Geschrieben am 15. Juni 2011 von für Kolumnen und Themen, Litmag, Sachen machen

Sachen machen: In der Floatingkabine

Floating

– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige und ganz normale Sachen aus. Diesmal ist sie baden gegangen.

„Die versteckte Wellnessoase auf der Reeperbahn“, das klingt wie, nun ja, irgendwas, wo ich normalerweise nicht hingehen würde. Ich will aber Floaten.

Die „Oase“ ist tatsächlich etwas versteckt, man muss sie schon gezielt ansteuern. Zufällig finden geht nicht. Man steigt eine schmale Treppe hinauf in den ersten Stock und steht in einer Art Höhle, vollgestopft mit Massagestühlen, Massageliegen, Sonnenbänken, Raumteilern, Klimpervorhängen, Plastikblumen, Plastikbuddhas und Plastikmöbeln, sehr schummrig mit lila Licht beleuchtet. Beim Eintreten pfeift ein automatischer Bewegungsmelder mir hinterher, am Blechtresen ist niemand. Aus den Boxen trötet Radiomusik. Da pfeift der Bewegungsmelder noch mal, und hinter mir sagt eine Stimme in der Dunkelheit: Du hast doch keine Angst vor Katzen? Die sind hier irgendwo. – Nein, sage ich, und denke: Ich weiß aber nicht, was Katzen in einer Wellnessoase zu suchen haben. Ich sehe auch gar keine.

Der Mann ist sehr nett. Erst vertröstet er mich ein bisschen, bietet mir einen Platz an, geht weg, kommt dann wieder und hält mir einen Vortrag übers Floaten. Floating ist Erstens ein Nebenprodukt der Weltraumforschung – yeah! Weltraumforschungsnebenprodukte sind immer gut, alte Regel. Jemand von der NASA hat sich das ausgedacht, damit die Astronauten Schwerelosigkeit üben und irgendwie auch mit der Langeweile zurechtkommen lernen oder so, ich habe vielleicht nicht richtig hingehört, vielleicht war der Mann auch ein wenig wirr. Jedenfalls hat so ein Astronaut ja auch nicht dauernd was zu tun in seinem Raumschiff. Ich habe vergessen zu fragen, ob es deswegen nun Floating-Tanks in Raumschiffen gibt. Hinter mir schleicht eine schwarze Katze herum. Zweitens gibt es noch einen esoterischen Überbau zu der ganzen Sache. Wenn man allerdings keine Erfahrung mit Meditation oder Yoga hat, dann wird man es nicht beim ersten Mal gleich schaffen, dass der Geist den Körper verlässt. Das klappt dann erst beim dritten bis fünfzehnten Mal. Ich staune, ich hatte gedacht, es ginge ums Baden. Echte Hardcore-Floater, erklärt der freundliche Mann, floaten bis zu zwölf Stunden. Da wird man doch ganz ribbelig, sage ich, und er meint, nein, das Salz in dem Wasser sei so toll, da wird man nicht ribbelig. Und übrigens käme das alles ganz ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, du weißt schon, Totes Meer, hatten schon die alten Griechen. Dass Griechenland jetzt nicht direkt am Toten Meer liegt, ist sicher unwesentlich, ich hake nicht weiter nach. Die Griechen werden das Tote Meer schon gekannt haben, und ob jetzt alte Griechen oder Weltraumforschung, ist ja auch ganz egal und schließt sich auch nicht aus. Ich will jetzt da rein. Auch wenn mein Geist vermutlich nicht meinen Körper verlassen wird, jedenfalls hoffe ich das, auch wenn der Mann es mir als erstrebenswert dargestellt hat.

Der Mann führt mich in einen ebenso schummrig beleuchteten Nebenraum, diesmal in Grün, mit angeschlossenem Badezimmer, und mittendrin der Floatingtank in einer Art Kabine. Erst duschen, dann in die Kabine – ich bekomme einen Schlüssel, brauche mich also vor nichts zu fürchten und kann mir Zeit lassen, so lange ich will.

