Geschrieben am 25. September 2013 von für Litmag, Porträts / Interviews

Elisabeth Rank im E-Mail-Interview mit Isabel Bogdan

2010 debütierte sie mit dem Roman „Und im Zweifel für dich selbst“, nun ist im Berlin Verlag Elisabeth Ranks zweites Buch erschienen: „Bist Du noch wach?“, in dem die Generation der etwas verlorenen Dreißigjährigen im Mittelpunkt steht. Isabel Bogdan hat sich mit der Autorin per E-Mail unterhalten.

Elisabeth Rank by Carolin Weinkopf

Isabel Bogdan: Liebe Lisa,

eigentlich finde ich diese wiederkehrende Frage, wie viel von einer Autorin in ihrer Protagonistin steckt, immer ganz fürchterlich. Aber Rea ist ja von den äußeren Umständen her schon sehr nah an Dir dran; Alter, Stadt, Job usw. Deswegen frage ich jetzt doch als erstes: Geht’s Dir gut?

Elisabeth Rank: Liebe Isa,
es geht mir ganz gut. Die Zeiten sind sehr bewegt, aber was soll man machen, am Ende ist Bewegung ja immer besser als Einschlafen. Und auch wenn alles drunter und drüber fliegt, wird mir immer wieder bewusst, was für ein gutes Leben ich führen kann, gerade in Sommern wie diesem. Man darf sich darüber auch einfach mal freuen, und wenn freuen nicht geht, dann darf man dankbar sein, erleichtert, dass am Ende doch alles irgendwie funktioniert, sich zurechtruckelt. Auch wenn momentan wirklich relativ viel parallel läuft und sich mein ganzes Leben anfühlt wie mehrere Jobs auf einmal.

Isa: Hast Du ja auch – wie koordinierst Du das? Fünf Tage Brotjob, am Wochenende schreiben? Abends? Längere Auszeiten nehmen? Oder kann man „nebenher“ Romane schreiben?

Lisa: Ich vermute, es gibt Menschen, die können das. Ich konnte das mal, als ich noch studierte und frei gearbeitet habe. Aber auch da habe ich gekämpft – also vor allem mit mir selbst. Im letzten Jahr habe ich mir drei Monate frei genommen, in denen die Basis für das Buch gelegt wurde – beendet habe ich es in diesen drei Monaten nicht, sondern nach meiner Arbeit in einer Festanstellung oder am Wochenende weitergemacht. Mittlerweile sitze ich an einem neuen Buch, habe aber mittlerweile gekündigt und arbeite nun als Freie. Ich kann mich also auch mal tagsüber einfach auf die Hollywoodschaukel in meinem neuen Büro setzen und ein paar Seiten schreiben, wenn ich mich so fühle. Das ist großer Luxus. Was ich als nächstes gern mal ausprobieren würde: Wegfahren zum Schreiben. Die letzten beiden Bücher sind hauptsächlich in Berlin entstanden.

Isa: Dir geht es gut, sagst du, aber deine Protagonistinnen haben meistens ziemlichen Kummer – schreibst Du Dir den Kummer sozusagen von der Seele, damit er weg ist und im wirklichen Leben das Schöne mehr Platz hat?

Lisa: Meine Figuren sind ja nicht ich. Ich schreibe, um verschiedene Wege aufzuzeigen, mit Dingen, die einfach passieren, umzugehen. Was das Leben in einem umwerfen und verursachen kann – und wie man selbst da rauskommt. Ich finde es immer schrecklich, wenn Leute sich hinlegen und sagen „Oh, das schlimme Leben übermannt mich und ich kann nichts tun“, so ist meine Hauptfigur Rea ja am Anfang auch, lethargisch und taub, das gehört zum Leben, so fühlt sich jeder mal. Ich finde es gut, dass ich ihr Möglichkeiten schreiben kann, um da rauszukommen. Das ist im echten Leben ja oft nicht ganz so einfach. Und natürlich habe ich so die Möglichkeit, Wege auszuprobieren, die ich selbst vielleicht nicht gehen kann oder gehen würde, ich bin gezwungen, mich in Personen reinzusetzen, die ich selbst nicht bin. Natürlich kann ich aber auch Situationen, die ich selbst erlebt habe, noch einmal anders verarbeiten und dadurch vielleicht sogar hier und da auch besser weglegen, zu den Akten tun.

Isa: Ist das tatsächlich so, dass Du den Figuren unterschiedliche Möglichkeiten schreiben kannst? Viele Autoren sagen ja, dass die Geschichte sich quasi zwingend von selbst weiterentwickelt und sie selbst da gar nicht so viel tun können. Hast Du Phasen, wo es mehrere Möglichkeiten gibt und Du wirklich eine Entscheidung triffst, oder weißt Du einfach irgendwann, wie es weitergehen muss?

