Geschrieben am 2. Mai 2012 von für Litmag, Sachen machen

Sachen machen: Auf der Rennbahn

Tiere, die im Kreis rennen

– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige und ganz normale Sachen aus. Diesmal war sie zum Wetten auf der Hunde- und Pferdewettbahn.

„To the dogs?“, werden wir ungläubig gefragt, wenn wir sagen, dass wir zum Hunderennen wollen. Die Rezeptionistin im Hotel, der Tischnachbar im Pub, die Dame in der Touristen-Info, der Friseur, bei dem der Mann nachmittags sitzt – alle gucken uns an, als wären wir nicht ganz dicht. Doch, ja, wir wollen zum Hunderennen. Das scheint irgendwie … anrüchig zu sein oder so. Wir rechtfertigen uns mit der Behauptung, das gäbe es in Deutschland nicht, sind aber gar nicht sicher, ob das wirklich stimmt. (Das Internet weiß es: stimmt, Hunderennen sind in Deutschland verboten. Aus Gründen.)

Vor dem Stadion spricht uns ein zwielichtiger Typ an, ob wir so eine Karte kaufen wollen, kostet nur zehn Pfund, und da sind die 6,50 £ Eintritt drin enthalten, ein Getränk und noch irgendwas, eine Wette oder so, insgesamt sei das fünfzehn Pfund wert und würde nur zehn kosten. Schnäppchen! Och nee, sagen wir, lassma.

Wir haben nämlich zwei Stadtpläne von der Touristeninformation dabei, darauf ist ein Gutschein abgedruckt für freien Eintritt und ein Getränk im Greyhound Stadium. So kommen wir vollkommen kostenlos rein (zehn Pfund Schnäppchen, pah) und sehen uns erstmal um.

Niedrige Decken, Teppichboden, alles etwas runtergerockt. Die Briten und ihre Teppichböden, auch so ein Thema. Manchmal liegt sogar in Kneipentoiletten Teppichboden. Dieser hier ist besonders räudig, nicht sehr appetitlich, aber es ist ja auch nur der Fußboden. Wir betreten eine Bar, hinten geht es wieder raus: da ist die Rennbahn. Eine Rennbahn wie eine Menschen- oder Pferderennbahn, oval, in der Mitte eine Rasenfläche, die Bahn ist beleuchtet, denn es ist schon dunkel. Um die Bahn herum flitzt in einer Schiene so ein Windbeutel, wie es sie in größer und rot-weiß-gestreift manchmal an Brücken gibt. Ich hatte mich schon gefragt, wie man die Hunde dazu bringt, im Kreis zu rennen – der Jagdtrieb also, sie werden diesem Ding hinterherrennen.

Neben dem Geläuf (jawoll, Fachvokabular!) haben ein paar Buchmacher kleine Stände aufgebaut. Auf Tafeln stehen handschriftlich die Namen der Hunde im ersten Rennen, dahinter befindet sich ein Computer, geschützt in einem Kasten. Unter der Tafel hängt eine große Tasche mit dem Logo des jeweiligen Buchmachers drauf, darin ist das Geld.

Wir sprechen einen an und bitten ihn, uns erstmal zu erklären, wie das alles geht mit der Wetterei. Der Mann ist sehr freundlich und erklärt uns alles in breitem Mancunian. Wir verstehen nicht alles, aber doch so viel: der Mindest-Einsatz für eine Wette beträgt zwei Pfund. Man kann einfach auf den Sieger wetten, alles andere wird komplizierter. Ich wette gleich mal zwei Pfund auf Lakeland Lass. Mit so einem hübschen Namen kann doch gar nichts schiefgehen, das ist ja offensichtlich.

Die Hunde werden aus ihren Zwingern geholt und einmal vor dem Publikum auf und ab geführt. Aha, okay – beim nächsten Rennen könnte man also glatt noch kompetenter wetten, wenn man sich die Hunde erst anguckt und dann nach einer Mischung aus Augenschein und Schönheit des Namens entscheidet. Insgesamt wird es dreizehn Rennen geben. Je sechs Hunde laufen etwas mehr als eine Runde, 470 Meter; in zwei Rennen laufen sie 590 Meter.

