Geschrieben am 19. April 2010 von für Bücher, Litmag

Michael Palin: Europareise

Kuriositäten und Kalamitäten im neuen Europa

Michael Palin, Ex-Monty-Python-Mime und BBC TV-Reporter, fuhr durch Osteuropa und neue EU-Mitgliedstaaten und lieferte zur TV-Reportage das Begleitbuch. Leider kommen die Gags aufgeschrieben dann doch meistens recht platt daher, hat Peter Münder festgestellt.

Seit zwanzig Jahren ist Michael Palin, 66, dieser milde ehemalige Monty-Python-Mime, nun schon als Weltreisender für die BBC als Top-Quotenbringer im Einsatz: Auf den Spuren von Jules Verne tourte er in achtzig Tagen um die Welt, die Schauplätze bekannter Hemingway-Romane inspizierte er in Spanien und Afrika, er besuchte junge Tigerstaaten am Pazifik und von Pol zu Pol war er ebenfalls unterwegs. Nach seinen ausgestrahlten Reisereportagen machten sich Tausende reisefreudiger Briten auf den Weg, um die exotischen Palin-Highlights selbst zu inspizieren. Hongkong und den Hindukusch kannte er besser als europäische Regionen, stellte der Globetrotter nach der jüngsten EU-Erweiterung fest – ein schöner Anlass, endlich auch Länder wie Bulgarien, Rumänien oder Polen zu besuchen, die früher fast unerreichbar hinter dem Eisernen Vorhang lagen.

Palin zog es bei seinem europäischen Entdeckungstrip aber auch nach Albanien, Makedonien, Moldawien, Kroatien und Istanbul, nach Kaliningrad, Estland, Lettland und Litauen. Sogar in den Spreewald und nach Bitterfeld wagt er sich zum Abschluss dieser Rundreise. Zwanzig Staaten hat er in 123 Tagen durchquert – kann bei diesem Durchlauferhitzer-Speed mehr dabei herauskommen als ein flüchtiger Eindruck?

Michael Palin ist ja weder Geograph noch Politikwissenschaftler, sondern Schauspieler (unsterblich als Ritter der Kokosnuß und brillanter Stotterer Ken in Ein Fisch namens Wanda) – wenn man dies im Hinterkopf behält, wird man auch verstehen, weshalb hier nicht fundierte Analysen oder Alltagsschicksale im Mittelpunkt stehen, sondern meistens so grotesk-exotische Szenarien wie eine Blutegel-Therapie in Tallin, ein Schafsopfer in Albanien oder das Gehopse einer bulgarischen Tanz-Bruderschaft.

Offenbar will er ein möglichst buntes europäisches Potpourri zeigen, das vom Brüsseler Bürokratenmoloch noch nicht zu einem grauen Einheitsbrei zusammengerührt wurde. So rauscht der Entertainer also im alten VW-Schwimmwagen in Budapest durch die Donau, lässt sich Blutegel zur „Bluterneuerung“ anlegen oder er pilgert mit einer bulgarischen Sekte in entlegene Bergregionen, wo man sich dann paneurhythmisch herumtänzelnd auf die freigesetzten spirituellen Energiebündel konzentriert. Dabei triumphierte jedoch nur die Erkenntnis dieses Europa-Entdeckers, dass die vegetarische bulgarische Universelle Weiße Bruderschaft „doch nichts für einen fleischfressenden, dem Wein zusprechenden TV-Unterhalter ist“.

Schrille und vordergründige Effekte

Für den beliebten Mimen, der ja eruieren wollte, wie sich Europa definiert, ist das Ergebnis dieser Tour offenbar ein gigantisches, schrilles Kuriositätenkabinett. Während der abschließenden kleinen „German Tour“ besichtigt er im Flachkahn die üblichen Spreewald-Highlights inklusive Gurkengenuss, dann geht es in die Porzellan-Hochburg Meißen, wo sich profunde Einsichten in die Teutonen-Mentalität ergeben.

Palin besichtigt nämlich eine Fabrik für Sanitärkeramik („seltsamerweise steht darüber kaum etwas in meinem Reiseführer“), in der jährlich 400 000 Kloschüsseln produziert werden, die wegen ihrer flachen Böden von den komischen Deutschen „Flachspüler“ genannt werden – was steckt hinter dieser kuriosen Vorliebe für so ein Modell, das sich ja vom britischen Hochspüler fundamental unterscheidet? „Man kann sein Geschäft besser unter die Lupe nehmen, wenn man Groß gemacht hat“, erklärt ihm die Führerin durch diese weiße Porzellanwelt.

Palin liefert uns mit seinem Buch zwar nicht gerade ein „flachgespültes“ Europa, aber meistens geht es dem TV-Mimen eben doch nur um vordergründige, komische Effekte, die im Bild gut rüberkommen. Im Begleitbuch zur TV-Serie wirken diese Impressionen aus dem Kuriositätenkabinett aber meistens nur schrill und, na ja, ziemlich flach.

Peter Münder

Michael Palin: Europareise. Wie ein Engländer einen alten Kontinent neu entdeckt (New Europe, 2008).
Übersetzt von Ulrike Frey.
Malik Verlag 2009. 400 Seiten. 43 Farbfotos und Karten. 22,95 Euro

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