Fabrikleser
Walter Gröner © Foto: Christoph M Frisch
planetlyrik erinnert aktuell an Walter Gröner: Fabrikler, Leser und Poet
„Er schafft in der Fabrik an der Werkbank, kommt abgeschafft heim, liest und liest sich den Kopf klar, ist endlich bei sich und gerät schreibend, sich mit Dichtern von einst verbrüdernd, außer sich: Walter Gröner, ansässig in Heubach am Trauf der Schwäbischen Alb.
Es gibt Bücher, nicht viele, an die ich mich erinnere, ohne sie schon gelesen zu haben. Auf sie habe ich gewartet. Nach ihnen habe ich, andere Bücher lesend, gesucht. Walter Gröners erstes Buch ist so eines.
Beinahe jedes Gedicht, jedes Prosastück erzählt mir von Landschaften, Erfahrungen, Gegenständen, vor allem aber von Dichtern, die ich mag, mit denen ich umgehe. „Wie schade, daß Paul Boldt so lange schon gestorben ist!“ seufzt Gröner. Und ich mit. Denn ich wünschte mir, wie Gröner, ich wäre diesem lüsternen Kentaur unter den Poeten auf der Friedrichstraße in Berlin begegnet und wir hätten uns, Glück und Unglück herausfordernd, mit Versen unterhalten können: „Irgendwo vergeht Berlin.“
Peter Härtling
Werkstück spannen, fluchten, Schleifvorgang per Hebel in Szene setzen, linksohrig das Geräusch der fressenden Scheibe verfolgen, über den Laufrost an den Tisch treten, Blickwinkel einstellen:
Vento a Tindari
Tindari, mild kenn ich dich
zwischen weiten Hügeln hängend über Wassern
die lieblichen Inseln des Gottes
oggi m'assali
e ti chini in cuore.
Schleifvorgang beendet, Vorrichtung in Ausgangsstellung, Werkstück aufnehmen, einlegen, spannen, fluchten, Hebel, Laufrost, Blickwinkel:
Unbekannt ist dir das Land,
in dem ich täglich versinke
und heimliche Silben nähre:
anderes Licht streift deine Fenster,
Freude, doch nicht die meine,
ruht dir im Schoß.
Und so weiter. Du kennst ja den Ablauf. Eine gewisse Herzensunruhe dabei ist unvermeidlich, was sich aus dem Widerspruch Poesie - Akkord ergibt."
Walter Gröner - Fabrikler, Leser und Poet (neuauflage im Verlag Louisoder)
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