Geschrieben am 13. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Norbert Kron: Autopilot

Die Leere hinter den Bildern

Michael Lindberg ist der posthumane Prototyp für das 21. Jahrhundert: Er ist Inhaber einer erfolgreichen Produktionsfirma am Hackeschen Markt in Berlin und hat sein Leben dank eines konsequenten Selbst-Managements fest im Griff. Vorbei sind die Utopien und Sinn-Debatten der 68er, entgegen Adornos Diktum geht es nun ganz genau darum „das richtige Leben im falschen“ zu führen: „Ich-Technologie, die Welt ist ein Bausatz, spielen wir Playmobil.“

Michael Lindberg ist der Protagonist von Norbert Krons Debut-Roman „Autopilot“. Lakonisch und mit einer feinen ironischen Grundierung führt uns der 1965 in München geborene und heute in Berlin lebende Autor einen neuen Menschentypus vor Augen: Ein charismatischer und von keinen Zweifeln geplagter Medien-Mensch, der die Welt im Nietzscheanischen Sinne als reines Phänomen begreift, das frei zu interpretieren und so auch zu verändern ist. Ein scheinbar geschichtsloser Mensch der Tat, der forsch „das Steuer übernimmt, wenn alles schon zu spät scheint“.

Doch der Prototyp des neuen Menschen ist (zum Glück) noch nicht ganz ausgereift – denn unter seiner spiegelglatten Oberfläche dehnt sich das Sinn-Vakuum ungehemmt aus. Dieses muss Michael Lindberg erfahren, als ihm – im Zeitalter der technischen Machbarkeit und der potenziellen menschlichen Reproduktion – seine definitive Unfruchtbarkeit attestiert wird. Nun gelingt es ihm nicht mehr, leichter Hand die Unternehmensziele neu zu definieren, die seine eigene „Corporate Identity“ betreffen und er schlittert in eine ausgeprägte Sinn-Krise: „Handlungsstop. Willens-Abszenz. Ich stand neben mir. Ein Mann der auf Autopilot geschaltet wird.“

Michael Lindberg verlässt seine Freundin Bea und beschließt, sein gerade mit Riesenerfolg platziertes Talk-Show-Format „Talk der Täter“ für einen existentiellen Show Down zu nutzen und spektakulär hinter den Bildern hervorzutreten: „Es ging darum, zu sich selbst zu kommen – eine höhere Bezugsebene des Seins herzustellen.“

Norbert Kron führt uns auf ebenso überzeugende wie fesselnde Weise in die Welt der medialen Oberflächen und zeigt, wozu ein Mensch getrieben werden kann, der hinter dem Schein zunehmend verzweifelt nach Wahrhaftigkeit und Sinn sucht. Zwar gerät dabei zwischenzeitlich die psychologische Stimmigkeit etwas ins Schleudern und droht einem Knalleffekt á la Bret Easton Ellis geopfert zu werden – doch auf der letzten Etappe kriegt Norbert Kron doch wieder elegant die Kurve und führt den Leser zu einem überraschenden und doch nicht ganz hoffnungslosen Schlusspunkt.

Karsten Herrmann

Norbert Kron: Autopilot. Hanser, 260 S., 19,90 Euro, ISBN 3-446-20132-7