Weimarer Pop
Wenn ein 22jähriger Debutant einen Berlin-Roman vorlegt, der schnell in die dritte Auflage geht und von den Großmeistern der Literaturkritik besprochen wird, dann riecht das verdächtig nach einem aktuellen popkulturellen Phänomen. Doch das dieses kein Markenzeichen allein unserer Zeit ist, zeigt das bereits 1930 erstmals erschienene „Fertig mit Berlin?“ von Peter de Mendelssohn – einen Autoren, den viele wohl eher noch als großen Zeitungsmann und als Thomas-Biograph denn als Schriftsteller kennen. Der jetzt im kleinen Elfenbein-Verlag neu aufgelegte Metropolen-Roman erzählt die Geschichte einer späten Jugend und gibt Einblick in das rast- und ruhelose Lebensgefühl der ersten Nachkriegsgeneration.
De Mendelssohns Protagonist Oswald Laengfeldt kommt 1925 von einem Internat bei München in das brodelnde Berlin, um in der Feuilletonredaktion einer „großen Zeitung“ anzufangen. Es ist das Berlin der brandaktuellen Früh- und Spätausgaben, der Lichtreklamen, Trams und der verräucherten Cafés. Die Jazzkappellen spielen das „Lied vom Blumenmädchen Valencia“, in den Kinos laufen Greta Garbo-Filme und im Theater werden Stücke von Frank Wedekind gespielt. Oswald stürzt sich in das Metropolenleben und zerreibt sich in einer „Reihe der hingelebten Nächte zwischen Papier und Blei und Setzerei“. Aus der Redaktion geht es ins „Romanische Café“ oder zu „Schwannecke“, dem „Versammlungslokal der Berliner Börse für Kunst, Theater, Literatur und verwandte Betriebe“. Hier redet man sich bei Unmengen Kaffee die Köpfe heiß, stellt große Freundschaften auf die Probe, verstrickt sich in schwierige Liebesaffären und gibt seine letzten Groschen aus. Die Tage vergehen in einer „beispiellosen Unordnung“ und am Ende steht „tödlichste Übermüdung, letzte Erschöpfung, Ausgeleertsein bis auf den letzten Rest“.
Peter de Mendelssohns Berlin-Roman erkundet die verzwickte Seelen- und Lebenslage einer Generation, die orientierungslos zwischen den Zeiten steht und neue Wege zu erkunden sucht. Doch letztlich ist „Fertig mit Berlin?“ eher spannendes Zeitdokument denn große Literatur – denn in ihrer Mischung aus fieberndem Telegrammstil, (hohlem) Pathos und gestelzten Sentenzen wirkt de Mendelssohns Prosa leicht unsausgegoren und auch die Handlung trägt mit ihren Brüchen und Leerstellen nur mühsam über die volle Distanz.
Karsten Herrmann
Peter de Mendelssohn: Fertig mit Berlin? Elfenbein-Verlag, 343 S., 19 Euro. ISBN: 3-932245-50-4