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...... Von
Kristina Werndl |
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Rund drei Viertel der
Web-Tipps
RFID-Transponder
RFID-Klebeetiketten
Web-Tipp
Österreichische Bibliotheken
Mit ihren knappen
Notwendige
Reformen
Universität
Konstanz
UB-Konstanz:
Lädt zum
Befüllen ein:
Wolf von Cube
US-Universitätsbibliotheken
Studie von
Ulrike Ferch
http://edoc.hu-berlin.de/
Sonntags
haben in
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Die Politiker haben den (rhetorischen) Wert der Bildung erkannt – kaum eine politische Grundsatzerklärung, wo nicht ein vollmundiges Bekenntnis zur Wissensgesellschaft erfolgt. Im Abwehrkampf gegen chinesische Billigschuhimporte allerdings setzt man als Waffe auf Strafzölle anstatt auf Vorlesungsskripten, selbst in einem Land wie Österreich, das mit 19,6 % (2004) vor der Türkei die zweitniedrigste Akademikerquote aller OECD-Länder aufweist (der OECD-Schnitt liegt bei 34,8 %). Bücher ermöglichen Bildung; auch sie sind mediales Dauerthema. Google Book Search und ähnliche Projekte im deutschen Sprachraum, die dem User durch Redigitalisierung ganze Buchinhalte elektronisch zur Verfügung stellen, befinden sich im Vormarsch. Gerät über diese Avantgarde das traditionelle, papierene Buch ins Hintertreffen? Diese Frage beschäftigt weltweit viele gescheite Köpfe und Buchmarkt-Strategen. Die Antwort indes ist einfach, sie kann nur normativ lauten: Das papierene Buch bedarf der Hege und Pflege, denn nur dieses Medium bietet zum jetzigen Zeitpunkt dem einzelnen einen prinzipiell kostenlosen Zugang zum Wissen, wenn es in öffentlichen Bibliotheken zum Verleih angeboten wird. Dagegen fallen bei digitalen Bibliotheken wie z. B. dem Projekt Gutenberg eine Anzahl versteckter Kosten an (Internetzugang; Drucker-, Papier-, Patronenkauf), die die demokratische Natur dieser neuen Publikations- bzw. Distributionsform fragwürdig machen. Freilich, bei knapp 400.000 Titeln auf der Frankfurter Buchmesse (Stand: 2007) scheint man sich um die Zukunft des gedruckten Buches keine quantitativen Sorgen machen zu müssen. Mehr Sorge verdienen da Österreichs öffentliche und Universitätsbibliotheken, sowohl was ihre Nutzungsmöglichkeiten als auch ihre Rolle und Repräsentanz in der Öffentlichkeit betrifft. Werfen wir einen Blick über die Landesgrenzen hinaus. In den USA und in England, wo sich die momentan so eindringlich beschworenen Elite-Unis befinden (in den USA stehen, wie man gern sagt, die 50 besten Universitäten der Welt, aber auch die 500 schlechtesten), in diesen Ländern also ist es üblich, dass die Bibliotheken den Studierenden während des Semesters zeitlich uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Rund drei Viertel der US-Hochschulbibliotheken und jede zweite Public Library haben sonntags geöffnet. Zutritt zum Bibliotheksgebäude hat
man mittels einer Chipkarte. Das zeigt einmal mehr, wie unmittelbar Komfort
und Zeitökonomie an technologische Entwicklungen gebunden sind. Im Prinzip
kann man überall dort, wo die Medien durch intelligente RFID-Chipsysteme vor
Diebstahl gesichert sind und es Selbstverbuchungsterminals gibt, eine
24-Stunden-Ausleihe realisieren.
RFID (Radio Frequency Identification) ist ein Verfahren,
das via Funkwellen die automatische Identifikation und Lokalisierung von
Objekten ermöglicht. Die an den Objekten angebrachten
RFID-Chips oder Transponder bestehen aus einem Mikrochip, einer Antenne,
einem Träger oder Gehäuse und – bei aktiven Transpondern – aus einer
Energiequelle. Auf 1,3 Milliarden Stück schätzt man den weltweiten Absatz
für das Jahr 2006. Am häufigsten zum Einsatz kommt
RFID bislang in der Transport-Branche (Mautsysteme, elektronische
Wagensperren), bei Finanzen und Sicherheit sowie im Handel. Ein RFID-Chip
findet sich in allen seit dem 1. November 2005 ausgestellten deutschen
Reisepässen. Die Europäische Zentralbank erwägt die Integration von
RFID-Chips in Euro-Banknoten. Der Textilkonzern Levis hat im Jahr 2006 begonnen,
seine Jeans mit RFID-Etiketten auszustatten. Der Lebensmittelhandel ist ein
weiteres vielversprechendes Einsatzfeld. Einzelhandelsketten wie Rewe,
Metro, Tesco und Wal-Mart – genauso wie das amerikanische
Verteidigungsministerium, liest man bei Wikipedia – treiben den RFID-Markt
voran, um unternehmensübergreifende und interne Prozessketten zu optimieren.
