Geschrieben am 14. März 2004 von für Bücher, Litmag

Ford Madox Ford: Manche tun es nicht

Zwischen Ehrenkodex und Intrigen

Endlich liegt mit „Manche tun es nicht“ ein Hauptwerk von Ford Madox Ford in deutscher Übersetzung vor und versetzt die Leser auf erstaunlich avancierte Weise in die englische Gesellschaft zu Anfang des letzten Jahrhunderts.

Ford Madox Ford ist einer der wichtigsten Vertreter der englischen Moderne und steht in einer Reihe mit Autoren wie James Joyce, T.S. Elliot, Virginia Woolf oder Joseph Conrad. Rund 30 Romane und unzählige Aufsätze und Rezensionen hat der 1873 in London geborene und 1939 in großer Armut verstorbene Schriftsteller verfasst. Als Herausgeber zweier wichtiger Literaturzeitschriften entdeckte und förderte er Schriftsteller wie Ezra Pound, D.H. Lawrence oder Ernest Hemingway – und dennoch sind deutsche Übersetzungen seiner Werke bisher Mangelware. Mit Manche tun es nicht können die deutschen Leser nun endlich ein Hauptwerk von Ford Madox Ford entdecken und dabei tief in eine englische Gesellschaft eintauchen, die zwischen 1912 und 1917 auf der Kippe zwischen Belle Epoque und historischer Krise steht.

Perfekter englischer Gentleman


Protagonist ist Christopher Tietjens, dessen Klasse seit Generationen die Welt administriert und der immer „Anspruch auf das Beste“ hat. Tietjens ist das Sinnbild eines perfekten englischen Gentleman: Generös, indigniert, mit tadellosen Manieren, enzyklopädisch gebildet und immer eine Spur genialisch: „Zwar hatte er keinen persönlichen Ehrgeiz, aber alles würde sich einmal so für ihn ergeben, wie dies in England eben üblich war.“
Den Gegenpart nimmt seine zynisch-abgeklärte Frau Sylvia ein, die ihren unantastbar scheinenden Gatten abgrundtief hasst: „Ich verstehe mich darauf, diesen Mann zu quälen. Und das werde ich.“ Doch mit stoischem Gleichmut nimmt Christopher Tietjens Sylvias Eskapaden und Demütigungen hin, denn „solche Heimsuchungen sind Gottes Wille“.
Doch dann lernt Tietjens bei einem Landausflug mit seinem schottischen Freund Macmaster die junge Suffragette Valentine Wannop kennen. Sofort fühlen sich diese reinen, altruistischen und idealischen Wesen zueinander hingezogen und eine grandios beschriebene Kutschfahrt durch eine nebelwallende Mittsommernacht besiegelt das Schicksal: „Etwas hat uns zusammengefügt wie eine Schraubzwinge.“

Präzise geschliffene Prosa


Ford Madox Fords Prosa ist von präzise geschliffener Eleganz und schnurrt gleichmäßig und phasenweise wie gemalt dahin. Voller impressionistischer Details entwirft er seine Charaktere und eine englische Gesellschaft, deren Ehrenkodex zwischen Intrigen, Eigennutz und Machtstreben unerbittlich zerrieben wird. Zugleich verblüfft Ford durch seine avancierte Erzählweise, mit der er die chronologisch-lineare Zeitfolge aufhebt und das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven vor- und rückwärts aufrollt.
So nimmt eine der großen Liebesdramen der Weltliteratur seinen verzwickten Lauf und pendelt dabei, wie ein alter Bettler es gegen Ende des Romans formuliert, zwischen zwei Alternativen, mit denen auch zwei Lebens- und Gesellschaftsformen einander gegenüber gestellt werden: „Manche tun es und manche tun es nicht.“

Karsten Herrmann

Ford Madox Ford: Manche tun es nicht. Aus dem Englischen von Joachim Utz. Eichborn 2003. 435 Seiten. 24,90 Euro.