Geschrieben am 13. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Soti Triantafillou: Der unterirdische Himmel

Vergeblicher Ausbruch

Eigentlich verlangt Bill Morrow ja gar nicht viel vom Leben: „Er wollte die Welt sehen, viele Bierchen trinken, viele Lucky Strikes rauchen und viele hübsche Körper streicheln.“ Aber auch diese bescheidenen Wünsche liegen für den jungen Sohn griechischer Einwohner in weiter Ferne: Wie von einem klebrigen grauen Kokon ist Bill Morrows Leben in dem Provinzstädtchen South Bend von Langeweile und Hoffnungslosigkeit eingesponnen. Hier, in der Heimat des legendären Studebakers, gibt es nur Autos und noch mal Autos und hin und wieder einen sehnsüchtig klagenden Song von Chet Baker oder Wes Montgomery.

Die griechische Schriftstellerin Soti Triantafillou verbindet in „Der unterirdische Himmel“ einen jugendlichen Entwicklungsroman mit einer kleinen Kulturgeschichte Amerikas von den 50ern bis zum Ende des Jahrhunderts – und zwar aus der Perspektive griechischer Einwanderer der ersten und zweiten Generation samt den dazugehörigen Generationenkonflikten. Locker streut sie hier auch quasi-dokumentarische Passagen und Fotos über Städte und kulturelle Phänomene des mittleren Westens ein – sei es der Studebaker, seien es hochgetunte „Hot Rods“ oder auch Schriftsteller wie Ross Lockridge .

Nach dem Abschluss der Highschool beginnt Bill Morrow – wie könnte es in South Bend anders sein – eine Lehre als KFZ-Mechaniker und verliebt sich in Lucie. Als sein rebellischer und auf die schiefe Bahn geratener Jugendfreund Tony umkommt, ist auch für Bill endlich der Zeitpunkt des Ausbruchs gekommen: Mit seinem aufgemotzten „Hot Rod“ macht er sich zusammen mit Lucia und deren apathischen Hund Drooby auf den Weg gen Westen – durch Schneestürme gelangen sie über Memphis und Texas in den grünenden Frühling. Doch der romantische Traum der Freiheit zerbricht schon auf der legendären Route 66: Immer tiefer verstricken Bill und Lucie sich in Geldschwierigkeiten und schließlich wird eine Grenze überschritten, hinter der es kein zurück mehr gibt.

Soti Triantafillous Road-Novel ist über weite Strecken von einer geradezu bedrückenden Monotonie und Melancholie bestimmt. Nur hin und wieder blitzen aus dem wabernden Grau des Alltags kurze Hoffnungsschimmer und kraftvolle Bilder auf, um dann alsbald wieder im ausweglosen, zähen Fluss der Dinge zu verschwinden – und auch am Horizont lockt kein Happy End mehr.

Karsten Herrmann

Soti Triantafillou: Der unterirdische Himmel. Zsolnay, 301 S., 39,90 DM. ISBN: 3-552-05175-9