Geschrieben am 21. April 2008 von für Bücher, Litmag

José Manuel Prieto: Rex

Aberwitzige literarische Hochstapelei

Der Kubaner José Manuel Prieto wird international als einer der großen Hoffnungen für eine eigenständige und avancierte lateinamerikanische Literatur gehandelt. In seinem neuen Roman Rex versteigt er sich jedoch in literarische Hochstapeleien und verliert den Leser aus dem Blick. Von Karsten Herrmann

Prietos junger Ich-Erzähler „J“ – wie der Autor Kubaner, der lange Jahre in Russland lebte – heuert in Marbella als Hauslehrer bei einer offensichtlich schwerreichen russischen Familie an. Als einziges Lehr- und Lernmittel hat er Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit dabei: „Das Buch eignet sich für jede Art von Unterricht, im Buch ist alles enthalten.“ Mit diesem „Buch der Bücher“ unterrichtet er den 11-jährigen nintendosüchtigen Petja, der zusammen mit seiner Mutter Nelly, dem Hausherrn Wassili und dem geheimnisvoll-düsteren Butler Batyk in einer Villa lebt, „die in Luxus ertrank“.

Schnell keimt in „J“ der Verdacht, dass er in eine kriminelle Geschichte hineingeraten ist. Er findet heraus, dass Wassili und Batyk die russische Mafia mit gefälschten Diamanten über das Ohr gehauen haben und dass die Familie in höchster Gefahr schwebt. Aus Liebe zu Nelly entwickelt „J“ einen haarsträubenden Plan, um sie zu retten: Er lässt sich kurzerhand zum Zaren ausrufen.

Prieto erzählt in Rex mit eigenwilliger Syntax eine Geschichte, die eigentlich keine ist und auch keine sein soll. Denn in einer nicht ganz taufrischen postmodernen Analyse erfährt der Leser: „Alle Geschichten sind nun einmal erzählt, versteh es doch!, alle Notenkombinationen gespielt, jede originäre Melodie. Nichts bleibt mehr, nur das Kommentieren.“ Ganz in diesem Sinne bezeichnet Prieto seine Kapitel auch als Kommentare und nutzt seinen nur mehr oder minder alibihaft vorangetriebenen Plot für kommentierende Verweise, Bezüge und wilde Assoziationen zur Weltliteratur von Homer über Proust bis zu Borges. Alsbald führt den Leser kein Faden mehr durch das literarische Labyrinth und die ins Nichts überschäumenden Phantasmagorien des Autors. Rex entpuppt sich als ein aberwitziges Stück Literatur, das virtuos mit sich selbst spielt und im Grunde auch keine Leser mehr benötigt.

Karsten Herrmann

José Manuel Prieto: Rex. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Suhrkamp, 340 Seiten. 22,80 Euro.