
Reinhard Winkler
winkler.hawelka [at] aon.at
geboren 1965, Studium der
Germanistik und Geschichte
in Salzburg. Lebt und arbeitet
als Pressefotograf in Linz.
Freier Mitarbeiter der Ober-
österreichischen Nachrichten
und des Spotz-Magazins. Redaktionsmitglied der
Aurora.

"Experiment Literatur"
(Alter Schlosshof Wels,
20. 2. 2008)

Yvonne Giedenbacher,
geb. 1976 in Wels.
Studierte
Publizistik und Sinologie.
2006 gewann sie den FM4-
Literaturpreis "wortlaut". Sie
publiziert Texte in Literatur-
zeitschriften und Anthologien.
Giedenbacher lebt in Wien
und ist derzeit Studentin der
Kunstgeschichte an der
Uni Wien.

Stefan Rois,
Jahrgang 1983, in Linz
lebend. Schriftsteller,
Journalist, Musiker und SpokenWordCorpus
(remember "Tumido&Stefan
Rois"), Student der Philo-
sophie und Kunstwissenschaft.
Zwei Bücher: "Die Kinder
fressen ihre Revolution",
Plauen 2003, Lyrik/ "KAOS –
Die Widersacher des leeren
Moments", Bückeburg 2004,
Experimentalprosa. 2007
erhielt er die Talentförder-
ungsprämie des Landes OÖ.

Doris Mitterbacher,
sprich: Mieze Medusa
ist eine fixe Größe in der
österreichischen HipHop- und
Poetry-Slam-Szene und
Mitglied des backlab-
Kollektivs. 2007 gewann sie
gemeinsam mit tenderboy
den Protestsongcontest.
Textveröffentlichungen u.a.:
"Dem Wind nach" in DUM –
das ultimative Magazin, 43/
2007. "Sushiträume" in
&radieschen, 1/2007.
"Schusseliges" (als Mieze
Medusa) in Auf – Eine
Frauenzeitschrift, 135/2007.
Geboren wurde sie 1975 in
Schwetzingen, BRD, lebt in
Wien. Derzeit: Germanistik-
/Anglistikstudium.