Während der letzten CeBIT-Computermesse machte das Bild von Angela Merkel
die Runde, wie sie zu Demonstrationszwecken einen speziellen Einkaufswagen
schob. In Supermärkten der Zukunft hat die Kassierkraft ausgedient: Ein
Computer errechnete innerhalb von Sekundenbruchteilen aus den
Chipinformationen der Waren im Einkaufswagen die Preissumme.
Naheliegenderweise wirft diese Technologie eine Menge
datenschutzrechtlicher Fragen um den gläsernen Menschen auf. In
Großbritannien wurden unlängst mehrere hunderttausend Mülltonnen ohne Wissen
der Bürger mit RFID-Transpondern versehen. Als Hintergrund wird die Absicht
der britischen Kommunen vermutet, das Recyclingverhalten der Bürger zu
erfassen. Der intelligente Kühlschrank, der sich bemerkbar macht, wenn die
Milch abgelaufen ist, ist da eine vergleichsweise harmlose RFID-Anwendung.
Zurück zu den Bibliotheken. Ein
RFID-Chip, der im Buchinneren versteckt ist, schlägt beim Gate Alarm, wenn
ein Bibliotheksbenutzer ein Medium nicht ordnungsgemäß entliehen hat. Er
hilft auch beim Wiederauffinden verstellter Bücher, die mithilfe eines
Handlesegeräts (allerdings nur aus kurzer Entfernung) geortet werden können.
Die Hauptbücherei Wien ist die populärste Bibliothek in Österreich, wo RFID
zur Medienverbuchung und Sicherung verwendet wird. Die erste
wissenschaftliche Bibliothek Österreichs, die schon im Dezember 2004 auf
diese Technologie setzte, war jene der Fachhochschule Wiener Neustadt. Die
gemeinsame Bibliothek der Donau-Universität Krems und der Fachhochschule
Krems folgte. BibliotheksmitarbeiterInnen würden durch die RFID-Technologie
kostbare Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben wie Recherche und Beratung
gewinnen, erklärt Prof. Werner Jungwirth, Geschäftsführer Wirtschaft und
Marketing der FH Wiener Neustadt in "BONDaktuell".
Die Bibliotheken an Österreichs öffentlichen Universitäten
sind noch Lichtjahre von den Service-Leistungen englischer oder
amerikanischer Universitäten entfernt. Mit ihren knappen Benutzerzeiten
diskriminieren sie indirekt jene Studierenden, die einem Job innerhalb der
Normarbeitszeiten nachgehen. Universitätsbibliotheken in
Österreich haben ausnahmslos am Sonntag geschlossen, in der vorlesungsfreien
Zeit auch am Samstag. Gearbeitet werden darf während des Semesters
wochentags von 8 bzw. 9 bis 19 Uhr, die Universität Wien hält ihren Lesesaal
bis 21:45 Uhr geöffnet. Entlehnende ist um 18 bzw. 19 Uhr. Am Samstag ist
gegen Mittag Schluss. Die Universitätsbibliotheken Salzburg und Klagenfurt
locken – ein gewisser Zynismus sei erlaubt – im August mit Betriebszeiten
von 9 bis 12 Uhr. Will man auf diese Weise die Studierenden und Forschenden
zur Effizienz erziehen? Oder ist das als Hinweis zu interpretieren, den
Nachmittag doch lieber im Freibad zu verbringen? Institutsbibliotheken, wo
man die Fachliteratur für sein Studium findet, haben am Wochenende
prinzipiell geschlossen. Bei aller Kritik sollte die prekäre
Finanzsituation der Universitäten nicht unerwähnt bleiben. Von der eben
abgewählten Regierung in die (Schein-)Autonomie entlassen und budgetär
ausgehungert, ist ihr Handlungsspielraum stark eingeschränkt. Studierende
können bei der Einzahlung ihres Semesterbeitrags von 378,72 Euro zwar über
dessen Verwendung abstimmen, diese sogenannte Zweckwidmung führt aber zu
einer nicht eben leichten Abwägung zwischen Bereichen, die allesamt mehr
Geld bräuchten: Lehre, Forschung, Bibliothek, Raumsituation, Soziales,
Auslands-, Dissertanten- und Stipendienprogramme. Trotz allem ist
festzuhalten, dass die Universitäten notwendige Reformen im
Bibliothekssektor zu lange hinausgezögert haben.
