Die Homeruns dollargieriger Dumpfbacken-Doper
– Gerade hat die Bundesregierung einen Anti-Doping-Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der harte Strafen für dopende Leistungssportler, aber auch für beteiligte Ärzte und Dealer vorsieht, da überschlagen sich die Doping-Skandale in den USA: Es geht mal wieder um altbekannte, unbelehrbare Doping-Freaks der Top-Baseball-Liga MBL. Die notorischen Wiederholungstäter verdienen Millionen, waren bereits für mehrere Seasons gesperrt und wollen einfach weitermachen wie bisher. Aber nun beginnt bei vielen Fans und Funktionären ein Umdenken, obwohl der erfolgreiche Sportheld zwar immer schon zum American-Dream-Mythos gehörte. Baseball-Stars wie die dopenden Lügner und Dumpfbacken Alex Rodriguez und Troy Patton werden inzwischen nicht mehr als Inkarnation des American Hero akzeptiert, sondern zusehends als lästige Altlasten abgelehnt. Von Peter Münder
12 000 Dollar monatlich gab MBL-Profi Alex Rodriguez, 39, für Dopingmittel aus, wie er jetzt bei seiner Nähkästchenplauderei bei Verhören durch Doping-Experten preisgab. Der renitente A-Rod, wie ihn alle nennen, hatte zusammen mit zwölf anderen Profis seinen Stoff –Testosteron, Insulin und Wachstumshormone, die auch bei dopenden Rennradlern wie Lance Armstrong und Jan Ulrich sehr beliebt waren – über seinen Cousin aus der inzwischen geschlossenen dubiosen Anti-Aging-Klinik Biogenesis in Coral Gables, Florida, bezogen.

Alex Rodriguez (Foto: Keith Allison from Alex Rodriguez (Foto: Keith Allison/Baltimore, USA, Wikimedia Commons 2.0)
A-Rod war schon längst im Fadenkreuz der Dopingfahnder gewesen, aber man konnte ihn erst jetzt verhören, weil er von einer Kronzeugenregelung profitierte, die ihn abgesehen von längeren Spielsperren straffrei davonkommen lässt. Er marschiert also nicht in den Knast, sondern will jetzt wieder bei den New York Yankees auf der Third Base weiterspielen – laut seinem Zehnjahresvertrag über 270 Millionen Dollar stehen ihm für die nächsten drei Spielzeiten noch 61 Millionen Dollar (plus diverse Boni für neue Homerun-Rekorde) zu. Zwischen zwanzig und dreißig Millionen Dollar jährlich bezieht A-Rod schon seit einigen Jahren, da kann er natürlich seine 12 000 Dollar für den monatlichen Doping-Konsum bequem aus der Portokasse zahlen.
Nun sind bei den eh ziemlich zweitklassigen Yankees die ersten Panikattacken erkennbar: Wie wird man diese Altlast wieder los, wo bekommen wir gute Ersatzspieler her, sollen wir A-Rod als Reserve auf die Bank setzen? Das sind jetzt die Hauptsorgen der Funktionäre und Manager. A-Rod war zuletzt regelmäßig verletzt; selbst die sonst so fanatischen Fans waren genervt, weil er entweder nur wegen irgendwelcher Affären mit Filmstars Aufsehen erregte oder nur noch in Dopingskandale verwickelt war. Und bald wird der Star auch noch vierzig und dürfte nach langer Spielpause nichts Sehenswertes mehr zustande bringen. „In einer Million Jahren und nach Millionen von Baseball-Seasons hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich die New York Yankees jemals bemitleiden würde“, kommentierte die Sport-Reporterin der New York Times Juliet Macur diese Misere. Allerdings hatte „Sports Illustrated“ in einer A-Rod-Titelgeschichte über den Untergang des Doping-Sportlers schon vor einem Jahr die Frage gestellt: „Wie konnte er bloß so blöde sein“? Hatte er nicht schon 2009 schwere Doping-Vergehen zugegeben und dann einfach weitergemacht mit dem Schlucken „leistungsfördernder Mittel“, wie es so nett verharmlosend heißt?
