Geschrieben am 24. August 2011 von für Kolumnen und Themen, Litmag, Sachen machen

Sachen machen: Paddeln

Stand-up Paddling

– Isabel Bogdan begibt sich für CULTurMAG ins Handgemenge mit den Dingen und probiert skurrile, abseitige und ganz normale Sachen aus. Dabei zieht es sie immer wieder ans Wasser. Oder aufs.

Im ersten Moment wackelt es natürlich. Ich kann nicht Windsurfen oder Wellenreiten oder irgendwas, ich habe noch nie auf so einem Brett gestanden, das Gefühl ist neu. Ich stoße mich mit dem Paddel ein bisschen von der Betonwand ab, von der aus ich auf das Brett gestiegen bin, da wackelt es noch ein bisschen mehr … aber ich stehe. Noch.

Als es nicht mehr ganz so sehr wackelt, tauche ich das Paddel ins Wasser, wie der junge Mann vom Stand-up Paddling Center es uns vorher gezeigt hat, ziehe es durch und: YEAH! Ich gleite durchs Wasser. Auf einer Art Surfbrett. Im Stehen.

Das mache ich gleich noch mal. Und es funktioniert! Wie toll ist das denn! Nur nicht zu begeistert werden, denn das wackelt schon ziemlich. Irgendwo hinter mir an Land steht der Mann mit der Kamera, ich würde mich gern zu ihm umdrehen, aber das kommt leider überhaupt nicht in Frage. So fest stehe ich noch nicht, dass ich mich einfach umdrehen könnte. Ich paddle ein paar Mal rechts und fahre raus auf den Stadtparksee, erstaunlicherweise ziemlich geradeaus, weil ich doch eher zögerlich und langsam paddle, aber doch in einem leichten Bogen.

Meine Füße versuchen, sich an dem Brett festzukrallen, das ist irgendwie anstrengend und unentspannt. Mein Kopf weiß natürlich, dass es zudem Unsinn und wenig aussichtsreich ist, ich bin ja kein Affe und das Brett kein Baum. Glatte Zivilisationsfüße können sich nicht an einem glatten Plastikbrett festhalten, ich befehle meinen Füßen, sich locker zu machen und damit aufzuhören. Meine Füße gehorchen mir nicht.

Ich will eigentlich in die andere Richtung, und jetzt wage ich es, das Paddel auf die andere Seite zu nehmen, tauche es links ein, halte es fest, paddle ein bisschen zurück und es funktioniert: Ich drehe mich langsam. Ha! Wie toll! Inzwischen stehe ich auch etwas sicherer, meine Füße sind allerdings immer noch eher unentspannt, warum eigentlich? Es kann ja überhaupt nichts passieren. Das einzige, was passieren kann, wäre, dass ich ins Wasser falle. Es ist warm, ich trage einen Bikini und darüber ein kurzes T-Shirt-Kleidchen, das ich extra deswegen anhabe, weil es ruhig nass werden kann. Ey, Füße, macht euch mal locker. Echtjetzma.

Ich verlasse den Stadtparksee und fahre unter der Brücke hindurch auf den Goldbekkanal. O weia, da ist ganz schön viel Verkehr: Ruderboote, Paddelboote, Tretboote, Kajaks, Kanus, ein Zweier mit Steuermann, ein Vierer mit Steuermann, dazwischen andere Stand-up Paddler. Wenn das man nicht … gerade noch rechtzeitig fällt mir ein, dass ich ja den Sportbootführerschein habe (siehe „Sachen machen“ vom 15.12.2010), mir kann also praktisch gar nichts passieren. Da steht ja sozusagen offiziell drin, dass ich das kann, und dann muss es wohl stimmen.

Fahren hier nicht auch kleine Schiffe durch? Was passiert eigentlich, wenn es Wellen gibt?

