Geschrieben am 15. November 2004 von für Bücher, Litmag

R.W.B. McCormack: Back Home – Wiedersehen mit Amerika

Eine ethnologische Satire

Was, fragt man sich, kann einen Wissenschaftler, der sich intensiv mit den Gebräuchen der bayrischen Ureinwohner beschäftigt hat – „Tief in Bayern. Eine Ethnographie“ – überhaupt noch schrecken? Die Antwort ist, na klar: Amerika!

Der „große Ethnologe“ (Klappentext) R.W.B. McCormack ist eine schillernde Figur: Geboren in Texas, Studium absolviert in Harvard und Heidelberg, Experte auf dem Gebiet der Verwandtschaftsbeziehungen kenyattischer Nomaden und des Schamanismus in polyethnischen Kulturen. Er war Professor für Ethnolinguistik an der Simon Suggs Universität und lebt auf Guam und in München (vermutlich gleichzeitig). Diverse Studien über die deutsche Volksseele (Unter Deutschen. Portrait eines rätselhaften Volkes) stärkten seinen ohnehin hervorragenden Ruf. McCormack ist Träger der Alan-Sokal-Medaille für wissenschaftlichen Ernst, und er ist ein Konstrukt. Neuste Enthüllungen beweisen: R.W.B. McCormack ist das Pseudonym des Münchner Amerikanisten Gert Raeithel. Raeithel, bekannt durch seine dreibändige, tiefgründige Psychohistorie der Nordamerikanischen Kultur, scheint die Figur McCormack zu benutzen, um sich einmal leichtfüßig-satirisch, abseits des ernsthaften Wissenschaftsdiskurses seinem Fachgebiet zu nähern.

Unbegrenzte Unvorstellbarkeiten

Doch „Back Home“ funktioniert auch ohne das Wissen um diese ironische Brechung. Ein weitgereister Ethnologe kommt nach langen Feld-Forschungsjahren zurück nach Hause, doch sein Geburtsland ist ihm fremd geworden. Mit doppelt distanziertem Blick, als Wissenschaftler und entfremdeter Heimkehrer, betrachtet McCormack die Absurditäten und unbegrenzten Unvorstellbarkeiten des amerikanischen Alltagsirrsinns. Er reist quer durch die USA, durch 33 kleine und größere Städte. Und jeder Ort erzählt eine Geschichte. Aus Austin, Minnesota etwa stammt das Frühstücksfleisch Spam. Es gibt ein Spam-Museum und darin Slammin’ Spammy, ein bombenwerfendes Schwein aus dem zweiten Weltkrieg. Einmal im Jahr findet das Spam Jamboree statt, ein Fest rund ums Würzfleisch, samt Dichterwettstreit. Mitmachen darf jeder, einzige Bedingung: Spam muss im Text vorkommen: „Mary had a little lamb/But Mary wanted a can of Spam“. Früher, in politisch unkorrekteren Zeiten, gab’s außerdem noch den Spam Sculpture Contest, aus dem Büchseninhalt wurden allerlei Figuren geformt, ein Hase, eine treppab steigende Nackte oder – natürlich – ein Schwein.

In Salem, Massachusetts, dem Ort der Hexenverbrennungen während der Puritanerzeit, beobachtet McCormack, wie die ganze Stadt ihre traurige Vergangenheit vermarktet. In fünf Witch Supply Stores gibt es jede Menge magische Artikel und rituelle Gerätschaften. Und die Polizeiautos fahren mit Hexenemblemen durch die Straßen. Huntsville, Texas dagegen lebt von seiner Gegenwart. Es ist Amerikas capital punishment capital, hier finden ein Drittel aller Exekutionen statt. 450 Menschen warten derzeit im Todestrakt auf ihre Hinrichtung. Das Fremdenverkehrsbüro bietet eine Prison Driving Tour an, im Gefängnismuseum steht der legendäre Old Sparky, ein elektrischer Stuhl, der nach 361 Einsätzen stillgelegt wurde. „’Der Todeskampf dauert rund sieben Minuten’ sagt der Wärter im Ruhestand, ‚die Substanzen kosten 86 Dollar’“. In den Restaurants von Huntsville gibt es „letale Drinks“ und den extrascharfen „Killerburger“. Wer möchte kann eine Baseballmütze oder ein T-Shirt mit der Aufschrift Texas Death Row mit nach Hause nehmen.

Faktenreich, aber nie überladen

McCormack besucht Denham Springs, Louisiana, die Hochburg des Ku-Klux-Klan, Potomac Gardens, D.C., eines der ärmsten Viertel des gesamten Kontinents, erklärt, warum es in Utah einfacher ist, eine zweite Ehefrau zu bekommen, als einen doppelten Whiskey und wie Johnny Knoxville, Tennessee auf die Idee zu seiner Jackass-Show gekommen ist: “Ich war um die 15 Jahre alt, als ich einmal auf der Couch ein Schläfchen machte. Mein Vater holte einen Hot Dog, machte ihn zehn Sekunden lang warm, während ich schlief, und zog ihn mir durch den Mund, und als ich aufwachte, tat er so, als würde er sich gerade den Hosenlatz zuziehen.“

McCormacks satirische Notizen sind faktenreich, aber nie überladen, die einzelnen Kapitel selten länger als vier Seiten. Er liefert keine tiefgründigen Analysen sondern wirft kurze, fast beiläufige Spotlights auf die grotesken Blüten des American Way of Life. Und immer wieder gelingen ihm Bonmots wie dieser: „Ein besonders gehässiger Mensch hat einmal gesagt, besäße er die Hölle und Texas, würde er Texas vermieten und in der Hölle leben.“

Lesen Sie dieses Buch und Sie werden wieder wissen, warum Sie schon immer mal nach Amerika wollten – oder eben: warum nicht.

Jan Karsten

R.W.B. McCormack: Back Home – Wiedersehen mit Amerika.
dtv Taschenbuch 2004. 159 Seiten, 8,50 Euro.