Und der gerade für 80 Spiele gesperrte Promi-Pitcher Troy Patton von den Baltimore Orioles war nun zum dritten Mal als Doper erwischt worden. Wer die US-Dopingskandale der letzten Monate mitverfolgt hat, reibt sich verblüfft die Augen: Die dreisten, dollargierigen Doper kommen nicht nur mit milden Strafen davon, auch die Fans schienen sich bisher eher über die Spielpausen ihrer Helden aufzuregen als über die Machenschaften dieser millionenschweren, mit Putschmitteln vollgestopften Typen. Deren Absicht, demnächst wieder zur Spielroutine bei den Yankees oder anderen etablierten, traditionsreichen Vereinen anzutreten, als wäre nichts weiter gewesen, wollen viele Fans nun aber nicht mehr hinnehmen, auch wenn es immer noch Einfaltspinsel gibt, die eine in den Medien angeheizte „Hexenjagd“ für diese Skandale verantwortlich machen – geht’s noch? Das Geschwätz von der Hexenjagd hatte A-Rod selbst initiiert – er sieht sich mal wieder als Opfer einer bösartigen Hetzkampagne. Aber kennen wir diese Mechanismen, mit denen dreiste Täter sich zu Opfern hinterhältiger Kampagnen stilisieren, nicht längst von den unseligen Tour de France-Doping-Skandalen um Lance Armstrong, Jan Ulrich u. a.? Und erinnert der dahintersteckende Größenwahn, der sich einfach von der Realität abgehoben hat, nicht an den Realitätsverlust von kriminellen Bankstern oder egomanischen Managern wie „Big-T“ Thomas Middelhoff? Und sind es nicht immer die ohnehin schon üppig honorierten, mit satten Boni gut abgepolsterten Nimmersatts, die den Rachen nicht voll genug bekommen?

Troy Patton 2012 (Foto: Keith Allison/Owings Mills, USA, Creative Commons 2.0/Wikimedia Commons)
Rund fünf Milliarden Dollar Umsatz macht der Baseballbetrieb der MBL pro Spielsaison. Von diesem großen Kuchen wollen sich viele Spieler möglichst große Stücke sichern, wobei sie dann auch glauben, dies ohne moralische Skrupel gegen alle eindeutigen Vorschriften praktizieren zu können. Und damit sind wir auch beim ideologischen Stützkorsett, das diese Einstellung zu rechtfertigen scheint: Es ist die ursprünglich vom Baseballspieler, Funktionär, Sportartikelhersteller und Chef-Ideologen Albert Goodwill Spalding (1850–1915) propagierte Losung „Baseball ist Krieg“. Der gegen den um 1900 in den USA noch weit verbreiteten, angeblich total verweichlichten „Tuntensport“ Cricket polemisierende Spalding setzte auf eine vom Baseball vermittelte Ideologie des militanten Kampfes. Er wollte Baseball als „uramerikanische“ Sportart mit einem „männlichen“ Wertsystem durchsetzen. Und diese hemdsärmelige, aggressive Einstellung sollte auch im Berufsleben maßgebend sein: Nur wer sich durchsetzen kann, hat Erfolg – diese Maxime wurde dann auch von Football-Söldnern internalisiert und gilt immer noch als unumstrittene Richtschnur für US-Manager, Unternehmer und Politiker. Die moralischen Aspekte bleiben dann eben auf der Strecke, wenn es um den vermeintlichen Überlebenskampf auf dem Feld geht. Wer kümmert sich im Krieg schon um ethisch-moralische Fragen? Wenn der Sieg, die Punkte, die Homeruns und der Betting-Average entscheidend sind? Und der Superstar dann sogar noch in der Baseball „Hall of Fame“ in Cooperstown als leuchtendes Vorbild verehrt wird?
Auch wenn sich jetzt die Stimmung bei den Fans gegen egomanische, bornierte Stars wie A-Rod und Troy Patton richtet, die nur noch mit ihren Doping-Skandalen für Schlagzeilen sorgten, dürfte das Doping der dollargierigen Dumpfbacken nur dann erfolgreich bekämpft werden, wenn die MBL-Funktionäre mit härteren Bandagen sich für radikalere Strafen einsetzen. All diese Sperren, die nach langen Verhandlungen mit MBL-Funktionären und Spieler-Anwälten wieder reduziert wurden und die Spieler ziemlich unbehelligt zur Rückkehr auf den Pitch ermunterten, haben ja nicht allzu viel gebracht. Auch wenn Vereine wie die New York Yankees einige Millionen einsparen konnten, weil sie ihren Super-Doper A-Rod während der Sperrzeiten nicht bezahlen mussten. „Aber die Yankee-Fans wenden sich jetzt auch nur deswegen von den Machenschaften der Spieler ab, weil ihr Verein nicht mehr gewinnt“, konstatierte die „New York Times“ ziemlich resigniert.
Peter Münder ist Autor des CulturBook-Essays „Feldspiel und Weltspiel, Batter und Bowler: Über Baseball, Cricket und Literatur“.