In der Floatingkabine ist es noch schummriger. Trotzdem sehe ich, dass das Wasser irgendwie bräunlich ist. Der Mann hat gesagt, es würde nach jeder Benutzung gründlich durchgefiltert, die Farbe hat bestimmt mit dem Salz zu tun. Ich zwinge mich, nicht darüber nachzudenken, wer da schon alles dringelegen haben mag. Übrigens habe ich auch wirklich keinen Grund zu der Annahme, irgendwas könnte schmuddelig sein, das Bad ist tadellos sauber (und gut genug beleuchtet, dass ich das sehen kann).

Das Becken ist rund, hat einen Durchmesser von vielleicht 2,20 m und ist 40 cm tief. Man liegt tatsächlich oben drauf, auf dem Wasser. Die Temperatur ist körperwarm, man empfindet es also nicht als besonders warm; nur die komplette obere Körperhälfte, die ja rausguckt, die wird kalt. Ich schließe die Augen und denke nicht daran, wer hier schon alles dringelegen haben mag. Auch nicht daran, was die hier drin wohl schon gemacht haben. Ich denke vielmehr, dass ich gerne mal im Toten Meer baden würde. Totes Meer wäre toll.

Dumdidum.

Plätscher.

Was hier wohl schon für Leute … schönes Wetter heute.

Meditation, soso. Ich kann nicht meditieren, „den Geist leer machen“, ich weiß nicht, wie das gehen soll, na gut, ich habe es auch noch nie wirklich probiert. Ich denke immer irgendwas. Wenn auch zugegebenermaßen nicht immer Intelligentes. Außerdem, hier drin soll man ja auch gar nicht den Geist leer machen, der Geist soll aus dem Körper raus. Ob voll oder leer, hat der Mann nicht gesagt.

Wer hier wohl schon …

Weltraumforschung! „Ich bin ein lustiger Astronaut, und ich singe ein Lied.“ Dumdidum.

Mein Nacken ist total verkrampft. Ich bemühe mich, den Kopf sinken zu lassen, ich entspanne meine Nackenmuskulatur, ich habe ja durchaus inzwischen das Vertrauen in das Wasser, dass es meinen Kopf trägt, aber mein Nacken ist trotzdem verkrampft. Mit mir schwimmt ein aufblasbares Kopfkissen im Wasser herum, ich mag meinen Kopf da aber nicht drauflegen. Wer weiß, wer da schon alles.

Plätscher.

Eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit, in so einem Floatingquatsch rumzuwellnessen, ich muss arbeiten! Ich habe tierisch viel zu tun und, na gut, eins davon ist natürlich das hier. Ich bin hier bei der Arbeit! Cool.

Dumdidum.

Zu Hause in der Badewanne habe ich immer ein Buch dabei.

Wird frisch auf der Oberseite.

Plätscher.

Was hier wohl schon für Leute.

Nach vierzig Minuten reicht es mir, meine Oberseite ist kühl, meine Finger ribbelig, ich dusche und wasche meine Haare besonders gründlich aus. Trotzdem kriege ich sie erst ein paar Tage später wieder richtig durchgekämmt, nach der übernächsten Haarwäsche. Der nette Mann hatte gesagt, das liege daran, dass das Salz die ganzen Umweltgifte rauswäscht. Ich habe eher den Eindruck, dass nicht etwas rausgewaschen wurde, sondern Salz rein, aber egal. Jedenfalls rieselt mir nichts auf die Schultern.

„Floating von Floatern für Floater“ machen sie in der Oase, hatte der Mann erklärt (offenbar gibt es eine ganze Floaterszene), deswegen sei das auch kein schicker Marmortempel, es gehe schließlich um die Sache und die solle sich jeder leisten können. Ich bin kein Floater, scheint’s, ich brauche das jetzt nicht dauernd. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich das mit dem Geist nicht hinkriege, weder das Leermachen noch ihn aus mir rauskriegen. Aber ans Tote Meer will ich! Meinen Geist würde ich einfach drinlassen.

Isabel Bogdan

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zum Blog von Isabel Bogdan.