So ein Windhund im Allgemeinen, und der englische Greyhound im Besonderen, ist ja nicht besonders schön. Um nicht zu sagen: geradezu hässlich. Was natürlich nur mein Privatgeschmack ist, aber ich finde sie irgendwie falsch proportioniert, viel zu dünn, und mit diesem abfallenden Hinterteil und dem zwischen die Beine geklemmten Schwanz haben sie auch noch so etwas Verklemmtes. Sie sind nervös und tragen Maulkörbe. Irgendwie hat das hier nichts mit der üblichen britischen Hundeverrücktheit zu tun, das hier ist etwas anderes. Das ist ein Geschäft, und ein Teil der Leute, die um die Wettstände herumstehen, ist auch nicht zum Spaß hier, sondern ebenso nervös wie die Hunde. Sie verstecken es nur ein bisschen besser.

Die sechs Hunde werden in Startkäfige gesperrt, wie bei einigen Galopprennen. Eine Frau geht kurz vor diese Käfige, schwenkt eine Fahne, tritt beiseite, von hinten kommt der Windbeutel angesaust, die Türen fliegen auf, die Hunde kommen heraus und … woah. Sie rennen tatsächlich wie der Wind. Wahnsinnstempo. Sie sausen eine Runde um die Bahn, wieder an uns vorbei und schräg vor uns durchs Ziel – keine Ahnung, welcher Hund gewonnen hat, sie waren viel zu schnell, als dass wir es hätten sehen können. Die Hunde laufen die 470 Meter, wenn sie schnell sind, in 28 Sekunden, hat der Buchmacher gesagt. Übern Daumen gepeilt, sagen wir 500 Meter in 30 Sekunden, also 1 km in 1 Minute, macht das 60 km/h. Das verteilt sich aber auf eine Runde, erstmal müssen sie ja losrennen, das heißt, die Spitzengeschwindigkeit muss … kann das sein? Google sagt, ja: so ein Windhund kann bis zu 80 km/h erreichen. Achtzig Stundenkilometer! Unfassbar.

Die Anzeigetafel sagt, Lakeland Lass war fünfte. Och Mensch. Mädchen, du hast mich enttäuscht. Hätte sie gewonnen, hätte ich acht Pfund bekommen. So habe ich halt zwei verloren, nun ja.

Mein Mann verkündet, mir jetzt mal zu zeigen, wie das geht, das mit dem Wetten. Man müsse, sagt er, sich erst die Hunde ansehen, und dann die Quoten. Und dann natürlich trotzdem auf den schönsten Namen setzen, logisch. Er wettet zwei Pfund auf Quernhow Lisa. Ich fotografiere den Start; allerdings löst meine Kamera erst aus, als die Hunde schon an mir vorbei sind. Die sind aber auch wirklich schnell. Als sie ins Ziel kommen, drücke ich etwas früher auf den Auslöser, diesmal zu früh, die Kamera löst sofort aus, es ist wieder nur die leere Rennbahn drauf. Und der Mann hätte mal besser auf mich gehört und auf Flippant Freddie gesetzt, denn, ich mein: Quernhow Lisa, also wirklich, wie das schon klingt. Das konnte ja nichts werden.

Zweimal verloren also, darauf brauchen wir erstmal ein Bier. Wir gehen rein und ins obere Stockwerk, wo sich größere Wettschalter, Wettautomaten, eine Fastfood-Ecke und ein Restaurant befinden. Außerdem gibt es große Tribünen mit Tischen und Stühlen. Im Warmen. Auf Teppichboden. Wir setzen uns hin, trinken unseren Cider und können die nächsten paar Rennen von oben aus ein bisschen besser sehen, weil man einen besseren Überblick hat.

Aber näher dran ist man draußen, also gehen wir nach dem Bier wieder raus und wetten in bewährter Manier immer schön zwei Pfund auf den Sieger, alle anderen Wettmöglichkeiten sind uns zu kompliziert. Allerdings wetten wir jetzt beide, das heißt, zu zweit haben wir schon ein Drittel der Hunde pro Rennen abgedeckt. Wir wetten auf Swift Bedington und auf Firecracker Jim, auf Fargo Erntets und Jenny Sad Eyes, auf Dun Danni und Klup, auf Whipidiwhip und Jaybee Special, wir geben alles, wir machen dumme Sprüche, wir gucken uns die Hunde an und die Quoten und die Namen, wir tun so fachmännisch, wie wir können, inzwischen vergeben wir auch schon Sympathiepunkte für die Namen der Besitzer, wir setzen auf Favoriten und auf Außenseiter, wir feuern unsere Hunde an, wir sagen den anderen Hunden, dass sie scheiße aussehen und ihre Mudda auch schon scheiße aussah (allerdings leise und auf Deutsch, just in case), wir drücken Daumen und schreien und fotografieren noch ungefähr acht mal an den Hunden vorbei die leere Rennbahn, es nutzt alles nichts: wir verlieren jedes Mal.

