Blühende Landschaften
Monika Maron findet nach knapp dreißig Jahren wieder den Weg nach Bitterfeld. Statt eines Himmels voller Flugasche entdeckt und lobt sie dort nun die blühenden Landschaften. Jörg von Bilavsky hat die Reportage gelesen.
Die „Bitterfelder seien nicht mehr gut auf sie sprechen“, hat ihr jemand einmal erzählt. Weil sie mit ihrem Debütroman „Flugasche“ zum schlechten Ruf der Region beigetragen habe. Doch das Image des berüchtigsten Chemiekombinats der DDR hätte man 1981 längst nicht mehr aufpolieren können. Deswegen tat Monika Maron gut daran, zumindest ein paar Wahrheiten über die damals „schmutzigste Stadt Europas“ unter das Volk zu bringen. Jetzt, wo sich rund um Bitterfeld zahlreiche Firmen mit sauberen Zukunftstechnologien angesiedelt haben und man wieder frei atmen kann, sucht sie nach neuen Wahrheiten.
Ihre gut 170 Seiten starke Reportage liest sich weniger wie eine Wiedergutmachung an den Einwohnern von Bitterfeld, das sich landschaftlich und wirtschaftlich wieder weitgehend erholt hat. Denn zu rechtfertigen hat sie sich für Flugasche bestimmt nicht. Ihr neues Buch ist auf weiten Strecken vielmehr eine mit Empathie und Sympathie geschriebene Firmengeschichte für den weltweit größten Solarzellenproduzenten Q-Sells. Wobei Monika Maron nicht nur der Idealismus und das Beharrungsvermögen ihrer westdeutschen Gründer oder die komplizierte Technik faszinieren, sondern vor allem die Lebensgeschichten der Ostdeutschen, die an diesem Aufstieg partizipieren konnten. Und zwar, weil sie sich mit der Region gewandelt und nicht darauf verlassen haben, dass neue Arbeitgeber aus dem Westen die alten Anlagen einfach aufrüsteten und sie wieder einstellten.
Nationalpreis für Monika Maron
Aus gutem Grund hat sie neben Erich Loest und Uwe Tellkamp für dieses Buch den Nationalpreis erhalten, der all diejenigen ehrt, „die sich um die Vereinigung Deutschlands und das Zusammenwachsen Deutschlands in Europa … verdient gemacht haben“. Sie will mit ihrem neuen Bitterfeld-Porträt nämlich auch anderen Regionen in Ostdeutschland Mut machen und mit den von ihr gewählten Beispielen zur erfolgreichen Veränderung animieren. Den Unkenrufen eines Günter Grass zur Deutschen Einheit kann sie nichts abgewinnen. Ganz im Gegenteil. Sie greift ihn und seinen damaligen Vorschlag „einer konföderierten DDR“ sogar scharf an. Sie zweifelt zu Recht an diesem unter deutschen Intellektuellen so beliebten Staatskonstrukt und seiner wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit. Allerdings ist auch fraglich, ob Helmut Kohl diese Landschaft nur nicht hat untergehen lassen, weil er aus einer ähnlichen Gegend stammt. Den „Architekt der deutschen Einheit“ trieb sicher nicht allein Mitgefühl, sondern vielmehr der Machtwille an.
Vielleicht sieht sie die jetzige Entwicklung Bitterfelds und ihrer erfolgreichen Bürger auch zu positiv und übersieht dabei die Befindlichkeiten der weniger erfolgreichen Bitterfelder. Die Letzten finden sich vermutlich auch in diesem mit den melancholischen Fotografien ihres Sohnes „geschmückten“ Buches nicht wieder. Doch den Mutlosen ist nicht geholfen, wenn der Resignation und Verzweifelung das Wort geredet wird. Bleibt also zu hoffen, dass ihr „Bericht“ weitere „umweltfreundliche“ Investoren und zahlungskräftige Touristen in die Region lockt. Das schafft neue Arbeitsplätze und vertreibt im besten Falle den Unmut der jetzt noch Verzagten.
Jörg von Bilavsky
Monika Maron: Bitterfelder Bogen. Ein Bericht. Mit Fotos von Jonas Maron.
Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 2009. 173 Seiten. 18,95 Euro