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Tina Karolina Stauner
tkstauner [at] arcor.de
Tina Karolina Stauner
lebt in München und veröf-
fentlicht nach Ausbildung
beim Werkbund, im Theater
und in Kulturwissenschaften
als freie Autorin und Künstlerin.
Die Absolventin der Münchener
Journalistenakademie schreibt
journalistische und literarische
Texte und arbeitet als visuelle
Künstlerin in/mit mehreren
Medien. Im Bereich des
Kultur- und Musikjournalis-
mus liegen ihre Schwerpunkte
unter anderem bei Themen
wie Free Jazz, Improvisation,
experimentelle Musik, Neue
Musik, Neues Musiktheater,
Avantgarde und Songwriting.
Homepage
memoryvision.tumblr.com
Blog
tkstauner.blogspot.com

Jürgen Becker.
Scheunen im Gelände.
Mit Collagen von Rango
Bohne und einem Nachwort
von Michael Krüger.
Lyrik Kabinett, 2012. 108 S.
ISBN: 9783938776315
Linktipp
www.juergen-becker.com |
I n
der Reihe Lyrik Kabinett München ist im heurigen Frühjahr der Gedichtband "Scheunen im
Gelände" von Jürgen Becker erschienen. Ein weißes Buch, das in Karton aus
zwei Farbfeldern, blau und rot, gebunden ist. Darauf silbrigweiße
Typografie.
In seinem Nachwort dazu erinnert Michael
Krüger, bezogen auf Beckers Lyrik, an Hugo von Hofmannsthals Vortrag "Poesie
und Leben" aus dem Jahr 1896 und dabei an dessen Satz: "Eine neue und kühne
Verbindung von Worten ist das wundervollste Geschenk für die Seele."
"Scheunen im Gelände" dokumentiert
autobiografisch Gefärbtes des 80-jährigen Becker, der über 40-jährige
Erfahrung im Umgang mit Lyrik hat. Und die künstlerische Avantgarde der 50er
Jahre mit Stockhausen, Kagel, Vostell und anderen kannte und in den 60ern
zur Gruppe 47 eingeladen wurde. Becker war auch zeitweilig Lektor, Verlags-
und Hörspielleiter.
H insichtlich
der Bedeutung der Vergangenheit hält Becker das Schreiben für einen
"archäologischen" Vorgang. Es gehe darum, verschüttete Erinnerungen
hervorzuholen. Eigene und beim Leser. Eine der Stärken dieses Lyrikers
beschreibt Krüger aber so: Seine Gedichte "bleiben über die Zeit hinweg
offen". Genau in der Fähigkeit, im Bewusstseinsvorgang Schreiben eine
Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herzustellen und zu
präsentieren, liegt eine Qualität.
Die Gedichte in dem Buch sind inspiriert und
ergänzt durch Collagen von Rango Bohne, Beckers Ehefrau. Man kann es ein
Korrespondenz-Buch nennen. Becker schätzt die Impulse, die aus Bohnes
visueller Arbeit
kommen. In ihren Bildern
entstehe ein unmittelbarer, authentischer Ausdruck, der nichts mit der
vorgefundenen Bilderwelt zu tun habe, "vergleichbar mit meinem Arbeiten", so
teilt Becker dem Neuen Evangelischen Kirchenverband Köln kürzlich
anlässlich einer Lesung und
Ausstellung in der Trinitatiskirche im Gespräch mit.
D ass es den Wert der Natur gibt. Einer
unzerstörten Natur. Klar zu spüren in den Gedichten von "Scheunen im
Gelände". Aber auch, dass dies wenig selbstverständlich sein kann und ist,
dass man möglichst präzise darauf aufmerksam machen muss.
Auch dass diese Naturerfahrung eine
Grenzerfahrung ist oder werden kann in gefährdetem Terrain
und Leben, das angreifbar ist und angegriffen ist. So wirken auch die
Collagen von Rango Bohne, die mit den Gedichten korrespondieren. Bilder, die
Naturstücke sind. Realismus, in dem man dann aber verschobene Teilstücke
wahrnimmt. Nicht zusammenstimmende Kanten, plötzliche, leichte oder starke
Farbbrüche. Gerade noch im Stimmigen. Aber eben keine Spur romantisch, sondern poetisch gebrochen.
O hne Brüche ist auch bei Becker nichts. Manche
Figuren in den Gedichten leben damit, manchen gelingt dies nicht. Menschen,
in deren Natur etwas eingedrungen ist, das bis an die Grenzen des
Ertragbaren strapaziert. Auch bis zu einem worst case, wie etwa Krieg, und
danach ganz am Leben scheitern. Oder in der Kunst mit allem umgehen.
Ironisch Gebrochenes meint Becker nicht. Kein
"naturgemäß" in einem Thomas Bernhardschen Sinn. Sondern Klarheit, Ruhe,
Reinheit, in der der Mensch noch natürlich oder ungeblendet eine Chance
haben sollte. Sollte. Denn Beckers Gedichte handeln davon, dass eben genau
dies nicht selbstverständlich oder unmöglich ist.
"Der rasanten Veränderung der Welt hält Becker
trotzig sein stilles Bild der Welt entgegen", ergänzt Krüger.
Auszüge
Was man liegen läßt, im Vorbeigehen, später stellt sich heraus es war ein Versäumnis, vielleicht. Sicher kann man sich nie sein, auch wenn Zivilisten aussehen wie Zivilisten ... (Umleitung Soltau-Ost)
[...]
weiße Flächen berühren den Waldrand dahinter beginnt wovon man nichts weiß unbestimmt bleibt auch die Himmelsrichtung die Herkunft dessen was ankommen wird spät vielleicht plötzlich es kann still bleiben wie nie zuvor (was und wann)
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Nach ihrer Zeit mit den Surrealisten ging Lee Miller als Kriegsphotografin für Vogue an die Front. Sie ließ sich in München photografieren, als sie in Hitlers Badewanne ein Bad nahm, kurz nach ihrem Besuch in Dachau. (History)
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Der Waldrand steht still. Still liegen die Felder. So sieht es aus. So kann man es sagen. (Eine Zeit ohne Skrupel)
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