Geschrieben am 23. Mai 2012 von für Bücher, Litmag

Neue Bücher über Männer und Frauen von Roy F. Baumeister, Caitlin Moran und Edelgard Abenstein

Männer, Frauen und die Lösung

–In diesem Frühjahr/Sommer kommt man nicht drum herum, über die Geschlechterfrage  nachzudenken, zumindest dann nicht, wenn man ab und zu eine Buchhandlung aufsucht. Die Regale sind voll mit Neuerscheinungen zum Themenkomplex Männer und Frauen und die Probleme, die sie mit- und ohne einander haben. Im Männersektor hat sich Ralf Bönt mit „Das entehrte Geschlecht“ durch waschlappige Larmoyanz besonders hervorgetan, bei den Frauen sorgt unsere Familienministerin Kristina „Püppi“ Schröder mit ihrem unverhohlenen Antifeminismus gleichermaßen für Befremden und Heiterkeit. Christina Mohr zeigt, dass es auch anders geht.

Der amerikanische Psychologie-Professor Roy F. Baumeister ist zurzeit mit „Die Macht der Disziplin“ (Campus Verlag) auf der Bestsellerliste, vor kurzem erschien außerdem seine 2010 in den USA veröffentlichte Studie „Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut? Wie Kulturen davon profitieren Männer auszubeuten“. Darin geht Baumeister unter anderem der Frage nach, ob es tatsächlich eine jahrtausendealte Verschwörung von Männern gibt, die Frauen unterdrücken wollen. Die Beantwortung ist denkbar einfach: nein.

Wie sollte man sich eine solche Verschwörung auch vorstellen? Bärtige Gandalfs aus aller HERREN Länder treffen sich alle zweihundert Jahre, um sich neue Schikanen für Frauen auszudenken – vom Gebären ohne ärztliche Hilfe über Schnürkorsett und High Heels? Baumeister führt allerlei wissenschaftliche Untersuchungen an, um diese Erkenntnis zu dokumentieren und sinniert über die so radikalfeministisch-provokante wie neobiologistische Frage, ob Männer nicht generell verzichtbar seien. Männer machen nur Ärger (Krieg, Stierkampf, Autorennen), Frauen dagegen kommen vor lauter Kinderkriegen nicht zum Erfinden, Gestalten und Entdecken und fristen ihr Dasein als frustrierte Herdhüterinnen. Also: weg mit den Männern, abgesehen von ein paar eingefrorenen Spermien, die zur Erhaltung einer friedfertigen und fröhlichen Weibergesellschaft nötig sind.

Diese Idee ist quatschig und obsolet, Baumeisters Buch zum Großteil auch. Denn trotz aller vorgeschützten Wissenschaftlichkeit steckt Baumeisters Argumentation bzw. Belegesammlung, weshalb Männer natürlich nicht verzichtbar sind, zu oft in uralten Geschlechterrollen fest und reproduziert vorgestrige Vorurteile: Frauen sind sozialer, weil sie SCHON IMMER für den Zusammenhalt der Gemeinschaft verantwortlich waren. Männer sind mutiger und erfindungsreicher, weil sie SCHON IMMER gejagt und gebosselt haben. Daraus ergibt sich: Frauen sind im sozialen Umfeld am glücklichsten und erfolgreichsten, Männer in der harten, rauen Welt der Wirtschaft/des Militärs/der Technik.

Stellenweise schrappt Baumeister nur haarscharf an der Frauenfeindlichkeit eines Martin van Creveld („Das bevorzugte Geschlecht“) vorbei, versteckt diese Haltung aber hinter einer professoralen Opahaftigkeit, die ihn jenseits von Gut und Böse erscheinen lässt. Seinen Ratschlag am Ende, dass Männer und Frauen sich nicht bekämpfen, sondern einander dankbar sein sollten, hätte auch meine Oma geben können.

Roy F. Baumeister: Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut? Wie Kulturen davon profitieren, Männer auszubeuten (Is There Anything Good About Men? How Cultures Flourish by Exploiting Men, 2010). Übersetzt von Jürgen Neubauer. Huber Verlag 2012. Gebunden. 302 Seiten. 24,95 Euro.
Roy F. Baumeister ist Professor für Psychologie an der Florida State University. Er hat über 400 wissenschaftliche Beiträge und Bücher veröffentlicht und zählt zu den meist zitierten Psychologen weltweit.

Das derzeit wichtigste Buch übers Frausein im 21. Jahrhundert

Von Büchern, die als „frech“ beworben werden oder denen „schräger Humor“ bescheinigt wird, sollte man generell Abstand halten. Für Caitlin Morans „Manifest“, „How To Be A Woman: Wie ich lernte, eine Frau zu sein“, gilt das allerdings nicht, es sei denn, man verabscheut eine derbe Ausdrucksweise, wie Moran sie pflegt. Die ehemalige Melody Maker-Journalistin und heutige gefeierte Kolumnistin wurde 1975 als erstes von acht Kindern in eine Arbeiterfamilie geboren, ihre Jugend in Wolverhampton war von Entbehrungen und Peinlichkeiten geprägt, die sie in ihrem Buch schonungslos ausbreitet. Ist man zu Beginn von den langwierigen Ausführungen über die Frage, wie man seine Brüste (Bonnie und Clyde?) nennen sollte, ein ganz kleines Bisschen genervt, ist man Caitlin, die eigentlich Catherine heißt, spätestens ab Seite 79 total verfallen: dort erklärt sie, dass sie eine Fotze (cunt) hat und keine „La-La“, „Tinky“ oder „Po“. Ab Seite 79 ist keineswegs schluss mit lustig, ganz im Gegenteil, aber jetzt ist klar, worum es geht.