Ich fahre ein Stück Richtung Alster, es geht immer besser und immer entspannter, ich paddle rechts und links und wieder rechts und weiche souverän den ganzen kleinen Booten aus. Na gut, so mittelsouverän. Bis auf die Male, wo ich total unsouverän ausweiche oder einfach „waaaaahh!“ brülle. Weiß nicht mehr genau, in welchem Kapitel ich das beim Sportbootführerschein gelernt habe, stand bestimmt irgendwo. Die Sitzpaddler und Ruderer sind teilweise auch nicht geübter im Umgang mit ihren Geräten, aber irgendwie schaffen wir es dann doch immer aneinander vorbei. Auf dem Wasser geht ja alles so schön langsam.

Bestaunt werde ich auch. Jemand möchte wissen, ob das schwer ist. Ich mache das seit 10 Minuten, sage ich, noch bin ich trocken.

Inzwischen paddle ich ganz locker vor mich hin, sogar meine Füße entkrampfen sich ein bisschen. Ich mache kehrt, weil ich keine Ahnung habe, ob ich womöglich gerade nur mit der Strömung so gut vorankomme und auf dem Rückweg kräftiger paddeln muss. Was ich nicht gesehen hatte: Da ist ein Schrebergarten mit kleinem Steg, auf dem lauter Leute sitzen. Ich wende genau davor. Die Leute gucken mir zu, lachen, johlen, machen irgendwelche Bemerkungen, die ich glücklicherweise nicht verstehe, applaudieren. Hilfe. Jetzt bloß nicht reinfallen.

Dabei merke ich gerade, dass es ganz schön warm ist, und finde die Aussicht, ins Wasser zu fallen, eigentlich ganz verlockend. Aber man hat ja auch seinen Ehrgeiz, ich werde mir hier keine Blöße geben, ich fahre eine tadellose Wende und dann zurück.

Ein Ehrgeiz, den ich überhaupt nicht entwickle, ist: schneller vorankommen. Stattdessen überkommt mich eine große Ruhe. Ich stehe auf meinem Board, paddle rechts, paddle links, alles sehr geruhsam und gemütlich, ich weiche den Paddel-, Ruder- und Tretbooten aus, die Enten weichen mir aus, die Sonne scheint, das Wasser plätschert, und es ist ein Frieden. Möglicherweise wiederhole ich mich, aber: Wasser macht glücklich.

Ob da ein Kiel unter dem Board ist, fragt mich jemand aus einem Ruderboot. Nur ein kleiner, sage ich, hinten, so eine dünne Finne, vielleicht dreißig Zentimeter lang. Die Leute in dem Boot meinen, es sei ja ganz schön mutig, sich da einfach so in Straßenklamotten draufzustellen, aber natürlich habe ich einen Satz frische Sachen dabei. Ich hatte damit gerechnet, dass man erst mal mehrfach ins Wasser fallen würde, bis man halbwegs sicher steht, aber das muss offenbar gar nicht sein. Ich wackle absichtlich ein bisschen auf dem Brett herum, damit etwas kühles Wasser über meine Füße schwappt. Herrlich.

Und so paddle ich eine Stunde lang vor mich hin, im Stehen, langsam und in Ruhe, kein Stress, sogar meine Füße lassen irgendwann locker. Ich finde alles toll.

Eigentlich kehre ich nur deswegen zurück, weil schon eine Stunde vergangen ist und der Mann mit der Kamera auf mich wartet. Ansonsten hätte ich gut noch weiter gekonnt. Am Steg nimmt der Mann vom SUP-Center Hamburg mich in Empfang und sorgt dafür, dass ich unfallfrei anlege und trocken an Land komme.

Nächstes Mal lassen wir die Kamera zu Hause und fahren zu zweit, und dann am liebsten gleich bis in die Alster, denn: Das will ich sicher mal wieder machen. Und auch gerne länger.

Isabel Bogdan

Isabel Bogdan übersetzt seit 10 Jahren Literatur aus dem Englischen (u. a. Jonathan Safran Foer, Miranda July, ZZ Packer, Tamar Yellin, Andrew Taylor). Sie lebt und arbeitet in Hamburg. Zum Blog von Isabel Bogdan.

Tags : , ,