Dass es anders geht, zeigt die vor 42 Jahren gegründete,
knapp 10.000 Studierende aufweisende Universität Konstanz. Äußerlich bietet
sie in ihrem Mix aus Hundertwasser-Stolperböden, Heizkraftwerks- und
Containerhüttenästhetik einen eklektischen, aber durchaus erquicklichen
Anblick. Im Inneren verfügt sie über Vorlesungssäle mit Blick auf den
Bodensee, eine vielfach ausgezeichnete Mensa und eine Bibliothek, die alle
Stücke spielt. Diese weitläufige
Freihandbibliothek mit über zwei Millionen Bänden ist eine Mischung aus
Ausleih- und Präsenzbestand (95 % : 5 %); es gibt keine eigenen
Institutsbibliotheken. Sie ist clever strukturiert. Jedes Institut hat einen
direkten Zugang zu dem Bibliotheksabschnitt, wo sich die fachspezifische
Literatur befindet. Eine große Mediathek mit beachtlichem DVD-Sortiment lädt
zum Verweilen ein, Computerplätze zum Recherchieren und E-Mailen werden
dankbar genutzt. Das Attraktivste vielleicht sind die Öffnungszeiten:
während des Semesters rund um die Uhr, an den Wochenenden von 9-23 Uhr. Die
Buchrückgabe ist nach 23 Uhr und an Sonn- und Feiertagen beim Wachdienst
möglich. Mit diesen 2001 implementierten
Öffnungszeiten war die Universität Konstanz deutschlandweit zunächst allein
auf weiter Flur. Seit April diesen Jahres verfügt auch die Universität
Karlsruhe über eine 24-Stunden-Bibliothek – selbst an Wochenenden und
Feiertagen! –, darüber hinaus über eine selbständige Buchausleihe an einer
Ausleihstation. Eigens entwickelte RFID-Rückgabeautomaten ermöglichen eine
Rückgabe zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Ein anderer Grund, weshalb die Universitätsbibliothek
Konstanz so gut angenommen wird, ist darin zu vermuten, dass sie sich
nüchtern und zweckmäßig präsentiert: keine alten Parkettböden, die bei der
geringsten Bewegung knarzen, keine dunkelgrünen Glasleuchten an den Tischen,
keine denkmalgeschützten Regale und Galerien. Das ist ästhetisch zu
beklagen, für viele Menschen aber schlicht weniger einschüchternd als etwa
der historische große Lesesaal an der Universität Wien. In dieses nüchterne
Ambiente passen die fabelhaften roten Plastik-Einkaufskörbe, die sich an den
Bibliothekseingängen stapeln und die man mit dem gefundenen
Buchstaben-Futter füllen kann, während man zwischen den Regalen seine Runden
dreht. Freilich sind Bücher an sich schon "ein
Zimmerschmuck", wie Alfred Polgar trefflich bemerkt hat: "Gern
genießt das Auge die Exaktheit ihrer ausgerichteten Linien und erfreut
sich der Farbigkeit der Trachten. Am linken Flügel die Großen, am
rechten die Kleinen, gestellt zum Parademarsch des Geistes. Wie glänzend
die Fähnchen der gesammelten Werke! Wie bunt und malerisch abgerissen
das Gewimmel des broschierten Volks!" Neben der Universitätsbibliothek
gibt es in Konstanz eine Stadtbücherei und die Fachhochschulbibliothek, die
jeweils ein anderes Erwerbungsprofil aufweisen und das kulturelle Leben der
Euregio Bodensee maßgeblich mitbestimmen. Nach einer Besonderheit seiner
Bibliothek befragt, nennt Universitätsbibliotheks-Mitarbeiter Wolf von Cube
die "Wessenberg-Bibliothek",
eine Sammlung des aufgeklärten Katholiken und Konstanzer Bistumsverwesers
Freiherr Ignaz Heinrich von Wessenberg. Sie wurde der Bibliothek als
Dauerleihgabe der Stadt zur Verfügung gestellt. Von Cube, der sich bei
technischen Fragen ganz in seinem Element befindet, erzählt, dass seine
Bibliothek gerade die alten OCR-B-Etiketten in den Medien auf Barcode
umrüstet, um einerseits von den anfälligen Lesepistolen auf einfache
Barcodeleser umstellen zu können, und andererseits eine Selbstverbuchung der
Nutzer zu ermöglichen. Auch ein RFID-System ist nach dieser Maßnahme
langfristig möglich. Diese Umstellung wird allerdings viel logistische
Arbeit und durch die neue Technik nicht zuletzt andere Sicherheits-Gates
erfordern. Die jetzigen Gates (sie ähneln Sicherheitsschranken in
Kaufhäusern) sind auf magnetische Sicherungsstreifen in den Medien
abgestimmt.
