Die neue Generation
Quer durch Amerikas (Seelen-)Landschaften führen uns 19 starke Short Stories einer neuen Generation amerikanischer Schriftsteller.
Mit Jeffrey Eugenides, Jonathan Safran Foer oder David Foster Wallace sind große Namen ebenso dabei wie neu zu entdeckende, z. B. George Saunders, Judy Budnitz oder Amanda Davies. Der Sound der Stories, die in New York, in den einsamen Weiten des mittleren Westens, in heruntergekommenen Vorortgegenden Floridas oder ortlosen „überdachten Einkaufszentren“ spielen, ist von leichter Lethargie und Melancholie gezeichnet. Es scheint etwas unwiderruflich verloren im Leben dieser Generation: die Seele, der Sinn des Ganzen oder doch zumindest ein kleines Stückchen Authentizität in einer von Werbeslogans und millionenfach reproduzierten Bilderwelten entfremdeten Welt. Die Schattenseite der Postmoderne schlägt hier noch einmal voll durch, und David Foster Wallace drückt dieses Lebensgefühl einer in relativer materieller Sicherheit lebenden weißen Mittelschicht so aus: „Die Traurigkeit kommt eher aus dem Bauch. Ich sehe sie in verschiedenen Formen bei mir und meinen Freunden. Sie manifestiert sich als ein Gefühl von Verlorenheit.“
Gefühl der Verlorenheit
Diese Verlorenheit und leichte Traurigkeit ist in vielen Geschichten verschwistert mit der Brüchigkeit von Liebes- und Familienbeziehungen oder dem permanenten Gefühl einer unsichtbaren Bedrohung – z. B. durch den Krebs in Judy Budnitz „Flush“. Thematisch und stilistisch bieten die in „Auf der Suche nach Amerika“ versammelten Stories eine breite Vielfalt auf hohem Niveau. Bei Autoren wie George Saunders, Dave Eggers oder Myla Goldberg schlägt dabei die Lust zum Experiment durch und auch der scheinbare, oft hochsinnliche Realismus vieler anderer Autoren droht immer wieder unvermutet ins Surreale, Albtraumhafte und Groteske zu kippen.
Einen düsteren Ausblick in die Zukunft, der zugleich als Metapher für den rasenden Stillstand der Gegenwart gelten mag, ermöglicht uns Jonathan Lethem: In „Zugangsphantasie“ stecken die Leute in einem gigantischen Stau fest, leben in und auf ihren Autos, warten auf „Fürsorge-Helikopter“ oder „Reklame-Hovercrafts“, schauen sich „Videoapartments“ an und hoffen vergeblich: „In dieser Nacht träumte er wieder von einem Aufbruch, oder war es vielleicht Realität, ein weit entferntes Aufbrausen, das schon erstarb, ehe er noch den Schlaf aus seinen Augen reiben konnte …“
Karsten Herrmann
Marco Cassini und Martina Testa (Hg.): Auf der Suche nach Amerika. 19 Storys von den besten Erzählern einer neuen Generation. Goldmann Manhattan 2004. Taschenbuch. 318 Seiten. 9,95 Euro. ISBN: 3-442-54206-5