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Magazin für Verrisse aller Art
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EINE FRAGE DER LEEREZu Judith Hermann: NICHTS ALS GESPENSTERKurzes Fazit vorweg: ein Sumpf aus ungenauen Sätzen, kultigem Psychoschnack, drögen Beschreibungen und vegetativer Dystonie. Existentialpathos ohne existentiellen Grund, im Abgang eine Prise Ennui. Sieben Geschichten, geschrieben zu einem Zweck: Zurschaustellung, Pose. Darum weniger geschrieben als arrangiert, arrangiert wie Modenschauen, Kostümwechsel mit gesichtslosem Personal, Anziehpuppen. Zur Schau gestellt wird das Angesagte: Befindlichkeiten, Stimmungen, Draufsein, trendiger Weltschmerz, hippe Tristesse, schnulzige Euphorie. Man ist unpäßlich, depressiv verstimmt auf kokette Art, und wehe dem, der weiß, was er will. Frau Hermann sei die Stimme ihrer Generation, wurde getrommelt, derer um die Dreißig, deren Sprachrohr gar, aber das mögen wir kaum glauben. Mental so entleert, so nervolabil wie die Gestalten dieser Geschichten, so dissozial und leblos kann eine ganze Generation gar nicht sein. Felix, Lukas, Jacob, Ellen, Ruth, Johannes, Ari, und wie sie alle heißen, schickt die Erzählerin über den Laufsteg sentimentaler Empfindelei. Das Schema der Beziehungen ist einfach gestrickt: A liebt B, aber B liebt C, und C liebt möglicherweise A oder auch nicht sondern D oder E oder sich selbst, vielleicht. Wirklich wichtig ist nichts, weil alles egal ist: ’Ich hätte ebenso gut neben einem Toten liegen können, neben irgendwem oder auch ganz woanders, so egal war ich ihm, und so egal war er mir . . . ein südliches Licht und der vage Gedanke, daß mir im Grunde alles egal sein könnte, vollständig egal.‘ Frau Hermann gibt sich hilflos, verschreckt, daseinsmäßig unsicher, Typ Rehlein, an der Oberfläche verstört, darunter leer. Ergeht sich in lapidaren Satzfolgen, Parataxen, die rasch in Monotonie umschlagen. Die Gleichförmigkeit der Reihungen soll cooles Feeling rüberbringen, den Existentialtouch, lakonische Gelassenheit. Stattdessen ergibt sich: madige Larmoyanz. ’Ich wußte nicht, was ich jetzt machen sollte, mit dem Kleid, mit mir, mit Johannes, mit allem. Ich wußte nicht, ob das traurig war oder nicht traurig oder gar nichts.‘ Mit übertriebener Genauigkeit nervt Frau Hermann den Leser nicht, Genauigkeit ist nicht ihr Ding, lieber greift sie zur erstbesten Plattitüde: ’Tromsø war außergewöhnlich trostlos . . . es gab erstaunlich viele kleine Läden und etliche Kneipen . . . sie sang allerdings mit einer erstaunlichen Ernsthaftigkeit. Die Sängerin war sehr schön . . . dieser Blick durch das Fenster sieht sehr schön aus.‘ Vieles ist schön, zu vieles und zu oft, und keiner weiß, wieso. Es gibt ’schöne Sachen‘, ’schönes Schweigen‘, ’schöne Gesichter.‘ Es bleibt dabei: Wer ’schön‘ sagt, hat schon verloren. Auch sonst Nachlässigkeiten, Schiefes, Unklares überall: ’Ihr Neon sah im Tageslicht seltsam aus . . . er sah mächtig aus auf eine kompakte Art . . . Sie wirkte scheu, hatte eine ernsthafte, leicht zu beeindruckende Sicht auf die Welt, war begeisterungsfähig und von einer bemerkenswerten Angstfreiheit . . . Er sah polnisch aus, er sah ziemlich schön aus . . . sie sah nicht aus wie seine Frau, aber sie war seine Frau. Sie sah merkwürdig aus.‘ Und immer wieder: ’letztendlich, nicht wirklich, in keinster Weise, im Grunde, zum wiederholten Mal.