Als wir die zwanzig Pfund, die wir uns als Wetteinsatz vorgenommen hatten, komplett verspielt haben, ohne einen einzigen, auch noch so kleinen Gewinn, sind wir außerdem ganz schön durchgefroren. Wir haben zehn Rennen gesehen, und jetzt reicht es auch – die letzten drei Rennen sparen wir uns.

Zu Hause lese ich, dass diese Hunde in großen Rennställen in Käfigen gehalten werden, stets einen Maulkorb tragen, außer zum Fressen, und wenn sie nicht (mehr) schnell genug sind, werden sie entweder gleich getötet oder nach Spanien oder Korea verkauft, wo sie noch eine Weile rennen müssen und dann getötet werden. Ein Hundeleben.

Foto: Trabrennbahn Bahrenfeld

Beim Pferderennen

Zwei Wochen später ergibt es sich zufällig, dass wir in Hamburg zum Trabrennen gehen. Diesmal sind wir besser gerüstet, wir haben Jan dabei, der uns erklärt, wie das mit den Wetten funktioniert, wenn man nicht immer nur einfach auf den Sieger setzen will. Außerdem erklärt er uns, dass es verschieden gute Startpositionen gibt und die Rennen überhaupt eher „eine Art Schachspiel“ seien und es sehr viel mit Taktik zu tun habe. Wir sind zu fünft, Jan füllt fachmännisch einen Wettschein aus, wir anderen kichern rum, fragen nochmal nach, verstehen nicht, was und wo und was der Unterschied zwischen einem Zweier und einen Platz-Zwilling ist und wie wir jetzt wo was ankreuzen sollen, und dann ist es schon eine Minute vor Rennbeginn, und wir laufen schnell zum Schalter und geben unsere Zettel ab. Wir haben zusammengeschmissen und beschlossen, im Laufe des Tages gemeinsam 100,-€ zu verwetten. Jeder hat ein paar Scheine mit kleinen Wetteinsätzen ausgefüllt, irgendeiner gewinnt auch was, ich weiß es nicht mehr.

Beim Trabrennen wird meist hinter einem Auto gestartet (es gibt auch sogenannte Bänderstarts, aber heute nicht): das Auto hat ausklappbare Flügel rechts und links, an denen die Pferde nicht vorbeikommen. Es fährt vorweg, die Pferde laufen hinterher, zunächst noch etwas ungeordnet, aber dann reihen sie sich nach und nach in der Startplatzordnung auf, die ganze Sache wird schneller, und plötzlich sagt der Stadionsprecher durch, dass das Rennen gestartet ist. Das Auto ist also irgendwo auf der gegenüberliegenden Seite über die Startlinie gefahren, beschleunigt dann stark, klappt die Flügel ein und fährt seitlich weg, und die Pferde sind allein auf dem Geläuf. Und kommen im Zweifelsfall nicht aneinander vorbei; so ein Sulky ist schon ein bisschen sperriger, da muss man gucken, wann und wo und wie man überholt.

Foto: Trabrennbahn Bahrenfeld

Nach zwei oder drei Rennen stellen wir fest: es ist tatsächlich nicht ganz doof, auf die Favoriten zu setzen. Die sind eindeutig mit Grund die Favoriten und haben wahrscheinlich auch die besseren Startplätze. Freundlicherweise steht im Rennprogramm schon drin, welchem Pferd man welche Chancen zutraut, außerdem hat Jan von einem Kenner noch eine Liste bekommen, wie er die Pferde jeweils einschätzt. Danach setzen wir also, außerdem nach Schönheit der Namen, logisch.

Irgendwann lassen Jan und ich die anderen weiterwetten und gehen hintenrum um die halbe Bahn, zu den Ställen. Wo man erstaunlicherweise einfach hingehen kann, man kann dort direkt an die Rennbahn, an der Stelle, an der auch die Pferde auf die Bahn kommen. Dann wird das Tor aufgemacht, alle beiseite gescheucht, Pferde rein, Tor wieder zu, Leute wieder ans Tor zum Gucken. Wenn man nur die Rennen sehen, aber nicht wetten möchte, ist das super.

