Geschrieben am 26. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Rick Moody: Ein amerikanisches Wochenende

Vom Wahnsinn der Normalität

Von Seite zu Seite und bis an den Rand des Erträglichen verdichtet Rick Moody in „Ein amerikanisches Wochenende“
eine lähmende und morbide Familienatmosphäre.

Hex Raitliffe ist ein typischer Versager: ein stotterndes Muttersöhnchen voller Komplexe, ohne Erfolg im Beruf, halbwegs impotent und latent alkoholabhängig. Plötzlich wird er von seiner schwerkranken und hilflosen Mutter aus New York in die trostlose Normalität eines Kaffs an der Küste von Connecticut zurückgerufen. Für Hex ist es auch eine Rückkehr in die alte Heimat: „Die Vergangenheit verdichtet sich um ihn … seine Mutter, die ihn an der Hand hielt war schön und blond und ihre Lippen waren kräftig geschminkt“.

Im Gegensatz zu diesen Erinnerungen beschreibt Rick Moody radikal, ja sogar brutal den Verfall von Hex Mutter  – da läuft der Sabber aus dem Mund, der Urin in die und aus der Windel, da stinkt es aus monströsen Hautfalten, da setzt die Sprache und der Geist aus. In einem kalten medizinischen Jargon reihen sich endlos „Gesichtfeldausfälle, Bewegungstörungen, Schluckbeschwerden, Taubheit und andere zeitweilige Dysfunktionen“ aneinander. Es entwickeln sich groteske Szenen, welche dem Leser das Lachen auf den Lippen erfrieren lassen.

Von Seite zu Seite und bis an den Rand des Erträglichen verdichtet Rick Moody in „Ein amerikanisches Wochenende“„ eine lähmende und morbide Familienatmosphäre. Schließlich fordert die über jedes menschliche Maß gedemütigte Mutter von ihrem Sohn, dass er es in naher Zukunft“ übernimmt, ihr „Leben zu beenden“.

Ab diesem Punkt nimmt die Story nun langsam Fahrt auf, die Ereignisse geraten in einen Taumel und überschlagen sich. Tiefe Risse ziehen sich durch den Wahnsinn der Normalität und erst jetzt kommt zu ersten menschlichen Annäherungen und Gefühlen. Gegen Ende gesteht der reichlich mitgenommene Hex sich sogar zögernd zu, „das Undenkbare zu denken“ – doch schon vor dem bizarren Show -down mit Tranquilizern und Antidepressiva, mit Plastiktüte und Sportgewehr muss er hilflos resümieren: „man versucht zu helfen und macht alles nur noch schlimmer“.

Karsten Herrmann

Rick Moody: Ein amerikanisches Wochenende. Piper. 408 Seiten.