Knifft die Scheu die Lippen lächelnd
– Heute denkt Culturmag an August Stramm, der am 1.September vor 97 Jahren gestorben ist. Der Dichter und Dramatiker wurde am 29. Juli 1874 in Münster/Westfalen geboren, er fiel als Soldat 1915. Die Phase des Schreibens – ungefähr im Jahr 1912 „wie eine Krankheit über ihn gekommen“ – war für Stramm nur kurz, aber hochproduktiv und komplex, sein Werk blieb überschaubar, aber wegweisend (Dadaismus, konkrete Poesie, Arno Schmidt). Es ist die Zeit des Expressionismus, Stramm ist ein intensiver Spracharbeiter und schraubt diese in abstrakte Höhen. Sprechen wir von Wortkunst. Das erste zitierte Gedicht handelt von der Liebe, das zweite vom Krieg.
„Die Verdienste Stramms um die Dichtung sind sehr.“ (Kurt Schwitters)
Spiel
Deine Finger perlen
Und
Kollern Stoßen Necken Schmeicheln
Quälen Sinnen Schläfern Beben
Wogen um mich.
Die Kette reißt!
Dein Körper wächst empor!
Durch Lampenschimmer sinken deine Augen
Und schlürfen mich
Und
Schlürfen schlürfen
Dämmern
Brausen!
Die Winde tauchen!
Raum!
Nur
Du!
Aus: Du/Liebesgedichte (1914), in: August Stramm, Die Dichtungen. München: Piper Verlag 1990, S. 56
Angststurm
Grausen
Ich und Ich und Ich und Ich
Grausen Brausen Rauschen Grausen
Träumen Splittern Branden Blenden
Sterneblenden Brausen Grausen
Rauschen
Grausen
Ich.
Aus: Tropfblut (1915), in: ebd., S. 114