichen Ende: Sisko hat Erfolg mit dem, was er tut. Die Romulaner werden in den Krieg hineingezogen und ermöglichen der Allianz erstmals, in die Offensive zu gehen. In gespielter Begeisterung hebt Sisko allein in seinem Quartier sein Glas zum Toast und verkündet: "Dies ist ein großer Sieg für die Guten. Womöglich ist dies sogar der Wendepunkt des gesamten Krieges", um dann beschämt in sich zusammenzusinken. Denn anders als in vielen anderen Bearbeitungen dieses klassischen Konflikts hat Sisko keinerlei Konsequenzen für sein unethisches Verhalten zu tragen. Es gibt kein Ermittlungsverfahren, keine Vorwürfe von Freunden, nicht einmal der obligatorische Eintrag in die Personalakte, der bei Star Trek immer wieder als eine Art Generalablass zum Tragen kommt. Der einzige, dem gegenüber Sisko Rechenschaft ablegen muss, ist er selbst. Nachdem er in seiner Selbstverachtung Garak verprügelt und wegen des Todes des romulanischen Botschafters zur Rede gestellt hat, führt dieser treffend und voller Sarkasmus aus: "Deswegen sind sie doch zu mir gekommen, nicht wahr, Captain? Weil sie wussten, dass ich die Dinge tun kann, die sie nicht tun können". Siskos Versuche, sich zu verteidigen, sind halbherzig und unglaubwürdig. Garak hat für diese Gewissensbisse kein Verständnis, weswegen er dem Captain zynisch entgegnet: "Sie haben vielleicht den gesamten Alphaquadranten gerettet. Und alles, was es kostete, war das Leben eines romulanischen Senators, eines Kriminellen und die Selbstachtung eines Sternenflottenoffiziers. Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber ich nenne das: ein Sonderangebot".

   So wird in dem bekannten moralischen Konflikt eine neue und viel schwerwiegendere Seite aufgezeigt. Wenn es keine sanktionierenden Instanzen gibt, niemanden, der von außen ein Urteil auf der Grundlage fester ethischer Normen spricht, dann ist das Individuum allein gelassen mit dem eigenen Urteil. Damit wird mit einem zentralen Konzept von TNG gebrochen, das darin bestand, dass die vielen innerhalb der Serie aufgeworfenen ethischen Fragen im öffentlichen Raum und unter Berufung auf allgemein akzeptierte (und in Form der Direktiven der Föderation sogar institutionalisierte) Normen ausgehandelt wurden. Der Konflikt wird privatisiert und in den Einzelnen verlegt, der weder auf Verdammung noch auf Vergebung hoffen kann, außer durch sich selbst. Und so endet die Episode mit einem ratlosen Captain, der versucht, sich selbst zu überzeugen: "Ich werde lernen, damit zu leben. Denn ich kann leben damit. Ich kann leben damit."

Auf der Suche nach dem Ideal – Enterprise

   Jedes kulturelle Erzeugnis reflektiert Ereignisse und Diskurse, die innerhalb der Kultur, in der es entsteht, zum Zeitpunkt seines Entstehens von Bedeutung sind. Bei Enterprise ist diese zeitgenössische Referenz ohne Zweifel die Anschlagserie in den USA am 11. September 2001. Eine aufgeklärte, hochentwickelte, westliche Gesellschaft wurde schlagartig mit einer Bedrohung konfrontiert, die die eigenen ethischen Überzeugungen auf die Probe stellte, in einigen Fällen sogar ebenso zum Einsturz brachte wie die Türme des World Trade Centers. Wie weit darf man gehen, um eine Gesellschaft vor Terror zu schützen? Welche Maßnahmen sind moralisch noch zu rechtfertigen, wenn das Leben von Tausenden oder gar Millionen in Gefahr ist? Solche Fragen sind bei Enterprise von entscheidender Bedeutung. Und dass der Bezug zur unmittelbaren Gegenwart der Entstehungszeit der Serie auf der Hand liegt, wird nicht nur an der phonologischen Ähnlichkeit der fiesen außerirdischen Spezies der Suliban zu den Taliban deutlich.

