Geschrieben am 14. März 2004 von für Bücher, Litmag

Dirk Wittenborn: Unter Wilden

Ohne Nachhall

Für einen neuen Fänger im Roggen reicht es bei dem in die Jahre gekommenen Dirk Wittenborn nicht. Sein flott geschriebener Roman über das Erwachsenwerden bleibt ohne Nachhall.

Wir schreiben das Jahr 1978 und der fünfzehnjährige Finn wohnt zusammen mit seiner Mutter in einem heruntergekommenen New Yorker Loft zwischen Lafayette und der Bowery. Während der anderweitig verheiratete Vater von Dirk Wittenborns Ich-Erzähler als berühmter Ethnologe die Yanomani im Amazonas-Regenwald erforscht, verdient seine Mutter Elizabeth ihre Brötchen als Masseurin und lebt ansonsten noch mitten in der Flower-Power-Zeit: „Mit den Drogen war es damals wie mit dem Sex – alle Moms haben 78 welche genommen.“

Vom Underdog zum Snob


Als Finn beim Kokskauf für seine Mutter von den Cops erwischt wird, ändert sich das Leben der Rumpffamilie radikal: Aus dem Moloch New York flüchten sie zu einem von Elizabeths Patienten, dem Milliardär Ogden C. Osborne, in die Wildnis New Jerseys. In Vlyvalle erwartet sie ein Paradies für Reiche und mit ethnologischem Interesse studiert Finn die jeunesse dorée vor Ort, bandelt mit Osbornes Enkelin Maya an und wird zum Protegé des mächtigen Milliardärs. Aus den New Yorker Underdogs werden langsam kleine Snobs und Hochstapler: „… diese Welt, die mich in jemanden verwandelt hatte, der mir noch vor zwei Monaten nicht mal die Uhrzeit gesagt hätte.“
Doch dann bricht plötzlich das Böse in das schöne Märchen ein: Finn wird zusammengeschlagen und vergewaltigt, eine Brandstiftung fordert ein Todesopfer und Finns Freundin Maya verschwindet. Der schöne Schein zerstiebt, Finn wird unbarmherzig aus seinen jugendlichen Träumereien gerissen und muss schließlich konstatieren: „Es ist schon seltsam, sechzehn zu sein und sich nach dem Gefühl zu sehnen, jung zu sein.“

Flott, frech und amüsant


Der 1952 geborene amerikanische Romancier und erfolgreiche Filmdrehbuchautor Dirk Wittenborn erzählt Finns Geschichte – von einigem banalen Ballast und pubertären Redundanzen rund um Sex und Drogen abgesehen – flott, frech und amüsant. Allerdings klingt der Roman für einen Fünfzehnjährigen allzu zynisch-abgeklärt und unverbindlich. Der pubertäre Protest und die verzweifelte Suche nach Liebe und Sinn bleibt ohne den langen, authentischen Nachhall wie ihn beispielsweise Salingers Fänger im Roggen exemplarisch bietet.

Von Karsten Herrmann

Dirk Wittenborn: Unter Wilden. Aus dem Englischen von Hans Wolf. DuMont 2003. 415 Seiten. 22,90 Euro.