„Wie sieht DIE denn aus?“
– Das Buch „Power Dressing“ vom britischen Modejournalisten Robb Young über den Kleidungsstil von Politikerinnen und First Ladies ist in vielerlei Hinsicht eine lohnende Anschaffung. Zuallererst kann man dank hunderter Vollfarb-Abbildungen die eigenen Klatsch- und Tratschbedürfnisse befriedigen („Wie sieht DIE denn aus?“, „Diese Farben kann sie unmöglich tragen“), daneben versorgt Young die geneigte Leserin mit profunden Porträts über women that matter, die Mode, Politik und Zeitgeschichte in noch nie dagewesener Weise verbinden.
Young rekurriert auf den von John T. Molloy in den späten 1970’er Jahren geprägten Begriff des „Power Dressing“: Molloy veröffentlichte Bücher wie „Dress for Success“, in denen er die Wirkung von Kleidung auf beruflichen Erfolg erklärt. In den 1980’ern erlebte das „Power Dressing“ in Form von gigantischen Schulterpolstern, breiten Revers, High Heels und „Big Hair“ (stellt euch die Darstellerinnen aus „Denver Clan“ vor) seine volle Blüte. Designer wie Giorgio Armani mit ihren eleganten, aber auch überdimensionierten Schnitten stehen repräsentativ für diese Zeit.
Modische Kapitalfehler und Nachhilfeunterricht in Politik
Damals wie heute bewegen sich Politik-ProtagonistInnen in punkto Kleidung auf ungleich heiklerem Boden als ihre männlichen Kollegen, für die fast weltweit – von einigen traditionell geprägten Ländern wie dem arabischen Raum oder Afrika einmal abgesehen – einzig der klassische Anzug, bestehend aus dunkler Hose und Jackett „erlaubt“ ist. Diese Beschränkung schützt aber auch vor Fehlgriffen. Politikerinnen dagegen „dürfen“ in Farben und Schnitten schwelgen, sich mit Accessoires aller Art schmücken, ihre Frisur nach Lust und Laune wechseln (unbedingt lesen: das Kapitel über Hillary Clinton und den inzwischen feststehenden Begriff „Clinton Hair“) – und sich vor den Augen der Welt blamieren, während sie todernste, gewichtige Themen vor den Vereinten Nationen verhandeln.
Robb Young ist kein InTouch-Reporter: er weidet sich nicht (wie man selbst, ähem) an modischen Kapitalfehlern, er zeigt anhand vieler Fotos und seinem modehistorischen Wissen, welche Politikerin oder First Lady einen Stil vertritt, der dem Blick von Millionen Menschen standhält und welche Dame sich besser nicht nur beim Redenschreiben beraten lassen sollte. Da Young sich nicht nur auf schillernde Politpromis wie Angela Merkel, Condoleezza Rice, Madeleine Albright, Carla Bruni oder Yulia Tymoshenko verlässt, sondern auch zahlreiche hierzulande relativ unbekannte Politikerinnen z.B. aus Asien und Osteuropa vorstellt, bekommt man mit „Power Dressing“ ganz nebenbei sogar Nachhilfeunterricht in internationaler Politik.
Christina Mohr
Robb Young: Power Dressing. First Ladies, Woman Politicians and Fashion. London: Merrell Holberton Publishers 2011. 192 Seiten. 20,70 Euro. Zur Homepage von Robb Young geht’s hier.