In der Episode "Die Ausdehnung" (2003) wird die Menschheit mit der Ankündigung ihrer vollkommenen Vernichtung konfrontiert. Eine Sonde einer unbekannten Spezies, der Xindi, tritt in den Orbit ein und feuert einen Energiestrahl auf Florida, der mehreren Millionen Menschen das Leben kostet. Mit Hilfe der Vulkanier gelingt es der schockierten Menschheit, die Urheber des Terroranschlags auszumachen, ein Reisender aus der Zukunft verrät das Motiv, das die Xindi zu ihrem Tun bewegt: Sie wollen die Menschheit auslöschen, um damit ihrer eigenen Vernichtung in einer ihnen bekannten nahenden Zukunft zu entgehen (die genauen Umstände dieser Zukunft sind dem Zuschauer und der Besetzung der Enterprise zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bekannt). Also wird die Enterprise losgeschickt, um Bau und Abschuss einer Weltvernichtungswaffe (denn die Sonde war nur ein Testlauf) zu verhindern – und das notfalls mit allen Mitteln.

   Zu dieser eher abstrakten Motivation (Schutz vor einem vom Feind geplanten Ereignis) gesellt sich jedoch noch ein individuelles, emotionales Motiv: Der Chefingenieur der Enterprise, Charles Tucker, genannt Trip, ist nicht an einer friedlichen Beilegung des Konflikts interessiert. Er sinnt auf Rache für seine Schwester, die bei dem Anschlag ums Leben kam. Ein derart irrationales Ansinnen ist für einen Sternenflottenoffizier zu Picards Zeiten kaum denkbar. Zwar ließ Captain Sisko sich zu einer persönlichen Fehde mit seinem verräterischen Sicherheitschef Eddington verleiten, doch schon dieser Anflug von Stolz und mangelnder emotionaler Distanz ist in der rationalen Star-Trek-Welt außergewöhnlich – und in diesem Fall stand auch nicht die Existenz der Menschheit auf dem Spiel.

Hier zeigt sich das ethisch-moralische Konzept von Enterprise. Die Menschen stehen gerade erst am Anfang ihres Weges, an dessen Ende die ethische Unfehlbarkeit Picards alles überstrahlt. Als Captain Archer und seine Besatzung sich aufmachen, die Heimatwelt der Xindi zu finden, gibt es noch keine Föderation, keine Oberste Direktive, keine Sternenflotte, die vielmehr Wissenschaftler und Humanisten in Uniform als Soldaten ausbildet, und vor allem keine Menschheit, die sich zum idealistischen Zustand des 24. Jahrhunderts entwickeln konnte. Trips Reaktion ist zeitgenössisch, emotional und vermutlich nah an den Empfindungen des Zuschauers, und nicht kühl und im Abstrakten verbleibend wie man es von den Offizieren der Enterprise D erwarten würde. Somit ist sie vor allem eins: nachvollziehbar.

Keine Ideale in Sicht

   Nachvollziehbar sind in gewissem Sinne auch die extremen Maßnahmen, zu denen Archer im Laufe der dritten Staffel der Serie greift. Immerhin treibt ihn nichts Geringeres als die ultimative Bedrohung, der Kampf um die Rettung der gesamten Menschheit. Durch diese Bedrohung legitimiert, bricht die Serie fast alle denkbaren Tabus: Archer foltert Gefangene, um an Informationen über die Xindi zu kommen – nach den Anschlägen vom 11. September wurde in der amerikanischen Öffentlichkeit heftig über die Folterungen von Verdächtigen diskutiert. Dies führte im Februar 2008 zu einem gesetzlichen Folterverbot durch den Senat, das vom Präsidenten sogleich mit einem Veto beantwortet wurde –, er plündert Schiffe unbeteiligter Spezies und schreckt sogar vor Mord nicht zurück. Kurz: Archer und seine Mannen (denn es sind leider tatsächlich fast nur Männer) machen sich die Hände schmutzig – etwas, das Picard nie getan hat. All dies ist verständlich in Anbetracht der Gründe, die hinter Archers Verhalten stehen. Doch gleichzeitig stellt sich irgendwann die Frage, wie Enterprise und Enterprise D jemals zusammenkommen sollen. Denn mit Ausnahme von Trip, der seinen persönlichen Groll am Ende überwindet, ist bei Archer keinerlei idealistische Entwicklung festzustellen. Auch scheinen ihm seine zweifelhaften Taten etwas zu leicht von der Hand zu gehen. Das Ziel ist die Rettung der Menschheit. Die Mittel sind egal. Augen zu und durch. Zu selten erfolgt eine Reflexion der eigenen Taten, zu selten sehen wir die Gewissensbisse, die Sisko "Im Fahlen Mondlicht" in seinem Quartier überwältigen.

