The quintessential smart ass guy
Clint Eastwood ist 80 Jahre alt geworden. Gisela Trahms gratuliert einer Ikone.
Jüngst erschien ein Bildband mit dem Titel Weisheit, auf dessen Cover das zerfurchte Gesicht des Mannes zu sehen ist, der einst mit seiner Puste („Smith, Wesson & me“) dem Gangster geradewegs ins Gesicht zielte, die Zähne fletschte und „Go ahead, make my day!“ hervorstieß. Die Ikone der Gewalt, der „quintessential smart ass guy“ Clint Eastwood als Zierde erbaulicher Bücher! Welch ein Niedergang…
Glücklicherweise befindet sich Clint längst jenseits solcher Kategorien. Aufrecht und unbeschadet schritt er durch die Jahre und tat, was ihm richtig schien. Das Richtige, so die Botschaft im Film wie im Leben, muss weder ergrübelt werden noch ist es identisch mit irgendwelchen Vorschriften. Das Richtige wohnt im Innern und man weiß es ohne Worte und manchmal muss man es erballern. The American Way of Life, Spätversion. Europa mochte das, wenn ein bisschen Einsamkeit und Tragik untergemixt waren. Bei Dirty Harry wurde es schon kritisch. Und doch, und doch…
Grimmiger Nullpunkt
Die Spaghetti – Western hingegen, die Eastwood zu Ruhm verhalfen, hatte Hollywood zunächst verachtet. Für eine Handvoll Dollar schien ja bloß billig. „The picture was shot in Spain. Pity it wasn’t buried there,” urteilte TIME. Unbegreiflich, dass ein unrasierter Held, dessen Dialoganteil um einen grimmigen Nullpunkt kreiste und dessen Hauptaktion (neben Schießen und Töten natürlich) darin bestand, ein kaltes Restzigarillo von einem Mundwinkel in den anderen zu schieben und auszuspucken, ein weltweites Kinobeben erzeugte.
In Europa erfasste man sofort, dass ein Mythos geboren wurde. Schon der erste Dollar – Film lief wochenlang in den Kinos, vor jungem Publikum und bestimmt nicht wegen Marianne Koch, die auf adrette deutsche Weise eine Unschuld aus Mexiko mimte. Eastwood rettet sie aus den Klauen des Bösen und bringt sie heim zu Mann und Kind, indes Ennio Morricones Musik sich weidlich darüber lustig macht. Das war 1964 und die Generation, die wenig später auf die Barrikaden stieg, identifizierte sich lustvoll mit diesem Zerstörer aller Genre-Regeln, selbst die Frauen.
Denn für den Namenlosen, den Clint bei Leone verkörpert, spielen Frauen keine Rolle. Just zu der Zeit, da die Männer es nicht mehr für unter ihrer Würde hielten, Kinderwagen zu schieben und Hausarbeit zu erledigen, präsentierte die Eastwood-Persona die Gegenfigur: den Mann, der sich selbst genügt und auf Familie pfeift. Ein drifter, der aus dem Nichts kommt, da ist und wieder verschwindet. Sexy, but not looking for sex. Frustrierend.
Sexy, but not looking for sex
In späteren Filmen tut Eastwood dann vieles, was man ihm nach den Dollar – und Dirty Harry – Exzessen nicht zugetraut hätte. Er gibt sich ausdauernd mit einem Affen ab. Er bekreuzigt sich und betet, im Ernst. Er leidet, weil Meryl Streep nicht mit ihm gehen will. Er wird älter und scheitert. In Unforgiven schafft er es kaum noch aufs Pferd. Der Western wird dekonstruiert und sein eigenes Image gleich mit, was beiden gut tut und auch uns, die wir mit ihm gealtert sind.
Als er 1992 für Unforgiven den Oscar erhält, dankt Eastwood der französischen Filmkritik, dem Museum of Modern Art und dem British Film Institute, weil sie seine Arbeit zu schätzen wussten, „before I became fashionable“. Förderer, auf die man stolz sein kann, fürwahr. Seit 1971 führt er Regie und produziert, mit der Konstanz des Handwerkers, der sein Handwerk beherrscht. Fast alle seine Filme sind so: gut gemacht und haltbar so lang wie sie dauern. Ein zweites Mal möchte man sie lieber nicht ansehen, aus Respekt vor der Lebensleistung ihres Schöpfers.
Die ist gewaltig und beruht nicht zuletzt darauf, dass er ein vorzüglicher Teamworker ist. Einen Film herzustellen in 37 Tagen – das schafft niemand allein. Im Bonus-Material zu Mystic River erzählt Kevin Bacon, einer der Hauptdarsteller, wie effizient und mühelos die Dreharbeiten abliefen, das reine Vergnügen. Daraufhin beschloss er, endlich ein eigenes, lange geplantes Filmvorhaben in die Tat umzusetzen, und endete im Chaos: niemand tat, was Bacon wollte, jeder stritt mit jedem. „Und bei Clint sitzt der erste take, alle sind freundlich und relaxed, eine große Familie…“
Thanks for being around all the time
Gern stellen wir uns das vor. Gern stellen wir uns überhaupt dieses Leben vor: sieben Kinder von fünf Frauen, Ruhm und Reichtum, vor allem aber: dass einer sein Leben lang tut, was ihm Spaß macht und was er für richtig hält. In Eastwoods eigenen Worten: „I’m lucky in that I’ve been able to make a living in a profession I really enjoy. That’s a chance many people don’t have.“ Weise Worte.
Aber am liebsten bleibt er uns natürlich doch, wenn er jede Weisheit vergisst. Wenn er die Zähne fletscht und diesen unglaublichen, mörderischen Blick auf das Böse richtet. Zum letzten Mal (denn er will nicht mehr spielen) haben wir das wohl in Gran Torino gesehen, wo der Blick nicht mehr der des Siegers, sondern des Ohnmächtigen ist. Walter Kowalski lässt sich erschießen, damit die bösen Buben, deren er allein nicht Herr werden kann, hinter Gitter kommen. Ein Clint, der sich opfert!, denken wir und seufzen. Weit ist es gekommen. Aber hat er uns nicht sein Leben lang gelehrt, wie schlecht die Welt ist?
Clints Mutter Ruth wurde 96. „Thank you for your genes“, sagte der Sohn bei einer weiteren Oscar – Verleihung. Also: Still 16 years to go, Clint. Good luck, and thanks for being around all the time.
Gisela Trahms
Foto: Wikimedia Commons, Autor: gdcgraphics, Quelle.