Dass Polen womöglich Interessanteres zu exportieren hat als die
Images von Päpsten und Polit-Zwillingsbrüdern, zeigte sich am Samstag Abend
(20. Jänner) bei einer Veranstaltung des Volkstheaters und des Polnischen
Instituts Wien.
In szenischer Lesung zu
sehen waren zwei von Doreen Daume ins Deutsche übersetzte Theaterstücke.
Zunächst das Stück "Puzzle" von Szymon Wroblewski, für das er 2005 den 1.
Preis des wichtigsten polnischen Festivals für zeitgenössische Dramatik,
"baz@art", erhielt. In diesem von penetrantem Handygeklingel untermalten
Gesellschaftsporträt stellt Wroblewski die Uniformität heutiger Städte und
Lebensentwürfe aus; der Klingelton erlaubt keinen Rückschluss mehr auf den
Ort, an dem man sich befindet. Sprachlich mitunter ganz witzig, lässt das
Stück in der präsentierten eingedampften, dennoch wirren Form (Regie: Michal
Zadara) eine dramatische Struktur vermissen; man tappt den durch ihr Leben
taumelnden Figuren blind hinterher – so wie es die Figuren im nächtlichen Wald in
Shakespeares "Sommernachtstraum" tun, worauf, wie es scheint, in einer
Diskoszene angespielt wird. Die häufigen Ortswechsel, die feinen Nuancen
legen eine Verfilmung des Textes nahe.
Das zweite Stück, Michal Walczaks preisgekröntes Kammerspiel "Das
erste Mal", fand in den beiden Schauspielern Jennifer Frank (Sie), Peter
Becker (Er) und der Regisseurin Esther Muschol kongeniale Interpreten. Das
komödiantische Verwirrspiel gewinnt gerade durch das nicht Festlegende und
Provisorische einer Regie, die die Vorstellungskraft des Zuschauers in die
Pflicht nimmt. Wlaczaks Geschichte, die von einem Hörfunkentwurf den Ausgang
nahm, besticht durch ihre Einfachheit und Stringenz, sie ist auf einer
wörtlichen Ebene ebenso lesbar wie auf einer übertragenen. "Darf ich rein?",
fragt der noch unerfahrene Liebhaber seine Auserwählte doppeldeutig und bleibt
noch minutenlang an der Türschwelle stehen. Der Schwellenübertritt ist mit
einem Strauß roter Rosen nicht zu erkaufen, eine genau choreographierte
Romantik-Strategie soll den Boden bereiten für das Wonnebad, das sich die
beiden erwarten.
Was dann an Anziehung und
Abstoßung, Spannung und Abbruch folgt, ist nicht nur lustig mitanzusehen. Es
sagt viel aus über die Handlungs- und Denkmuster, in denen wir gefangen
sind, über den Drang nach Perfektion und die Unentrinnbarkeit der
massenmedialen Wirklichkeit, von der sich die junge Frau ihre
Seifenoper-Zicken-Attitüde abgeschaut hat. In Walczaks Stück ist die
Absurdität des Alltags beim Wort genommen. Wie er die Dinge allmählich
dramatisiert, in einem bizarren Zeitraffer der Frau einen Bauch wachsen, das
Kind schlüpfen, entlaufen, das Paar altern lässt – und wie der Zuseher dabei
in die Imaginationsfallen der Bühnenfiguren purzelt –, das steht in der
Traditionslinie des absurden polnischen Theaters und ist doch heutig und –
wiewohl der denkbar privateste Akt gezeigt bzw. verhandelt wird – auch
politisch. Denn: Ein gewisser Hang zur Idealisierung, ein Streben nach
Romantik und traditionelle, katholische Reflexe sind auch Teil der
polnischen Psyche und (politischen) Realität.
Wie gewohnt endete die Veranstaltung mit nationalen Spezialitäten
und Musik. Man darf sich auf das dritte Autorenwochenende am 24. März zur
französischen Gegenwartsdramatik freuen.