Geschrieben am 27. April 2011 von für Kolumnen und Themen, Litmag, Sachen machen

Sachen machen: Auf dem DOM

DOM

– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige und ganz normale Sachen aus. Diesmal war sie auf dem Rummelplatz.

Ich habe alles gegeben. Ich bin vor nichts zurückgeschreckt, oder vor fast nichts, und habe alles gemacht.

Ich bin beschaulich und gemütlich Riesenrad gefahren und habe bei strahlend blauem Himmel von oben auf die Stadt geguckt.

Ich habe mich im „Shaker“ durch die Luft schleudern lassen, über mindestens drei Achsen gedreht, genau konnte ich es nicht nachzählen, weil ich damit beschäftigt war, mich darüber zu wundern, dass ich überhaupt in dieser Höllenmaschine sitze, und darüber, dass man doch ein gewisses Vertrauen in die jungen Männer zum Mitreisen zu haben scheint, und darüber, wie zum Teufel mein Begleiter es geschafft hat, mich in dieses Ding zu kriegen, nachdem ich ja eigentlich angekündigt hatte, nicht mit so was zu fahren, und damit, froh zu sein, dass die einzelnen Wägelchen sich wenigstens nicht auch noch überschlagen, und dann überschlugen sie sich, und ich war damit beschäftigt, mir selbst gut zuzureden, dass ich nicht rausfalle, dass der Sicherheitsbügel sich nicht lösen wird, dass ich auch nicht rausgeschleudert werde, dass alles gut ist, und dass die netten jungen Männer zum Mitreisen sicher alle Schrauben ganz fest angezogen haben, und außerdem war ich damit beschäftigt, mich festzuklammern und alle Muskeln meines Körpers anzuspannen, und dann war es vorbei und ich bin ausgestiegen und mir haben die Knie gezittert, und ich war froh, dass ich den Programmpunkt „bescheuertes Fahrgeschäft“ damit hinter mir hatte.

Ich bin durch einen Parcours gegangen, in dem ich über sich drehende Scheiben lief, über wegsackenden Boden, mich zwischen gepolsterten Drehdingern durchquetschte wie in einer Autowaschanlage, über Wackeldinger und Zitterdinger und Kipp- und Wipp- und Schwankdinger lief, an Zerrspiegeln vorbei und schließlich in einem Glasscheiben-Labyrinth landete, aus dem der Begleiter und ich erstaunlich lange nicht rausfanden, sondern immer wieder durch dieselben Gänge irrten und vor dieselben Scheiben rannten und uns kaputtlachten und dann plötzlich doch draußen standen und nicht wussten, wie das gegangen war. Ich glaube, sie haben uns ausgetrickst und irgendwann irgendwo heimlich eine Wand verschoben.

Ich habe keine Zuckerwatte gegessen.

Ich bin mit der Wildwasserbahn gefahren, die mit Sicherheit sehr aufwändig zu betreiben ist, dann aber doch nicht so viel Spaß macht wie gedacht, außer dass man ein bisschen nass wird, und deren Wasser stinkt.

Ich habe den Betreiber des Hau-den-Lukas verblüfft, indem ich seine Frage, ob ich meinen Begleiter „testen“ wolle, verneinte und sagte, ich wolle den Lukas selbst hauen. Ich habe den Lukas gehauen und eine Plastikrose gewonnen (und zu Hause nicht herausbekommen, wieso der Lukas Lukas heißt).

Ich habe Schmalzgebäck gegessen.

Ich bin in einer kleinen Geisterbahn gefahren, in der es wahnsinnig laut rumpelte und alles hydraulisch Betriebene fürchterlich zischte und dauernd Sargdeckel oder andere Türen aufflogen und fluoreszierende Skelette oder finstere Monster herauskamen und „huhuuu!“ oder „hohoo!“ machten und ich die ganze Zeit lachen musste, weil es so niedlich war.

Ich habe keine Lose gekauft, weil es nur Müll zu gewinnen gab.

Ich habe im Feldkeller ein Bier getrunken.

Ich habe die Frau ohne Unterleib und die Frau ohne Kopf gesehen, und ich habe mir von einer jungen Frau zum Mitreisen aus der Hand lesen lassen. Ich habe erfahren, dass es beruflich bei mir mit Anfang dreißig, so zweiunddreißig, fünfunddreißig, noch nicht so richtig losgehen wird, sie wisse nicht, warum, aber so ab vierzig würde es dann ganz toll werden. Ich habe ihr nicht gesagt, dass ich zweiundvierzig bin.

Ich habe eine Helgoländer Waffel geschenkt bekommen und sie nach zwei Bissen weggeworfen.

Ich bin auf dem Toboggan ganz schnell auf einem Band eine schiefe Ebene hochgezogen worden, um dann von oben eine lange Holzrutsche wieder runterzurutschen. Ich fand, man rutscht insgesamt viel zu wenig, so im normalen Erwachsenenleben.

Ich war nicht in dem Piratending, wo draußen einem riesigen Hai ein blutiges Bein aus dem Maul hängt.

Ich habe geschossen. Zum allerersten Mal in meinem Leben hatte ich eine Schusswaffe in der Hand, ein irre schweres, langes Gewehr, und ich wusste nicht, wie man es handhabt. Ich fand mich selbst widerlich, weil ich Schießen widerlich finde. Der junge Mann zum Mitreisen und mein Begleiter haben mir erklärt, wie das geht und wie ich es anlegen muss und wo ich entlanggucken muss, und dann ging der erste Schuss daneben, und ich habe geradezu einen Ehrgeiz entwickelt, es den kichernden Männern um mich herum zu zeigen, und bei den nächsten zehn Schuss habe ich getroffen. Alle zehn. Ich habe den Begleiter und den jungen Mann zum Mitreisen aufgefordert, bitte schön beeindruckt zu sein, und ich habe zwei Feuerzeuge gewonnen. Ich habe vor vier Jahren aufgehört zu rauchen.

Ich habe beim Kamelrennen Bälle in Löcher gekullert und bin in der ersten Runde überhaupt nicht vorangekommen und in der zweiten Runde zweite geworden. Damit gewinnt man aber nichts.

Ich habe lange vor dem „Airwolf“ gestanden, als es schon dunkel war und er in all seiner blinkenden Buntheit eine bizarre Schönheit hatte, und mich gefragt, wie man so wahnsinnig sein kann, sich da reinzusetzen. Der Begleiter hätte es getan, glaube ich.

Ich war nicht im Mäusezirkus.

Ich war noch in einem zweiten Irrgarten mit Dreh-, Wipp-, Wackel-, Wegsack-, Zitter- und Schwankdingern, und am Ende bin ich noch einmal eine lange Rutsche runtergerutscht.

Ich war fast drei Stunden auf dem Dom und hatte großen Spaß, und für den Rest meines Lebens reicht es dann auch mit dieser Sorte Spaß.

Isabel Bogdan

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zur Webseite von Isabel Bogdan.