Caitlin Moran redet so dermaßen Klartext um die ganze komische, amorphe, widersprüchliche Frauensache, dass einem die Ohren schlackern, aber, Ladies, sie hat recht und zwar fast immer. Sie befiehlt uns, auf einen Stuhl zu steigen und „ich bin eine militante Feministin!“ zu sagen. Das ist notwendig und befreiend. Ich habe den Begriff „Manifest“ wohlweislich in Anführungszeichen gesetzt, weil „How To Be A Woman“ genau das nicht ist: ein neues feministisches Manifest. Aber dafür eine saftige, hunderttausendprozentig authentische Autobiografie einer britischen Frau. In Your Face. Mit allen Paradoxien.

Moran schont weder sich noch ihre Leserinnen, wenn sie beschreibt, wie eine Geburt tatsächlich abläuft. Und wie man sich danach, wenn Mutter, Vater, Kind diese Naturkatastrophe überlebt haben, als Frau „mit Rieseneiern“ fühlt, weil einem jetzt nichts mehr irgendwas anhaben kann – dass Moran an dieser Stelle ein wenig in Mutterschafts-Glückseligkeitskitsch abdriftet, sei ihr verziehen. Denn ein paar Seiten weiter nimmt sie die Leser mit zum Binge-Drinking mit Lady Gaga in einen Berliner Pornoclub. Apropos Porno: Moran wünscht sich Pornos als etwas, das „Leute gerne tun“ und nicht als eine Verrichtung, die „Frauen tun müssen, um ihre Miete zu bezahlen.“ Treffender und menschenfreundlicher hat wohl noch niemand das Pornothema auf den Punkt gebracht.

In den knapp 400 Seiten ihres Buchs widmet sich Moran Themen wie Abtreibung, Schönheitsoperationen, Enthaarung ja oder nein, Mode, Sex mit Prominenten, Stripclubs, Hochzeit oder weibliche Vorbilder in Musik und Literatur mit jeweils derselben Inbrunst und Gewichtung. Klar, Caitlin ist geschwätzig und verliert sich zuweilen in unwichtigen Details. Manchmal ist man der x-ten Story über alkoholinduzierten Gedächtnisverlust ein wenig überdrüssig. Und dennoch: „How To Be A Woman“ ist das längst fällige und derzeit wichtigste Buch übers Frausein im 21. Jahrhundert. Dank Caitlin stelle ich mich hier und jetzt auf einen Küchenstuhl und brülle mit einem Glas Chardonnay in der Hand: ICH BIN EINE MILITANTE FEMINISTIN UND RASIERE MEINE ACHSELN NICHT!

Caitlin Moran:  How to be a Woman: Wie ich lernte, eine Frau zu sein (How To Be a Woman, 2011).Aus dem Englischen von Susanne Reinker. Ullstein Verlag 2012. 384 Seiten. 16,99 Euro. Zur Webseite des Buches.

Mehr als ein Coffeetablebook für Salonfeministinnen

Bei Caitlin Moran spielt die beste Freundin eine etwas untergeordnete Rolle, weil ihre rein zahlenmäßig beeindruckende Familie ihr diese wichtige Gefährtin in Gestalt einer jüngeren Schwester gleich mitlieferte. Funny van Dannen bedauerte in seinem Song „Freundinnen“ sehr schlüssig und nachvollziehbar, dass er leider niemals jemandes beste Freundin sein könne. Das ist in der Tat schade (für ihn), denn jede Frau kennt die Momente, in denen sie als 12-, 22- oder 42-jährige mit ihrer Freundin (bei Caitlin Moran ist es Schwester Cal) auf ein bestimmtes Codewort in stundenlanges, hysterisches Gegacker oder in Tränen ausbricht.

Die beste Freundin kann, nein, sie muss ehrlich sagen, wie man im hautengen roten Kleid aussieht, ob man mit dem neuen Nachbarn ausgehen oder den angebotenen Job annehmen soll. Beste Freundinnen sehen sich manchmal jahrelang nicht, andere wiederum treffen sich jeden Tag.

Die Journalistin Edelgard Abenstein stellt in ihrem Buch „Wir sind einfach unzertrennlich“ zwölf berühmte Literatinnen, Modeschöpferinnen, Malerinnen, Politikerinnen, Schauspielerinnen und Philosophinnen und ihre besten Freundinnen vor. Sie erzählt von Seelenverwandtschaft und Streitereien, Emotionalität und geistiger Befruchtung, Eifersucht und inniger Vertrautheit: Susan Sontag und Annie Leibowitz, Katherine Mansfield und Ida Baker, Rahel Varnhagen und Pauline Wiesel, Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, Coco Chanel und Misia Sert – keine dieser Beziehungen ist gänzlich ungetrübt und dennoch lebenswichtig, den involvierten männlichen (Ehe-) Partnern häufig ein Dorn im Auge.

Abensteins Bild- und Geschichtenband ist mehr als ein Coffeetablebook für Salonfeministinnen, sondern der kulturhistorische Beleg für das große Glück, eine echte beste Freundin zu haben.

Edelgard Abenstein: Wir sind einfach unzertrennlich: Berühmte Frauen und ihre beste Freundin. Knesebeck Verlag 2012. 128 Seiten. 24,95 Euro.
Edelgard Abenstein studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie. Sie arbeitet als freie Journalistin mit Schwerpunkt Literatur-, Kunst- und Kulturgeschichte. Bei Knesebeck erschien bereits ihr erfolgreicher Titel „Frauen, die gefährlich leben“. Edelgard Abenstein lebt und arbeitet in Berlin.

Christina Mohr

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