Geschrieben am 13. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Mianmian: Lalala

Pop und Poesie aus Fernost

Noch immer stellen wir uns die Chinesen als ein mao-maus-graues und bienenfleißiges Völkchen mit konfuzianischer Prinzipientreue vor – doch dass auch hier der Kapitalismus und mit ihm die Pop- und Subkultur längst Einzug gehalten hat, beweist Mianmian mit ihrem bei chinesischen Jugendlichen schon Kultstatus genießenden Debut „Lalala“. In vier autobiographisch grundierten Erzählungen taucht Mianmian – „ich bin eine Frau der Spontaneität, der Hoffnungslosigkeit und der wilden Begeisterung“ – in die von westlichen Insignien gezeichneten Jugend- und Boheme-Szenen der Millionenstädte Shanghai und Peking ab. Schonungslos schildert sie die Schatten-Welt der Sucht, der Prostitution, der Homosexualität und Verzweiflung: „Der Geruch von Haschisch, ‚Techno, Techno‘, bunte Lichtreflexe in den Haaren, kalte Frauen und warmes Bier“.

Auf der Suche nach Liebe und Zärtlichkeit wird das Leben mit dem selbstzerstörerischen Ennui eines Kurt Cobain so lange in vollen Zügen eingesogen, bis die Träume und Utopien verflogen und nur noch der nächste Schuss Heroin, der nächste Schluck Whisky zählt: „Scheiße, haben wir um der Freiheit willen die Kontrolle verloren, oder ist die Freiheit selbst ein Kontrollverlust?“ Mianmians Stil ist fiebernd, lakonisch und voller rauer Poesie. Für sie, die selber drei Jahre lang das Elend der Heroinabhängigkeit durchlitten hat, bedeutet das Schreiben die Kunst, sich „vom Leben zu befreien“ – wohl auch, indem sie ihre ganze Verletzlichkeit und Verzweiflung in Bilder von geradezu heroischer Melancholie fliessen lässt: „In einer kaputten, Mitleid erregenden Bar saß ich am Tresen wie ein leerer Mond, so leuchtend und einsam.“

Karsten Herrmann

Mianmian: Lalala. KiWi, 181 S., 16.90 DM