Zukunftsvisionen
– Kaum erschien Thomas Schulz‘ Buch über Google, änderte der Konzern seinen Schriftzug, und weil vermutlich nicht wenige von uns jeden Tag diesen Schriftzug vor Augen haben, wirkt das Cover schon ein wenig überholt. Was auch inhaltlich leicht passieren kann bei einem solchen Thema, gerade wenn der Titel vermittelt, es ging um die Zukunft. Und Zukunft ist ja immer so eine Sache. Von Zoë Beck.
Was Schulz mit seinem Buch allerdings wirklich versucht (um den Titel zu bemühen), ist zunächst Google zu erklären, weil er findet: „Wer die Zukunft verstehen will, muss Google verstehen.“ Er führt die Lesenden zurück zur Firmengründung durch Larry Page, erklärt, wie Google aufgebaut ist, wie es sich entwickelte, was Google bisher erreicht hat und woran der Konzern aktuell arbeitet. (Begleitend zum Buch gibt es übrigens auch in der ZDF-Mediathek abrufbar eine gleichnamige filmische Dokumentation.)
Diese ausführliche Vorstellung des Konzerns ist vor allem für diejenigen interessant, die Google bislang nur als Suchmaschine kannten und immer mal wieder davon hörten, wie „böse“ der Konzern sei. Stichwort Datenkrake, usw., inklusive der düsteren Visionen, wie sie sich zum Beispiel in Dave Eggers‘ Roman „Der Circle“ finden. Schulz spricht das alles an, argumentiert immer wieder dagegen, entwickelt sich streckenweise zum Fanboy – einerseits schön, diese positive und optimistische Stimme inmitten der Bedrohungs- und Weltuntergangsszenarien zu haben, die sagt: Wenn wir die Technologien richtig nutzen und ausbauen, wird die Welt für uns alle besser.
Andererseits gibt Schulz dadurch den Konzernkritikern genau das Futter, das sie brauchen, indem er einige Punkte, zum Beispiel den in Deutschland umstrittenen Datenschutz, zwar thematisiert, aber doch etwas dünn durchdekliniert. Die unversöhnlichen Lager, die sich da gegenüberstehen, wird er so nicht zusammenbringen. Auch der Blick in die Zukunft ist – ausgehend vom Buchtitel – eher unspannend, die Prognosen sind zurückhaltend, aber so ist es nun mal mit der Zukunft: viele Fragezeichen, wenig Sicheres. Schulz bezeichnet Google als das „vielleicht spannendste Langzeitexperiment der Welt“, gerade in Bezug darauf, wie die Kreativität, die Bereitschaft, Neues zu erfinden, von dem Konzern bei seinen Mitarbeiter*innen gefördert wird. Larry Page – ein Sozialromantiker?, fragt er, und liefert die Antwort gleich in Form einer Gegenfrage, aus der sein gesamtes Buch im Grunde besteht: Was soll falsch daran sein, wenn jemand versucht, das Leben, die Welt einfacher für alle zu machen?
Hier vermisst man die philosophische und soziologische Unterfütterung, die es bräuchte, um genau diesen Gap zwischen Google-Hassern und Google-Fans zu schließen: dass und wie sich die Welt nämlich durch die Digitalisierung längst unumkehrbar verändert hat, dass Datensicherheit und Datenkontrolle – egal, von welcher Seite aus gesprochen – längst eine Illusion ist (und zwar nicht erst seit Google), mit der wir alle lernen müssen umzugehen.
Trotzdem: Thomas Schulz will vor allem die Angst nehmen und die Absichten hinter Google erklären. Deshalb ein sicherlich spannendes und interessantes Buch für alle, die sich dem Thema ohne eben diese Angst nähern wollen.
Zoë Beck
Thomas Schulz: Was Google wirklich will: Wie der einflussreichste Konzern der Welt unsere Zukunft verändert. DVA / Spiegel Buchverlag, 2015. 335 Seiten. 19,99 Euro.