Erotische Emanze
Die alternde Lola Montez trauert in einem klug komponierten Hörspiel ihrem geliebten Bayernkönig Ludwig I. nach. Und wettert im amerikanischen Exil gegen die bieder-patriarchalische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Von örg von Bilavsky
Bayern scheint erotische Emanzen mit politischen Ambitionen magisch anzuziehen. Heute die attraktive Landrätin Gabriele Pauli, vor gut 160 Jahren die attraktive Tänzerin Lola Montez. Beide haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, den jeweiligen bayerischen Regenten vom Sockel zu stoßen. Lola Montez bezahlte ihren politischen Ehrgeiz mit der Flucht ins Exil. Wohin es Frau Pauli nach dem letzten Eklat auf dem CSU-Parteitag verschlägt? Wir wissen es nicht und wir sollten die historischen Analogien auch nicht allzu sehr strapazieren. Zumal in dem feinsinnig erdachten und raffiniert inszenierten Hörspiel „Lola Montez“ vor allem die Liebe und nicht nur Ehrgeiz und Eitelkeit die Protagonisten ins Unheil stürzt. Verstieß die „liaison dangereuse“ zwischen Ludwig und Lola im prüden Bayern des 19. Jahrhunderts nicht nur gegen moralische, sondern auch gegen politische Konventionen. Wie Madame Pompadour in Paris begnügte sich auch Lola Montez in München nicht allein mit der Rolle der Mätresse, sondern suchte im Revolutionsjahr 1848 an der „Spitze der Studentenverbindung Alemannia den König und die Beamten zu terrorisieren.“ So ist es noch 1888 in Meyers kaisertreuem Konversationslexikon nachzulesen. Die mannstolle Montez lässt sich jedoch damals wie heute nicht auf die Rolle der koketten Königsmörderin reduzieren.
Die Desillusionierung einer Frau
Wie der im Bayerischen Staatsarchiv lange gehütete Briefwechsel zwischen Ludwig und „Lolita“ beweist, war die 18 Monate währende Liaison von emotionalen Abhängigkeiten. Genau dieses Geflecht aus Liebe, Lüge, Laster und Betrug, wahren und vermeintlichen Gefühlen wird durch das klug komponierte Hörspiel erst durchschaubar. Die von dem Dramatiker Wolfsmehl ausgewählten und von Karlheinz Böhm und Elisabeth Trissenaar einfühlsam vorgetragenen Briefpassagen sind quasi die historisch verbürgte Folie, vor der Lola Montez im amerikanischen Exil ihre fiktiven, aber mit allerlei Fakten angereicherten Hass- und Trauertiraden ausbreitet. Dass sie dabei einem einfachen Zeitungsjungen ihr ebenso verbittertes wie verlogenes Herz ausschüttet, lässt denn auch die ganze Tragik einer Existenz aufscheinen, die von der Liebe ebenso wie vom Glauben an die Emanzipation der Frau besessen war.
„Mein Leben ist ein Drama über die Desillusionierung, die Desillusionierung der Frau.“ Mit kaum einem anderen Satz ist das Leben dieser Frau besser zusammenzufassen. Und kaum ein anderes Hörspiel ist diesem Drama bislang so nahe gekommen wie dieses. Ob sich aus solchen Dramen denn auch Lehren für die Gegenwart ziehen lassen. Wer weiß?
Jörg von Bilavsky
Wolfsmehl: Lola Montez. Sprecher: Karlheinz Böhm, Elisabeth Trissenaar u.a. Eine Produktion des Hessischen Rundfunks. RADIOROPA Hörbuch, Hamburg 2006. 1 CD (69 min.).