
Copyright © Christian Kaufmann

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Martin Suter:
„Ich schreibe Bücher, die ich selber gerne lesen würde“
Martin Suter ist der zurzeit meistgelesene deutschsprachige Autor. Seine schriftstellerische Karriere begann er als Werbetexter für „Möllni-Windeln“, „Jägermeister“ und andere Markenartikel. Nach und nach erkundete Suter dann das gesamte Spektrum des Schreibens. Erst 1998 erschien sein Roman-Debut „Small World“ und schnell legte er dann die Bestseller „Auf der dunklen Seite des Mondes“ und „Ein perfekter Freund“ nach. Martin Suter wurde 1948 in Zürich geboren und lebt heute zusammen mit seiner Frau in Guatemala – soweit es der Literaturbetrieb zulässt.
Karsten Herrmann: Vom Werbetexter zum Schriftsteller – war das ein schleichender Übergang oder ein großer Sprung?
Martin Suter: Das war ein sehr schleichender Übergang, weil ich das Werbetexten bereits nach einem Jahr wieder aufgegeben habe. Es wird immer so geschrieben, als wäre ich 20 Jahre lang Werbetexter gewesen und hätte mich dann entschlossen Schriftsteller zu werden. Aber das war nicht so. Ich habe in meiner Vergangenheit unter anderem Werbetexte geschrieben. Ich habe aber auch als Geo-Reporter gearbeitet, ich habe Theaterstücke geschrieben, ich habe Sachen für Kino und Fernsehen gemacht, ich habe journalistisch gearbeitet und Kolumnen geschrieben. Ich habe eben immer vom Schreiben gelebt und da hatte ich auch kein Problem damit, Werbetexte zu machen.
Was fasziniert Sie am Genre des Kriminalromans?
Ich schreibe eigentlich keine Kriminalromane, sondern Romane mit einem Geheimnis – aber im deutschsprachigen Raum bezeichnet man das immer als Kriminalroman, ich glaube, weil es da kein anderes Wort für gibt.
Romane mit einem Geheimnis halten die Leser auch dann bei der Stange, wenn die Sprache und die Handlung nicht so atemberaubend ist. Ein Geheimnis hilft einfach, das Interesse wach zu halten. Ich lese am liebsten Bücher mit einem Geheimnis und ich schreibe Bücher, die ich selber gerne lesen würde.
Gibt es Autoren, die Sie beeinflusst haben?
Autoren haben mich eigentlich nicht so beeinflusst, aber es gibt schon viele angelsächsische Autoren, die ich sehr gerne mag. Ein Autor der mich aber doch auch beeinflusst hat, war E.T.A. Hoffmann, ein deutscher Autor, der nach meiner Meinung ein sehr begabter „suspense“-Autor war, der Geschichten mit einem Geheimnis schreiben konnte und wusste, wie man Spannung erzeugt.
Verfolgen Sie die erstaunliche Entwicklung des deutschen Kriminalromans?
Ich kenne die deutschsprachige Krimi-Szene zu wenig. Ich kenne Arjouni und mag den sehr, aber sonst kenne ich wenig- auch, weil ich mich nicht als Krimi-Autor verstehe.
Was verbindet Sie mit Ihren Protagonisten, dem Wirtschaftsanwalt Urs Blank oder den Journalisten Fabio Rossi – gibt es da geheime oder offensichtliche Beziehungen zu ihrer eigenen Person?
Nein, es gibt keine geheimen Beziehungen. Alle Figuren, die man als Romanautor erfindet, haben etwas mit einem selber zu tun. Man kann ja als Autor nur aus sich selber Charaktereigenschaften schöpfen. Man kann höchstens solche, die sehr klein und unterentwickelt sind, sehr groß machen. Aber sie frei erfinden, das kann man glaube ich nicht.
Welche Rolle spielt für Ihre Romane die Recherche – sei es zum berauschenden Psylocybin-Pilz oder zum Thema BSE?
Die Recherche ist sehr wichtig, denn wenn man Dinge beschreibt, die es wirklich gibt, dann sollten die genau beschrieben sein. Auch die ganzen medizinischen Sachen stimmen bei mir, die sind genau recherchiert. Aber weder der Pilz noch die Prionen-Sache sind die wirklichen Themen der Romane. Es sind eher Nebengeschichten, denn ich brauchte bei „Auf der dunklen Seite des Mondes“ einen Grund, warum ein Wirtschaftsanwalt in den Wald geht, oder bei „Ein perfekter Freund“ einen Skandal, den man mit viel Aufwand unterm Deckel halten will.
Ist der Kern ihrer Bücher mit folgendem Zitat aus dem „Perfekten Freund“ beschrieben: „In jedem von uns steckt das Gegenteil seiner selbst. Und fast jeder kommt in seinem Leben einmal an einen Punkt, an dem er ausprobiert, ob es sich dabei nicht vielleicht um sein wahres Selbst handelt.“?
Ja, das trifft den Kern schon sehr genau.
Was dürfen wir als nächstes von Ihnen erwarten?
Wollen Sie die professionelle Antwort oder die ehrliche?
Die ehrliche bitte!
Ich weiß es noch nicht.
Das heißt, Sie schreiben noch nicht an einem neuen Romane oder einem neuem Prosa-Stück?
Nein, jetzt kümmere ich mich um das jüngste Kind, dann mache ich ein bisschen Pause und vielleicht im Herbst fange ich mit etwas Neuem an.
Danke für das Gespräch!
Das Gespräch führte Karsten Herrmann