Geschrieben am 28. Januar 2007 von für Bücher, Litmag

Nicolás Gómez Dávila: Das Leben ist die Guillotine der Wahrheiten

Einblicke in den „Schweinestall“

Nicolás Gómez Dávila bietet in seinen Aphorismen vielfache Anregungen unser modernes Leben einmal radikal gegen den Strich zu bürsten.

Zu seinen Lebzeiten blieb der Kolumbianer Nicolás Gómez Dávila fast ein Unbekannter, obwohl er ein literarisch-philosophisches Werk von mehreren tausend Seiten hinterließ. Erst nach seinem Tod im Jahre 1994 entwickelte sich der Autodidakt, der eine Bibliothek von 30.000 Bänden zusammen trug und sein Leben ganz dem Lesen und Schreiben widmete, zu einer Art Geheimtipp und wird schon als würdiger Nachfolger Schopenhauers und Nietzsches gehandelt. Provokante Einblicke in den geistigen Kosmos eines erklärten Reaktionärs, Katholiken und Anti-Demokraten geben jetzt die in der „Anderen Bibliothek“ des Eichborn-Verlags erschienenen „Ausgewählten Sprengsätze“.

Die moderne Welt ist für Dávila ein „Schweinestall, in dessen Morast der Mensch von heute sich fröhlich wälzt.“ Mit aristokratischer Attitüde geißelt er in unzähligen Variationen den verderblichen Einfluss einer modernen Massendemokratie und eines auf das Ökonomische reduzierten Lebens. So sei die alltäglichste Art des Selbstmords in unsere Zeit die, „sich eine Kugel durch die Seele zu schießen.“ Sein Fazit: „Wer der gegenwärtigen Welt nicht den Rücken kehrt, entehrt sich.“

Doch nur im Notfall bedient Dávila sich in seinen Reflektionen über Geschichte, Religion, Philosophie oder Ästhetik des polemischen Holzhammers. Seine eigentliche Stärke liegt vielmehr in der analytischen Beobachtung und im Denken der Bedeutungsvielfalt und der feinen Differenz, denn: „Verallgemeinerungen erweitern unsere Macht und verarmen unseren Geist.“

Dávila erweist sich in diesen „Ausgewählten Sprengsätzen“ als ein ganz und gar Unzeitgemäßer, der sich von den vorherrschenden und oftmals eindimensionalen Diskursen und Überzeugungen unserer Zeit nicht beeindrucken lässt. Auch wenn seine Aphorismen doch nur selten an die stilistische Brillanz und unmittelbare Erleuchtungskraft seiner großen Vorgänger Schopenhauer und Nietzsche heranreichen, bietet er vielfache Anregungen unser modernes Leben einmal radikal gegen den Strich zu bürsten. Er ist ein Reaktionär im besten Sinne des Wortes und dies bedeutet für ihn selber auch zu „verstehen, dass der Mensch ein Problem ist, für den es keine Lösung gibt“.

Karsten Herrmann

Nicolás Gómez Dávila: Das Leben ist die Guillotine der Wahrheiten. Eichborn-Verlag, 420 Seiten. 28,50 Euro.