Geschrieben am 29. August 2005 von für Bücher, Litmag

Joey Goebel: Vincent

Ohne Leid kein Preis

Der 25-jährige Amerikaner Joey Goebel debütiert mit einem frechen Angriff auf unsere schöne neue Medienwelt.

Mit sieben Jahren erhält der siebenjährige Vincent von seinem Manager einen wegweisenden Brief: „Du wirst nie glücklich sein […] Dir stehen harte Zeiten bevor, Kleiner. Du bist gewarnt.“

Der hochbegabte und aus einer kaputten Familie stammende Vincent ist das Versuchskaninchen in einem wahnwitzigen Experiment des krebskranken Medienmoguls Foster Lipowitz. Nachdem dieser die Welt in einen sinn- und keimfreien, gnadenlos nivellierten Unterhaltungskosmos verwandelt hat, möchte er die Welt vor seinem Tod noch einmal mit hochwertigen Kulturprodukten beglücken: „Er wollte nichts weniger als Kunst heranzüchten.“

Manipulationen im Namen der Kunst

Für diesen Zweck gründet er die New Renaissance Academy, in der Kinder und Jugendliche frei nach der Devise „Ohne Leid kein Preis“ auf ihr zukünftiges Künstlerdasein vorbereitet werden. Der kleine Vincent wird dabei von seinem Manager Harlan Eiffler begleitet, der alles dafür tut, dass sein Schützling kein Glück erfährt – vom Vergiften des Hundes über das Abfackeln des Mutterhauses bis zum Torpedieren von entstehenden Freundschaften. In Leid und Einsamkeit entwickelt sich Vincent so zu einem überaus erfolgreichen Song-Schreiber und Verfasser von Fernsehserien und Kinofilmen abseits des Mainstream-Kommerzes. Doch dann gerät die perfide Manipulation im Namen der Kunst außer Kontrolle und mündet in einen blutigen Showdown.

Nichts als ein Strohfeuer

Der erst 25-jährige Amerikaner Joey Goebel, der mit fünf Jahren seine ersten Geschichten schrieb und jahrelang als Punkrocker durch den Mittleren Westen tourte, entwickelt seinen Debütroman Vincent aus einer originellen Idee heraus. Flott, frech und diabolisch lässt er die Geschichte von Harlan Eiffler, einem zynischen Trinker mit einem letzten Rest Gewissen, erzählen. Voller Verve nimmt er dabei unsere schöne neue Medienwelt und das rauschende Show-Biz ins Visier.

Nach einem furiosen Start beginnt sich die Geschichte allerdings zunehmend im Kreise zu drehen. Goebel gelingt es nicht, seine Figuren psychologisch überzeugend weiter zu entwickeln und seine Medienkritik geht kaum über weit verbreitete Klischees hinaus. So bleibt der Roman letztlich ebenso wie die attackierte Oberflächenwelt der Medien ein schnell abfackelndes Strohfeuer.

Karsten Herrmann

Joey Goebel: Vincent. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog und Matthias Jendis. Diogenes 2005. Geb. 432 Seiten. 19,90 Euro. ISBN: 3-257-06485-3