Isabel & Unforgettable

Tatsächlich kann man sogar einfach in die Ställe marschieren. Vielleicht auch nur, weil wir Presseschildchen um den Hals haben, aber da guckt keiner wirklich hin, wir gehen einfach rein. Ich lerne Unforgettable kennen, ein Pferd, auf das ich gesetzt, das aber nicht gewonnen hatte. Er kommt ganz nah an die Gitterstäbe und lässt sich streicheln. Niemand ist da, niemand hat etwas dagegen. Erstaunlich.

Zwei Ställe weiter treffen wir auf Independence, der gerade für das nächste Rennen fertiggemacht wird, und seinen Fahrer Andreas Gläser. Von ihm erfahren wird, dass Trabrennfahrer tatsächlich ein Ausbildungsberuf ist (beziehungsweise eine Spezialrichtung in der Ausbildung zum Pferdewirt). Ein Berufsfahrer kann im Jahr bis zu 800 Rennen fahren, ein Pferd läuft vielleicht fünfzehn Mal im Jahr. Also etwas mehr als einmal im Monat. Den Rest der Zeit wird es trainiert und betüddelt, es wird ein ziemlicher Aufwand betrieben, um die Tiere gesund und fit und zufrieden zu halten. Wenn ein Pferd unglücklich ist, wird es auch nicht gut laufen. Und immerhin geht es um eine Menge Geld, die Pferde sind teuer und sollen auch Geld reinholen. Ob man deswegen allerdings davon ausgehen kann, dass es den Tieren wirklich gut geht, sei einmal dahingestellt.

Das Gewicht des Fahrers spielt übrigens gar keine Rolle; anders als beim Galopprennen sitzt er ja nicht auf dem Pferd, und die Sulkys sind so leichtgängig, dass das Gewicht des Fahrers keinen großen Einfluss hat. Andreas Gläser ist kein besonders zierlicher Typ, als Jockey würde er sicher nicht durchgehen.

Andreas Gläser & Independence

Das Rennen rückt näher, Independence läuft im Großen Preis von Deutschland, dem wichtigsten Rennen des Tages. Wir verabschieden uns, gehen aus dem Stall und rufen sofort die Freunde auf der anderen Seite der Bahn an: Unbedingt auf die Fünf wetten! Independence! Superschönes Pferd, total netter Fahrer! Dann fällt uns ein, dass wir Andreas Gläser alles Mögliche gefragt haben, nur nicht, ob er meint, dass Independence eine Chance hat. Wir gucken ins Rennprogramm, da steht ein Pfeil nach unten und die Einschätzung: „Es ist zu befürchten, dass man dem wenig routinierten Hengst mit dieser Aufgabe keinen Gefallen tut. Hier sind nur Minimal-Chancen zu entdecken.“ Außerdem laufen in diesem Rennen 15 Pferde, und da sind natürlich viele dabei, die einen Pfeil nach oben und deutlich bessere Einschätzungen haben. Nun ja.

Wir gehen wieder nach vorne zu den anderen. Sie haben für uns gewettet, schütteln aber den Kopf. Auf Independence? Ob wir noch ganz bei Trost sind? Dochdoch, sagen wir, total netter Fahrer. Die Leute, die das Rennprogramm schreiben, haben doch keine Ahnung, und man darf ja auch die Außenseiter nicht unterschätzen.

Außer, dass die Leute natürlich doch Ahnung haben und Independence schon kurz nach dem Start ausscheidet, wegen eines Fehlers. Wahrscheinlich ist er galoppiert. Tja.

Das schwedische Pferd Tamla Celeber gewinnt den großen Preis von Deutschland. Das Pferd hat keine Lust, sich den Kranz umhängen zu lassen und läuft einfach weiter. Der Kranz-Überreicher hängt ihn kurzerhand der Fahrerin um, die den Platz im Sulky von dem eigentlichen Fahrer übernommen hat, der inzwischen auf der Bühne steht. Eine Blaskapelle spielt die schwedische Nationalhymne, Olaf Scholz ist da und überreicht den Preis, Sonja Kraus redet dummes Zeug, der Fahrer beantwortet zwei-drei Fragen.

