Durch den Fleischwolf gedreht
– Michael Stavarics schrieb einen Roman über Fleisch. Herausgekommen ist Brei. Von Andreas Pittler.
Michael Stavaric zählt schon seit geraumer Zeit zu den absoluten Modeautoren. Und das anfangs durchaus zu Recht. Er arbeitete sich von kleinen, nahe am Selbstzahler angesiedelten Verlagen hoch zu den österreichischen Platzhirschen, wo 2006 der Roman „Stillborn“ erschien, eines der wenigen Werke des Autors, das eine 2. Auflage erlebte. 2007 kam „Terminifera“ auf den Markt, auch dies ein durchaus gefälliges Stück Literatur. Seitdem ist er aus der österreichischen Literatur nicht mehr wegzudenken. Wie viele seiner KollegInnen hat Stavaric den berühmten „Migrationshintergrund“, und das liebt das Feuilleton.
Kein Wunder also, dass Stavaric bald mehr Preise hatte als veröffentlichte Bücher, und wie bei seinen vergleichbaren KollegInnen (man denke an Terezia Mora, Ilija Trojanow, Julya Rabinowich) gibt es kaum noch eine Auszeichnung, die Stavaric nicht erhalten hätte – der Eintrag über Stavaric auf der „Wikipedia“ zählt nicht weniger als 24 Honneurs, die der Mann aus Mähren bislang zuerkannt bekam.
Aber genau darin scheint mir Stavarics Problem zu liegen. Wer mit 42 Lenzen bereits dermaßen mit Ehrungen und Würdigungen überhäuft wurde, der muss zwangsläufig satt werden. Übersatt! Und genau so liest sich auch sein neuer Roman. Behäbig, überkandidelt und, jawohl, fade.
Schwache Story, quälend zäh erzählt
Die „Story“ von „Königreich der Schatten“ ist schnell erzählt. Zwei Personen, eine Rosi aus Wien und ein Danny aus New York, entwickeln, familiengeschichtlich bedingt, eine merkwürdige Vorliebe für das Fleischerhandwerk. Die Rosi zieht das in Leipzig auch durch, weshalb wir gut 100 Seiten lang die diversesten „Geheimnisse“ des Metzgerhandwerks bis zum Abwinken serviert bekommen. Und es bedarf keiner großen Geistesgaben, um zu ahnen, dass die Geschichten von Rosi und Danny zusammengeführt werden. Leider in quälend breiiger Langsamkeit, sodass die schließlich doch unerwartete Schlusspointe den Roman auch nicht mehr retten kann.
Man mag den Autor dieser Zeilen altmodisch nennen, aber für ihn ist das Um und Auf eines Romans immer noch die gute Geschichte, die erzählt werden will. Und die geht hier in schier endlosen Emanationen mehr und mehr verloren. Man will gar nicht mehr wissen, wie die diversen Enden der Erzählung zusammenhängen, weil man schon buchstäblich von all den Stelzen und Schlögeln, die Stavaric mit nahezu manischer Hingabe vor dem Leser ausbreitet, erschlagen wurde. Gerade in einer Saison, in der Mora und Trojanow bewiesen haben, wie man hervorragende Werke produziert, vermanscht Stavaric alle möglicherweise guten Ideen in seinem Fleischwolf, und heraus kommt eine unappetitliche Masse, die zwar kein Zuviel an Cholesterin, aber definitiv ein Zuviel an Langeweile aufweist.
Dem Vernehmen nach soll Stavaric ein hervorragender Kinderbuchautor sein. Wenn ihm nichts Besseres einfällt als „Königreich der Schatten“, dann sollte er sich künftig auf diese Disziplin konzentrieren.
Andreas Pittler
Michael Stavaric: Königreich der Schatten. C.H. Beck, München 2013. 254 Seiten. 19, 95 Euro.