Anders als Battlestar Galactica steht Enterprise in einer Tradition, in der ethischer Idealismus eine entscheidende Rolle gespielt hat. Mehr noch, die Serie endet sogar mit der Gründung der Föderation, jener Föderation, auf derem Fundament Picard 200 Jahre später thronen wird. Doch fragt man sich als Zuschauer am Ende der letzten Episode, wann die Entwicklung zu diesem Ideal stattgefunden hat. Dass TNG auch ethisch in Enterprise wurzelt, ist nicht zu erkennen. Das hoffnungsvolle Versprechen von Star Trek steht der Glaubwürdigkeit von Enterprise im Weg, von diesem Startpunkt aus betrachtet, erscheint die Utopie unerreichbar.

Moral ohne Ideal – Ein Exkurs zu Battlestar Galactica (BSG)

   Die Parallelen zur zwei Jahre zuvor erschienenen Star-Trek-Serie Enterprise sind zunächst einmal auffällig. Auch BSG legitimiert den Umgang mit ethisch brisanten Themen mit einer Bedrohung für die gesamte Menschheit, auch BSG fußt somit auf den Erlebnissen vom 11. September 2001. Nur diesmal hat der Anschlag schon stattgefunden. Die Menschheit ist so gut wie vernichtet, gerade einmal 40.000 Menschen haben den Anschlag der Zylonen überstanden. Dadurch bekommt die Agenda des Überlebens eine ganz andere Bedeutung als bei Enterprise. Und in diesem Kampf um die nackte Existenz bricht BSG auch noch die letzten Tabus, vor denen die schon alles andere als samtenen Handschuhe der Enterprise-Autoren noch zurückschreckten. Folter von Gefangenen wird nicht nur angedeutet und angedroht, sie wird auch durchgeführt – und zwar dreckig und brutal. BSG ist vermutlich die erste SciFi-Serie, in der eine Vergewaltigung gezeigt wird, die Vergewaltigung einer Gefangenen durch Angehörige der Fraktion, die eigentlich die Guten sein sollten. Immerhin werden die Verantwortlichen für diese Tat bestraft. Jedoch nicht in Form eines Prozesses, in dem ein Urteil ausgesprochen und somit öffentlich auf den Bruch eines ethischen Grundsatzes hingewiesen wird, sondern durch Selbstjustiz: Der Geliebte der Verurteilten bringt den Täter kurzerhand um.

Waren die ersten beiden Staffeln der Serie schon hart, so setzt die dritte Staffel noch einen drauf: Die Menschheit steht erneut vor der vollkommenen Vernichtung, nachdem sie sich auf einem unwirtlichen Planeten niedergelassen hat, der kurz darauf von den Zylonen besetzt wird. In dieser Situation ist die kleine Widerstandsgruppe, bestehend aus einigen "Helden" der Serie, zu allem bereit. Kollaborateure werden eiskalt exekutiert, Anschläge auf die Besatzer werden durchgeführt und schließlich sehen wir etwas, das in einer amerikanischen Serie bis dato undenkbar erschien: Ein Mitglied der Widerstandszelle sprengt sich bei der Vereidigung der neu eingesetzten Polizeitruppe, die aus Menschen besteht (also so etwas wie die Kapos im KZ), selbst in die Luft. Die Guten als Selbstmordattentäter? Will die Serie etwa Verständnis wecken für die fanatischen Selbstmörder im Nahen Osten?

Individuelle Moral im Angesicht der Vernichtung

   Fest steht: BSG ist unbequem, denn die Serie gibt keine höhere Ethik vor. Zwar stellt die selbst keineswegs zimperliche Präsidentin der Menschheit klar, dass sie keine weiteren suicide bombers tolerieren werde, doch fällt diese Entscheidung in Form eines Machtwortes und nicht als Ergebnis einer vorangegangenen ethischen Diskussion. Einsame Entscheidungen wie diese gehören zu den Kernpunkten bei BSG im Umgang mit ethischen Fragen. Anders als bei Star Trek existiert kein kollektives Ideal, und selten finden die in den einzelnen Episoden aufgeworfenen Probleme eine Öffentlichkeit, in der über Ethik verhandelt werden könnte. Stattdessen ist die Moral vollständig ins Individuum verlagert. Der Einzelne entscheidet, wie weit er zu gehen bereit ist. Dass dies an die Konzeption von DS9 erinnert, ist kein Zufall, denn Ronald D. Moore, einer der Produzenten von BSG, war maßgeblich an der Star-Trek-Serie beteiligt. Nach eigener Aussage wollte er mit BSG eine Serie erschaffen, "die sich zwischen den hehren Idealen von Star Trek und dem harten Moralpragmatismus des Militärs bewegt". Sein Bezugspunkt ist dabei anders als bei Enterprise nicht die hoffnungsfrohe Utopie der Zukunft, sondern die Moral der Gegenwart – allerdings in einem Ausnahmezustand. Und das macht die Serie so authentisch. BSG zeigt echtes Militär im Weltraum, das sich Fragen stellen muss, die der amerikanischen Gesellschaft sehr vertraut sind. In den Worten Moores: "Was bedeutet es, in einer unter Angriff stehenden Gesellschaft frei zu sein? Was sind die Grenzen einer solchen Freiheit? Wer hat Recht? Wer hat Unrecht? Unterstützt man die falsche Seite?"