Jan hatte vorher noch schnell eine Dreierwette abgeschlossen und gewonnen! Hundertachtzig Euro! Irre! Wir holen eine Runde Bier und freuen uns.

In der Sprecherkabine

Jan und ich dürfen kurz mit nach oben in die Sprecherkabine. Von dort oben hat man einen großartigen Überblick über die ganze Rennbahn; zwei Frauen haben alles im Griff, sie tragen Kopfhörer und haben Verbindung nach Frankreich, wo ebenfalls Rennen laufen. Die Startzeiten werden jeweils abgestimmt, damit die echten Fans (oder Zocker) alle Rennen sehen live können. Aus Frankreich kommt die Ansage, eine gute Startzeit wäre 17.02 Uhr. Das wird damit abgestimmt, wie die Pferde gerade schon auf der Bahn unterwegs sind und sich hinter dem Startauto befinden, da muss man auch ein bisschen gucken, wie es gerade passt. Die beiden Damen sprechen Anweisungen in ihre Headsets, das Rennen um den Prix du Cheval Français startet um 17.01 Uhr, das hat also gut geklappt. In diesem Rennen starten nur französische Pferde, sie haben Namen wie Quatuor du Bouffey oder Ramses de Bouillon. Vorne an der Scheibe steht der Kommentator, das Rennprogramm in der Hand, er spricht das gesamte Rennen mit, wer gerade vorne ist, wer wen überholt, wer zurückfällt, wer einen Fehler gemacht hat und ausscheidet, ich höre immer nur Buffet und Bouillon. Aus der Nachbarkabine hört man den französischen Kommentator, der vermutlich genau dasselbe sagt. Ich kriege Hunger.

Wir gehen wieder runter zu den anderen, um im Finale des Hamburg-Cups wieder mitzuwetten. Es gab zwei Vorläufe, aus denen jeweils die ersten vier Pferde jetzt noch mal im Finale laufen; wir haben die Pferde also schon gesehen, kennen sie quasi, als wären es unsere eigenen, und haben eindeutige Meinungen, wie das laufen wird. Es wird nämlich so laufen, sage ich, dass die Pferde mit den Nummern 1-3-2 die ersten drei sein werden, und zwar in genau dieser Reihenfolge. Das schreibe ich auf meinen Wettschein und sage zu den anderen, ihr werdet schon sehen.

Foto: Rennbahn Bahrenfeld

Und dann passiert das Ungeheuerliche. Un-ge-heu-er-lich! Die Pferde kommen ins Ziel, ich bin nicht ganz sicher, dass es wirklich diese Reihenfolge war, da erscheint auf der Anzeigetafel: 1-2-3 (vorläufig). Der Zieleinlauf wird auf der Großleinwand wiederholt, wir schreien alle, dass ja wohl eindeutig die drei vor der zwei reinkam, es dauert eine ganze Weile, und dann verschwindet das „vorläufig“ von der Anzeigetafel, aber da steht immer noch 1-2-3 statt 1-3-2, und ich bin beleidigt und fühle mich betrogen. Frechheit! Die wollen ja nur mein Geld nicht rausrücken! Reich wäre ich gewesen, reich! Immerhin hatte ich zwei Euro oder sowas auf diese Reihenfolge gewettet, die ja WOHL auch die richtige war, aber nein, ich werde hier betrogen! So sieht’s doch aus! Was versteht der Rennleiter denn schon davon!

Pöh.

Zwei Rennen noch. Wir verprassen noch das restliche Geld aus dem Prasstopf, stecken die bisher erzielten Gewinne nicht wieder dort rein, und haben am Ende tatsächlich aus unseren hundert Euro hundertneunzig gemacht – kann man nicht meckern. Allerdings lag das nur an Jans einem Dreier-Erfolg. Wenn sie mir meinen Dreier auch noch anerkannt hätten! Als die Pferde in der Reihenfolge 1-3-2 eingelaufen sind, in Wahrheit, und nicht 1-2-3! Dann! Dann wär ich vielleicht mal wieder auf die Trabrennbahn gegangen. Aber so? Pfft.

Isabel Bogdan

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zum Blog von Isabel Bogdan. „Sachen machen“ erscheint im July 2012 als Buch im Rowohlt Verlag.
Die Termine für die nächsten Rennen in Hamburg finden Sie hier, in der Regel gibt es jede Woche mindestens einen Renntag.

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