Geschrieben am 13. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Norman Ohler: Stadt des Goldes

Am Rande des Abgrunds

Ponte City gilt als das inoffizielle Wahrzeichen der Stadt Johannesburg: Der runde, von einer riesigen Coca Cola-Reklame gekrönte Wohnturm ist 54 Stockwerke hoch und innen ausgehöhlt wie ein fauler Zahn. Nach dem Ende der Apartheid hat sich Ponte City vom hochmodernen Wohntraum zu einem berüchtigten Schreckensbabylon gewandelt, in dem die Gewalt und das Verbrechen gären.

Ponte City steht im Mittelpunkt des neuen Romans von Norman Ohler, mit dem er seine beeindruckende Metropolen-Trilogie abschließt. Von New York über Berlin schwenkt sein bei „Geo“ und „Spiegel“ geübter journalistischer Blick nun in das urbane Zentrum Südafrikas nach dem Ende der Apartheid: „Der Kampf zwischen den Rassen war zwar offiziell beendet, doch herrschte in Wirklichkeit noch immer Ausnahmezustand.“

In einer mit avancierten Zitat- und Montagetechniken durchsetzen Prosa von kristalliner Härte und Kühle erzählt Norman Ohler in der „Stadt des Goldes“ eine Geschichte der Gewalt und der Hoffnung. Sie beginnt 1992, als die achtzehnjährige Lucy aus einem der Townships nach „Joburg“ kommt, um hier ihr Glück zu machen. Nach einer kurzen Romanze mit dem deutschen Journalisten Roman Kraner verliebt sie sich in den nigerianischen Dealer Umshlanga, der in Ponte City residiert. Er setzt sie als „Antilope“, als Drogen-Kurierin in die USA ein. Prompt wird sie verhaftet und es beginnt eine fünfjährige Leidenstour durch amerikanische Knäste und psychiatrische Anstalten.

Nach ihrer Haft kehrt Lucy völlig verändert nach Joburg zurück und trifft dort Roman wieder. Sie mieten sich in einem Penthouse in Ponte City ein und Lucy versucht ihr ausstehendes Honorar von Umshangla einzutreiben – doch dessen Herz ist nur noch ein „böser Muskel – das ist keine Halle für die Liebe mehr.“ Im Hochhaus-Labyrinth beginnt eine kafkaeske Odyssee und ein albtraumhafter Kampf um das Glück – bis es auf dem Dach von Ponte City zum spannenden und wie auf Zelluloid gebannten Show Down kommt.

Norman Ohler lässt die ungeheuren Gegensätze Südafrika in der „Stadt des Goldes“ vehement aufeinander prallen. Immer dichter und zwingender wird dabei die Atmosphäre, in der sich Gewalt, Hoffnung und Liebe hochenergetisch entladen. Am Rande des Abgrunds steigt die Fieberkurve unaufhaltsam und die Realität offenbart hier ihren nicht nur tragischen, sondern auch ihren durch und durch surrealen Charakter.

Karsten Herrmann

Norman Ohler: Stadt des Goldes. Rowohlt paperback, 254 S., 13 Euro. ISBN 3-499-22727-4