Hermann Haslin,
alias Hermann Haslinger,
geb. 1952, lebt in Linz.
Studium der Malerei und
Grafik (Mag. art.). Erzeugt
cartoonistische und literarische
Arbeiten. Cartoons erschienen
u.a. in Trend-Profil-Extra, der
Frankfurter Neuen Presse,
Frankfurter Rundschau,
Welt am Sonntag, Die Zeit.
Literarische Veröffentlichungen
in Zeitschriften und Antho-
logien, u.a. das Hörspiel
"Embrioz" in den Linzer
Facetten sowie Lyrik in
der Frankfurter Edition.
Aurora-Tipp
Jahreszeiten |
1.Takt: Ansaugen
2.Takt: Verdichten
3.Takt: Arbeiten
4.Takt: Ausstoßen
"Ins
Literarische übersetzt bedeutet dieser Vorgang einen geschlossenen Kreislauf
unter Beteiligung von vier AutorInnen", meint
Dahimène. In diesem Sinne:
Yvonne Giedenbacher
saugt an, ihre Texte fließen schnell, wie ein mit doppelter Geschwindigkeit
zurückgespulter Film. Geschichten aus dem Tagebuch der Kindheit.
Stefan Rois
verdichtet, das heißt: er erzählt Gedanken, ohne dabei episch zu werden.
Rois komprimiert Literatur zur Philosophie. Seine Fragen, getragen vom
Wunsch nach Erkenntnis und Bewusstsein, könnte auch ein Kind stellen,
vermutlich, weil diese Fragen so alt wie die Menschheit sind. Also noch
einmal von vorne: Was ist der Sinn des Lebens?
Doris Mitterbacher
alias Mieze Medusa arbeitet, ihre Texte sind eine Abfolge an Sätzen, die wie
flinke Handgriffe Szenarien entwerfen. Natürlich sozialkritisch, freilich
feministisch, aber zurückhaltend deskriptiv. Sie klagt nicht an, sie
beschreibt, was ist. So vorgelesen wird die Unterdrückung der Frau zum Bild,
zur Konfrontation mit dem Alltag, der auf einer
schiefen Ebene läuft. Was in der Werbewelt funktioniert, wird bei Mieze
Medusa zum Brechreiz.
Hermann
Haslin stößt aus. Laute Luft,
lange Pausen, er hält Töne und verschluckt sie,
hie und da schnelle Wortfolgen, dann wieder das Betonen von Vokalen und
Konsonanten, als stünden sie ohne Verknüpfung nebeneinander. Der Sinn der
Wörter wird zerpflückt: die Sprache liebt mich, die Sprache liebt mich
nicht. Wenn Haslin "schmuggeln" sagt, hört man
tatsächlich zwei gs. Und dann brüllt er wie ein
Stier: "Sauzüchten!"
Eine Lesung mit vier
AutorInnen ist ein Sammelsurium an Eindrücken. Was da im Nacheinander
abfolgt, präsentiert sich in der Erinnerung des Besuchers als Nebeneinander,
vier Gesichter, vier Stimmen, vier und noch viel mehr Texte, vier
Intentionen. Um Ordnung zu schaffen, komme ich auf Dahimènes
Idee mit dem Ottomotor zurück, beschleunige sie, treibe sie auf die Spitze:
Nicht die einzelnen Lesungen repräsentieren die vier Takte – ich klaube mir
jene Sätze aus dem Gedächtnis, die mir vom Leseabend in Erinnerung geblieben
sind und stelle sie zusammen wie eine Aneinanderreihung von Quintessenzen.
Eine Verfremdung, natürlich. Aber ganz im Sinne des Bildes eines Leseabends
als "Viertaktgemisch", eines Prozesses, der sich
ins Unendliche wiederholen könnte:
1.Takt. Ansaugen. Yvonne Giedenbacher.
Die
Vorstellung, in einem Entwicklungsroman in die falsche Richtung
unterwegs zu sein, von B nach A, macht mürbe.
2.Takt: Verdichten. Stefan Rois.
Einmal war er jemandem ins Bild gelaufen. Aber das Fotopapier weigerte
sich, Kadavers Erscheinung festzuhalten. Der Hydrant hinter Kadaver
erschien unsagbar spektatkulärer.
3. Takt: Arbeiten. Doris Mitterbacher.
Sich fühlen wie Aschenputtel auf Anti-Aging-Pillen
und mit einem Hühneraugenpflaster dort, wo der Schuh drückt.
4.Takt: Ausstoßen. Haslin.
In den Gemeinderatsausschusssitzungen wurde beschlossen, so entnahm ich
einigen Presseberichten, dass ein buddhistisches Veranstaltungszentrum
nicht in ein Wohngebiet passe.
_ _ _
1.Takt. Ansaugen. Yvonne Giedenbacher.
Er schaut durch mich hindurch
und redet sich um Kopf und Kragen.
2.Takt: Verdichten. Stefan Rois.
Das Menschengeschlecht hat nebst
vielen kümmerlichen Geistern auch einige wahrhaft erhabene Naturen
hervorgebracht.
3. Takt: Arbeiten. Doris Mitterbacher.
Zwischen den wabernden
Schmerzimpulsen hindurch auf den kodakblauen Himmel starren, dann die
Augen nach unten rutschen lassen.
4.Takt: Ausstoßen. Haslin.
Ried oder Riad. Aber nichts ändert sich in Ried. Stimmt. Dort bleibt
immer alles gleich. Dort werden d’Sau zücht! Und leider auch
freigelassen.
_ _ _
1.Takt. Ansaugen. Yvonne Giedenbacher.
Kurz bevor ich wieder einschlafe flüstert das
Zimmer: "Freitag Abend", denn manche Dinge
ändern sich nie.
2.Takt: Verdichten. Stefan Rois.
"Bei uns daheim" sagt man
bei uns daheim und meint damit: so ist es richtig.
3. Takt: Arbeiten. Doris Mitterbacher.
Schönen Guten Abend. Ich mache gleich weiter.
4.Takt: Ausstoßen. Haslin.
Ich schmuggelte ein Minitonband in diesen urigen
Gemeinderatssitzungssaal.
_ _ _
1.Takt. Ansaugen. Yvonne Giedenbacher.
Plötzlich sehe ich die Dinge. Nicht wie sie
wirklich sind. Aber doch zum ersten Mal. Dass nämlich alles ein Ende
hat, unwiederbringlich.
2.Takt: Verdichten. Stefan Rois.
Das Schimpfen der PhilosophInnen über die
Entfremdung war immer einseitig. Man hat selten bemerkt wie erlösend sie
sein kann, wie warm Plastik ist.
3. Takt: Arbeiten. Doris Mitterbacher.
Im Bus sitzen mit Kopfweh to end all Kopfweh
und überlegen, ob es sich auszahlt, nach dem Foto zu suchen, das
manchmal hilft.
4.Takt: Ausstoßen. Haslin.
Tips an Autofahrer: Die Winterreifen nach der
O-Regel zu wechseln, also von O bis O. Ich zitiere: Von Oktober bis
Ostern. Von Nebel bis Bebel also.
_ _ _
1.Takt. Ansaugen. Yvonne Giedenbacher.
Also rolle
ich meine Socken von den Füßen, erst links, dann rechts, zwischen meinen
Zehen haben sich dunkelblaue Flusen gesammelt.
2.Takt: Verdichten. Stefan Rois.
Wozu Sinn? Es funktioniert doch alles.
3. Takt: Arbeiten. Doris Mitterbacher.
Seufzen. Aufstehen.
4.Takt: Ausstoßen. Haslin.
Und die Buddhisten sollen bleiben, wo sie sind.
usw.
|
|