‘ Verbrauchte Sprache ohne Wert aus Schablonen und Stereotypen, Büroschwatz, Parfumreklame. Einsame Höhen der Verquasung erklimmt Frau Hermann, wenn sie die Beziehungen ihrer Figuren tiefenmäßig auslotet: ’Wir konnten nicht gut damit umgehen, voneinander getrennt zu sein . . . Ruth, vielleicht ist es so, daß du immer dich selbst sucht und dich wirklich wieder und wieder selbst sehen kannst, und daß ich im Gegensatz zu dir mich verliere, von mir selbst entferne . . . Felix hatte schon immer auf Menschen dieser Art reagiert, vielleicht, dachte Ellen, weil seine eigene Dominanz so gegenteilig war, verdeckt und unfrei . . . Er weiß, daß all das, was uns aneinander verstört, was wir nicht aussprechen und vergeblich befragen, alles, was unverständlich bleibt, kränkend, schon die Liebe ist, in ihrer ersten Form . . . Letztendlich ist dies der einzige Moment gewesen, in dem ich mich und Jacob gefühlt habe . . . sie sind beide in Berlin am Ende irgendeiner Beziehung angelangt, darüber reden sie nicht, aber sie deuten es an, und sie empfinden Island als eine Art Wunder, das ihre gebrochenen Herzen heilt . . . was ist das für eine Freundschaft, die ihr miteinander habt? . . . Ich wollte im Grunde gar nichts wissen über Johannes, über den, der er jetzt war, der er ab jetzt immer bleiben würde, ab wann eigentlich, ich wollte mich nicht festlegen.‘ Derart schmalztreibender Bockmist wird sonst nur noch auf Münchner Prosecco-Events gereicht, aber unklare Sätze, die im Vagen zerbröseln, sind das erzählerische Endziel dieser Texte, in ihnen kulminiert die Attitüde jener wirren Befindlichkeit, die uns hier nahegebracht werden soll. ’Ich war ratlos mir selbst gegenüber und in dieser Ratlosigkeit auf eine unbekannte Art zufrieden . . . ich dachte, daß ich meine Gründe hätte, hier zu sein, und ich dachte, daß ich mich vielleicht täuschte, in allem . . . ich wußte nicht, wie lange ich bleiben würde - eine Nacht ein paar Tage, für immer - ich wußte nicht, was er wollte, und was ich wollte, wußte ich auch nicht.‘ Auch wir wissen es nicht, wir wissen nur eins: Frau Hermann ist verwirrt, und sie ist ihrer Verwirrung sprachlich nicht gewachsen. Das Personal der Geschichten befindet sich hauptamtlich auf Reisen, aber auch das nur so, ohne Grund und Absicht. ’Was zum Himmel wollte ich bloß in Paris? . . . Ich fuhr nach Korsika, ich kann mich nicht erinnern, warum gerade nach Korsika, es scheint auch nicht wichtig gewesen zu sein.‘ Der schreiberische Mehrwert des Reisens dagegen ist offenkundig: Ersatz für Inhalte, Möblierung innerer Leere, und die Reisemetapher fügt sich wie geschmiert ins Draufsein (Ort- und Orientierungslosigkeit), der Modus des Reisenden unterstreicht die Pose einer schicken Entfremdung. Viel muß dann gar nicht mehr gesagt werden, das bloße name dropping (Paris, Venedig, Berlin, Karlsbad, Prag, Rom, Wüste von Nevada, Island usw.) bringt schon die halbe Miete. Hier aber wird mit leichtem Gepäck und Twentours gereist, man ist rundum sorglos und abgesichert, man hat in der Fremde nichts verloren und nichts zu suchen, darum ist auch das Reisemotiv nur ein Soundverstärker. ’Bastia, schön und in kreidigen Farben, verschwand im Dunst, die Möwen verließen das Schiff erst auf dem offenen Meer. Ich vermißte etwas, eine Distanz zur Welt vielleicht.‘ Die Sprache, die sich kritiklos dem Gängigen beugt, nimmt den Texten jeden Rang, und gerade das ist vermutlich das Geheimnis ihres Erfolgs. Frau Hermann verhält sich medienkonform. Sie liefert marktgerechte Ware, sie schreibt genau das, was der Lit-Betrieb von ihr erwartet. Die Zielgruppe ist rasch definiert: Daueradoleszente von achtzehn bis achtzig finden sich und ihre Dysfunktionen hier wieder. Daß Frau Hermann der Kleist-Preis zugesprochen wurde, ist ein Skandal ohnegleichen. Im deutschsprachigen Lit-Betrieb ist mittlerweile jeder Maßstab für literarische Wertung vor die Hunde gegangen. Man unterwirft sich ohne Widerstand, ja in vorauseilendem Gehorsam dem Diktat der Medienhysterie. Ab sofort gebühren den Bohlen et al. mindestens mehrere Goethe-Preise. Diese Herren servieren ihren Schund immerhin ohne Camouflage. In Frau Hermanns Texten dagegen narrt uns ein Gespenst: das Nichts im Gewande des Scheins: Kitsch der reinsten Sorte. Natürlich wird das weitergehen. Frau Hermann wird weiterschreiben, die Rezensenten werden beflissen jubeln, the show must go on. Wenn wir bitte in diesem Zuammenhang eine kleine Bitte äußern dürften: bitte, Frau Hermann, bitte keinen Roman, bitte!
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