Probleme mit den nächtlichen Bibliotheksbenutzern gäbe es
im Grunde keine, weiß eine Dame bei der Entlehnstelle zu berichten, allein
"im Winter gibt’s schon Personen, die ein warmes
Plätzle gesucht haben, das kann ich dann in der Früh an den Augen sehen".
Vielleicht halten sich solche Fälle auch darum im Rahmen, weil die
Universität nicht direkt in der Stadt, sondern auf einem Hügel liegt. Die
Bibliothek ist frei zugänglich; für externe Leser ist ab Januar 2007
erstmals eine Jahresgebühr von 20 Euro fällig. Unter den aktiven Nutzern
machen diese externen Nutzer stattliche 36 % aus (die Studierenden im
Vergleich dazu 54,3 %). Damit ist ein Unterschied zu
US-Universitätsbibliotheken angedeutet. Diese stehen meist nur einem
Studiengebühren zahlenden Publikum offen. Das ist in Österreich zum Glück
anders, und doch werden die hiesigen Einrichtungen zu bescheiden genutzt.
Vielleicht würden flexiblere Öffnungszeiten, die einem erlauben, auch nach
Arbeitsschluss in den neuen Zeitschriftenausgaben zu blättern, einen
Besucherzuwachs bringen, sicherlich aber könnte man über verstärkte
Öffentlichkeitsarbeit mehr ins Bewusstsein des externen (akademischen)
Publikums gelangen. Ludwig Feuerbach soll nicht Recht bekommen:
"Es geht den Büchern wie den Jungfrauen. Gerade die
besten, die würdigsten, bleiben oft am längsten sitzen. Aber endlich kommt
doch einer, der sie erkennt und aus dem Dunkel der Verborgenheit an das
Licht eines schönen Wirkungskreises hervorzieht."
Eine Ausdehnung der Öffnungszeiten für sich allein hat
freilich wenig Sinn. Langfristig muss die Politik aktiv an einer Aufwertung
des Lesens und der selbsttätigen Bildung arbeiten. Die von
Noch-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer veranlasste Einsparung von
Musikstunden und anderen "weichen" Fächern nämlich
gefährdet die Ausbildung einer bedeutenden Klientel, die die erweiterten
Öffnungszeiten von Bibliotheken würde nutzen wollen. Ulrike Verchs empirischer Studie
über den Bibliothekssonntag zufolge haben in
Deutschland sonntags nur 1 % der kommunalen öffentlichen Bibliotheken und 4
% der Hochschulbibliotheken geöffnet. Doch besteht ein Aufwärtstrend. Sollte
es in Österreich zu einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten kommen,
was trotz der arbeitsrechtlichen und familienpolitischen Implikationen nur
mehr eine Frage der Zeit sein dürfte, wird es am Bibliothekssektor zu
größeren Veränderungen kommen. So geschehen in Dänemark, Finnland,
Großbritannien und den Niederlanden, wo man mit der Liberalisierung des
Ladenschlusses in den 1990er Jahren einen hohen Anstieg sonntags geöffneter
Bibliotheken, insbesondere der Stadtbüchereien, verzeichnete. Verch erwägt nationale
Charakteristika, wenn sie bemerkt, dass "in den
Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur der sonntägliche Kirchgang,
sondern ebenso der Einkaufsbummel und Bibliotheksbesuch zur Alltagskultur
zählen", während "der siebte Wochentag in Deutschland
vornehmlich durch die Sonntagsruhe geprägt [ist], die auch das
Bibliothekswesen umfasst." Insgesamt gelangt sie in ihrer
Studie zu dem Ergebnis: "Bereits
vor hundert Jahren galt die Kundenorientierung der amerikanischen
Gebrauchsbibliothek als wegweisend für die neugegründeten Lesehallen,
die entsprechend den Forderungen der Bücherhallenbewegung ausreichende
Öffnungszeiten für alle Bevölkerungsschichten anboten, meist in den
Abendstunden und am Sonntag. Auch wenn diese Tradition nach dem Ersten
Weltkrieg allmählich in Vergessenheit geriet, zeigt die vorliegende
Untersuchung [...], dass entsprechende Öffnungszeiten auch heutzutage
möglich und nachgefragt sind. Gerade Stadtbibliotheken bietet sich die
Chance, ihr Dienstleistungsniveau an das anderer kommunaler
Freizeiteinrichtungen anzupassen und damit nicht nur zur Belebung des
örtlichen Kulturlebens und der Innenstädte am Sonntag, sondern nach
ausländischem Vorbild auch zur eigenen Profilierung als
Freizeiteinrichtung mit hoher Aufenthaltsqualität beizutragen."
Ich danke Wolf
von Cube für das Interview und den Hinweis |