Wer Recht hat und wer Unrecht, ist bei BSG nicht einfach zu beantworten. Um dem Zuschauer die Entscheidung weiter zu erschweren, nehmen die Autoren den Zylonen zu allem Überfluss auch noch ihr stählernes Äußeres. Einige Modelle haben nun eine menschliche Erscheinung. Anfangs dient dies der Infiltration, der Absicht, gefährliche Schläfer unter die Besatzung der Galactica, die militärische Führungsriege und sogar die Regierung zu mischen. Doch im Verlauf der Serie wird offenbar, dass nicht nur das Äußere der Zylonen menschlich geworden ist.

   Das macht ein eindeutiges, allgemeingültiges ethisches Urteil vollends unmöglich. Und so begegnen uns auf der Galactica zwei Offiziere, die unterschiedlicher kaum sein könnten und deren beider Verhalten doch nachvollziehbar ist. Auf der einen Seite steht der Pilot Karl Agathon, genannt Helo, der sich im Verlauf der Serie in eine Zylonin verliebt und fortan nicht mehr in der Lage ist, Menschen und Zylonen klar in Freund und Feind zu trennen. Das macht ihn letztlich zum moralischsten Charakter der Serie. Er ist es, der gegen die Vergewaltigung einer Zylonin einschreitet. Und als die Präsidentin (gegen die ethischen Bedenken des obersten Militärs Admiral Adama) entscheidet, einen neu entdeckten Virus zur Vernichtung der gesamten zylonischen Spezies einzusetzen, greift Helo zum Mittel der Sabotage, um dies zu verhindern. Dass auch er nicht zimperlich ist, wenn es um seine Überzeugungen geht, beweist die Tatsache, dass er für diese Sabotage mehrere Zylonen ermorden muss.

Auf der anderen Seite steht Colonel Saul Tigh. Er ist der skrupellose, teilweise sogar brutale Pragmatiker der Serie. An ihm ist es, die Drecksarbeit zu erledigen. Damit übernimmt er eine Rolle, die ansonsten von denen, die sich als die Guten sehen, zum Schutz der eigenen Ideale nicht selten "outgesourced" wird. Im Weltraum machen das Außerirdische wie Garak – bei uns auf der Erde das US-Militär.

In seiner schroffen, unwirschen Art wirkt Tigh immer wieder unsympathisch, doch auch hier machen es die Autoren dem Zuschauer nicht leicht, ein vorschnelles Urteil zu treffen. Denn ohne Tighs Bereitschaft, sich die Hände schmutzig zu machen, wäre die Menschheit vermutlich schon vernichtet worden. Und er tut diese Dinge, die getan werden müssen, keineswegs mit Freude oder gar aus Sadismus. Im Gegenteil, Tigh ist ein bedauernswerter Charakter, ein Alkoholiker und Raufbold aus Selbstverachtung, der aus Pflichtgefühl und seinem Sinn für Gerechtigkeit heraus gezwungen ist, seine eigene Frau zu töten – eine Szene, die nicht nur kaum zu ertragen ist, sondern die Tigh auch vollends den Boden unter den Füßen wegzieht.

   Ist Helo in dieser Gegenüberstellung wirklich der Gute, so wie sein Name Agathon, abgeleitet von der griechischen Vorsilbe Agatho- (auf Deutsch gut-), vermuten lässt? Und ist Saul(us), aus der Bibel als Verfolger von Christen bekannt, der Böse?

Gut und Böse sind bei BSG nicht klar definiert, es sind nicht die Kategorien, die bei den ethisch-moralischen Konflikten der Serie von entscheidender Bedeutung sind. Überraschenderweise kommt es zwischen Tigh, der sich ansonsten so ziemlich mit jedem Besatzungsmitglied der Galactica anlegt, und Helo nie zu einer ernsthaften Auseinandersetzung. Es hat fast den Anschein, als wären sie sich bewusst, dass die Menschheit beides braucht: Ideale und Pragmatismus.

Ausdrucken?

 

Zurück zur Übersicht