Geschrieben am 25. Juni 2009 von für Hörbuch, Litmag

Lou Andreas-Salomé: Das Rainerbuch

Salomé: Rainer Maria RilkeLiebende Literaturwissenschaftlerin

Diese Rilke-Biographie changiert zwischen künstlerischer Würdigung, psychologischer Forschung und Erinnerungsarbeit. Von Tina Manske

Wie tief empfunden es sein kann, wenn eine Autorin, die gleichzeitig auch noch Psychoanalytikerin und Ex-Geliebte ist, über einen Menschen schreibt, der ebenso gleichzeitig Autor, Ex-Geliebter und hoffnungsloser Fall für die Psychoanalytikerin ist, das kann man sehr eindrucksvoll an den Texten nachvollziehen, die Lou Andreas-Salomé über Rainer Maria Rilke geschrieben hat.

Sie, die kluge, reife und intelligente Frau, macht sich, selbst schon weit über sechzig Jahre alt, kluge und reife Gedanken über den sehr viel Jüngeren, dem sie bis in die Seele hinab nachzureisen verstand, nachzureisen auch in den Hades, da Rilke bei der Niederschrift dieser Erinnerungen schon längst im Reich der Toten weilte. Sie reist ihm nach durch die Relektüre seiner Briefe und beginnt in ihrem Loufried genannten Haus einen Dialog auf dem Papier – nicht nur mit Rainer allein. Sie sieht in dem Künstler Rilke eben auch das role model für all die anderen, empfindsamen Figuren der Literaturgeschichte, die bis an die Grenzen ihrer Welt vordringen, um Großes zu schaffen und dabei selbst zugrunde gehen. Ihre Biographie changiert, wie sie selbst sagte, zwischen künstlerischer Würdigung, psychologischer Forschung und Erinnerungsarbeit. Nichts von diesen dreien bringt sie vollkommen zustande, aber durch die Verwebung aller dieser Gattungen entsteht ein schillerndes Stück Literatur.

Der Verlag Kaleidophon hat dieses Zwiegespräch jetzt als Hörstück herausgebracht, mit Karin Neuhäuser als Lou und Rainer Süßmilch als Rainer. Die Umsetzung einer Atmosphäre des Austauschs mit dem Abwesenden gelang, auch wenn man sich den ein oder anderen Halleffekt (der wohl eben diese Abwesenheit zum Ausdruck bringen soll) hätte sparen können. Ansonsten aber überzeugt die karge Produktion, die ganz auf die Wirkung des Wortes vertraut und ansonsten – abgesehen von einigen kurzen, verzichtbaren Musiksequenzen und dem Rascheln des Papiers, das beim Schreiben gewendet wird – der Stille eine Chance gibt.

Tina Manske

Lou Andreas-Salomé: Rainer Maria Rilke: Das Rainerbuch. 1 CD. Kaleidophon 2009. Ca. 78 Minuten. 14,95 Euro.