Aus doppeltem aktuellem Anlass: Von wegen rosa Wölkchen, weil der Sommer pausiert und es an diesem Tag stürmt und, ganz sicher, schüttet, wird eiligst ein Altwiener Kaffeehaus angesteuert. Auf dem Weg gibt es so manches zu sehen, es klirrt und flirrt, Grillparzer webt durch die Straße und die Erinnerung kommt mit leiser Tatze daher.
Suche das Café Ritter
in Wien, Marienhilfer Straße. Beginnender Sturm.
Der Vormittag – hellblauer Himmel und rosa Wölkchen.
Die ersten Schilderständer fliegen um
und die Jacken ab von den Kleiderbügeln.
Um eine der Damen flirren an langen dünnen Seilen zwei
Kolibri-kleine-Hündchen. In Hundefarben, aber das eine, hellere,
mit unecht-türkisenem Wämslein.
Sehe den Kastanienröster stehen in der Bude im Sturm:
armer Mann.
War der Spielmann Grillparzers Seele?
1 fremde kleine Tatze berührt dich – meine, eine.
War ich wohl linkisch als Kind?
Vielleicht auch nicht. „Ausgesprochen“ linkisch nicht,
aber ich hörte „Mauerblümchen“ sagen in der Klasse,
gerade in der Zeit, als ich den Helmut liebte von weitem.
8.12.11
Die Textsammlung von Elke Erb umfasst die Jahre 2005–2013 und ist eine roughe Hommage an die deutsche Schriftstellerin und Übersetzerin, die in diesem Jahr den mit 15.000 Euro dotierten internationalen Ernst-Jandl-Preis für ihr lyrisches Gesamtwerk erhielt. Das Zuckerl wird alle zwei Jahre seit 2001 verliehen im Andenken an den im Jahr 2000 verstorbenen großen Poeten Ernst Jandl. Jetzt also Erb: geboren 1938 in Scherbach, lebt in Berlin und ist seit 1966 freischaffende Autorin. Zu ihren Veröffentlichungen, nicht wenige, zählen neben Kurzprosa, Lyrik, prozessualen Texten auch Übersetzungen aus dem Russischen sowie Nachdichtungen russischer Poesie.
Mit den Worten der Fachjury (u. a. Friedricke Mayröcker): „Elke Erbs einzigartige und höchst wandlungsfähige Lyrik ist ein Schreiben an der Welt entlang, ein offener Prozess, in dem die Formen der Wahrnehmung ebenso überprüft werden wie ihre sprachlichen Mittel … Bei Elke Erb ist die Sinnlichkeit der Wörter auch die Sinnlichkeit eines lyrischen Ichs, das sich in der Welt herumtreibt, um sich in sich selbst zu finden.“
Freilich für Wienkundige oder solche, die es noch werden wollen, das Café Ritter ist in der Mariahilfer und nicht in der Marienhilfer Straße (siehe erste Gedichtzeile).
Senta Wagner
Gedicht stammt aus dem Rohbändchen: Elke Erb: Das Hündle kam weiter auf drein. Herausgegeben von Urs Engeler. roughbook 028, 2013. 62 Seiten. 7,00 Euro. Fot0: Elke Erb, Preis der Literaturhäuser 2011. Wikipedia Commons, Quelle: Amrei-Marie