Elisabeth rank-bist-du-noch-wachLisa: Ich habe das in der Hand, das ist ja die Geschichte, die ich erzählen will. Die kommt nicht einfach und sitzt da und ich muss sie nur noch aufschreiben. Es gibt bestimmt Autoren, die so arbeiten, aber in meinem Schreiben habe ich Einfluss, ich kann entscheiden, was passiert, wo hingegangen und wie entschieden wird. Und manche meinen, glaube ich, ich mache es gern kompliziert, aber es ist eben alles nicht einfach mit drei Sätzen gemacht und nicht nach jeder Einigung ist die Einigung wirklich schon in einem angekommen, ich versuche, den Figuren Raum zu geben, Dinge sacken zu lassen, Fehler zuzugestehen, auch im Kleinen, weil ich das eben jeden Tag beobachte, selber tue. Es ist ja immer mehr im Leben als nur eine Situation, man muss ja in jeder Sekunde mit fünfzehn Sachen umgehen. Ich versuche, nicht zu überlegen, wie ich es gemacht hätte, sondern wie es passieren könnte, wenn man Mensch und nicht eine geschriebene Figur ist. Da ist nicht alles immer super Action und super durchdacht und super spontan und super Schwarz und super Weiß. Da passieren Sachen, die man sich nicht erklären kann, und da werden Gedanken gedacht, die hat man eben schon hundertmal gehört, aber so ist es eben.

Isa: Das Hauptthema in deinen beiden Romanen ist ja der Abschied – im ersten ein sehr plötzlicher Abschied, im zweiten ein schleichender. Ist das dein Lebensthema? Beziehungsweise: bleibt es Dein Romanthema, weißt Du schon, ob es damit weitergeht?

Lisa: Abschiede sind mein Lebensthema, ich bin nicht gut darin. Und ich weiß nicht, ob ich jemals gut darin sein werde. Was ich mittlerweile – und ich glaube auch, ein Stück durch die beiden Bücher, gelernt habe, ist, dass es okay ist, Abschnitte hinter sich zu lassen, dass es okay ist, sich Auf Wiedersehen zu sagen, manchmal auch Auf Nimmerwiedersehen. Was ich mir jetzt lange angeschaut habe, sind Arten des Abschieds, auf welche Art man Menschen und Sachen gehen lassen kann, um etwas anderes kommen zu lassen, und wann es sich vielleicht lohnt, sich einem Abschied in den Weg zu stellen. Und vielleicht ist auch der Begriff „Abschied“ zu kurz gegriffen für die Sachen, die ich mir gerne anschaue, denn ich glaube, es dreht sich einfach immer um Bewegung, Veränderung, Vorankommen oder um die Verteidigung einer Situation, eines Gefühls. Es geht immer um den Abgleich von innen und außen, das sind die Momente, die ich am spannendsten finde. Und das hört vermutlich auch nie auf.

Isa: Das ist eine der Wunderbarkeiten am Schreiben, oder? Dass man gezwungen ist, Dinge zu Ende zu denken? Die Kleist’sche „Allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ funktioniert ja auch beim Schreiben.

Lisa: Ja, es ist eine Wunderbarkeit, aber eben manchmal genau der Berg, vor dem ich stehe und nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich probiere dann aus, ich schreibe Versionen und spüre dann, welche richtiger ist, welche sich natürlicher anfühlt für die Geschichte.

Isa: Und den Rest, der nicht funktioniert hat, wirfst Du weg? Löschst Du das richtig, oder gibt es irgendwo einen dicken Ordner mit „Outtakes“? Empfindest du das als normal und egal, oder tut es weh? (Mich würde es fertigmachen, dauernd soundsoviel zu löschen, glaube ich.)

Lisa: Ich lasse diese Stellen erst liegen, meistens in Ordnern, wo „Alt“ draufsteht. Dann gibt es „Alt 1“, „Alt 2“ und manchmal auch „Alt 32“. Manchmal erinnere ich mich an Stellen, hole sie zurück und mache etwas anderes draus. Wenn das nicht passiert, lösche ich die Ordner ungesehen irgendwann. Genau wie ich den Stapel Lektoratsversionen aus Papier irgendwann fein geschreddert entsorge. Ich kann das alles nicht ewig mit mir herumtragen.

Isa: Das ist doch ein gutes Schlusswort: Man muss natürlich bei der Arbeit immer sehr genau und gründlich sein. Aber dann muss man auch loslassen.

Lisa: Genau.

Elisabeth Rank: Bist Du noch wach? Berlin Verlag 2013. 256 Seiten. 17,99 Euro. Zum Blog von Elisabeth Rank. Foto Rank: Carolin Weinkopf.

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zum Blog von Isabel Bogdan. Ihr Buch „Sachen machen“ ist im Juli 2012 als Buch im Rowohlt Verlag erschienen.

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