Geschrieben am 24. März 2008 von für Bücher, Litmag

Cormac McCarthy: Kein Land für alte Männer

Prophet des Niedergangs von Amerika

Im mächtigen Schatten des gerade vierfach Oscar-prämierten „No Country for Old Men“ der Coen-Brüder erscheint jetzt endlich auch dessen gleichnamige literarische Vorlage auf Deutsch. Sie stammt von keinem Geringeren als Pulitzer-Preisträger Cormac McCarthy und zeigt von der ersten Seite an, auf welch meisterlicher Grundlage der Filmerfolg beruht. Von Karsten Herrmann

„Irgendwo da draußen gibt’s einen wahrhaftigen, lebendigen Propheten der Vernichtung“ – mit diesem Satz führt der alternde Sheriff Bell in das Herz eines eiskalten und gnadenlosen Romans. In ihm stößt der Jäger und Vietnam-Veteran Moss in der Wüste zufällig auf den Schauplatz eines blutigen Massakers: Drei zerschossene Autos, kiloweise Heroin, ein halbes Dutzend Tote und einer davon hat einen Aktenkoffer aus Leder neben sich stehen: „Moss wusste genau, was drin war, und es ängstigte ihn auf eine Weise, die er gar nicht verstand.“ Dennoch nimmt er die zweieinhalb Millionen Dollar an sich und aus dem Jäger wird ein Gejagter, der zwischen allen Fronten steht. Sein gefährlichster Verfolger heißt Chigurh, ein Psychopath, der am liebsten mit dem Bolzenschussgerät tötet und strikte Prinzipien hat – dazu zählen, absolut kein Erbarmen zu kennen und jeden zu töten, der ihm einmal in die Quere gekommen ist.

Cormac McCarthy erzählt seinen Roman in einer schon fast überbelichteten Nüchternheit und Reduziertheit: „Tiefe Schatten. Stille. Nichts.“ Seine Schock gefrorene Prosa, die voller grandioser Dialoge und intensiver Bilder steckt, schafft eine beklemmende Atmosphäre und eine sich ganz sublim immer weiter steigernde Spannung. Fast schon ehrfürchtig erstarrt wartet der Leser schließlich nur noch darauf, wie weit das mit biblischer Wucht wütende Böse denn noch gehen kann: „Chigurh schoss ihm in die Stirn und blieb dann stehen und sah zu. Sah zu, wie die Kapillargefäße in den Augen platzten. Wie das Licht schwand. Sein eigenes Bild in dieser verkommenen Welt zerfiel.“

McCarthy ist ein Prophet des Niedergangs von Amerika, und Hoffnung bleibt wenig. Sheriff Bell, der sich seine Menschlichkeit und seinen Sinn für Gerechtigkeit erhalten hat, ist ein unwiderrufliches Auslaufmodell. In einer verrückt gewordenen Welt kann er sich nur noch an der bedingungslosen Liebe zu seiner Frau festhalten. Ansonsten Fatalismus: „Was kann man da machen? Nichts kann man da machen. Das ist alles, was man machen kann.“

Karsten Herrmann

Cormac McCarthy: Kein Land für alte Männer. Roman. Aus dem Englischen von Nicolaus Stingl. Rowohlt 2008. 288 Seiten. 19,90 Eur