Im dunklen Herzen der Macht
Stefan Beuses Prosa strahlt eine luzide Leichtigkeit aus, in der dennoch das Abgründige mitschwingt und so eine dichte, mit hochpoetischen Bildern aufgeladene Atmosphäre evoziert
Krimis boomen hierzulande: Schon längst sind sie dabei der Schmuddel- und Trivialecke entwachsen und dringen vehement in die heiligen Sphären der hohen Literatur ein. Immer mehr ambitionierte deutschsprachige Autoren – von Georg Klein über Michael Merschmeier und Veit Heinichen bis zu Martin Suter – benutzen den Krimi-Plot als ideales Vehikel um Hochspannung, Psychologie und Poesie zu vereinigen. Zu ihnen gesellt sich mit „Die Nacht der Könige“ nun auch höchst eindrucksvoll Stefan Beuse, der seit seinem Kurzgeschichtenband „Wir schießen Gummibänder zu den Sternen“ und seinem Debut-Roman „Kometen“ als hoffnungsvoller deutscher Nachwuchsautor gilt.
Beuses Protagonist Jakob Winter bekommt den Auftrag, für einen Klimaanlagen-Hersteller eine Werbekampagne zu entwickeln. Schon beim ersten Treffen löst Doktor Korff, der Direktor der Firma, bei ihm einen geradezu körperlichen Widerwillen aus und lässt aus dem Unterbewusstsein dunkle Erinnerungen aufsteigen: „Von allen Seiten flogen Schatten auf ihn zu, Bilder, die ihn umkreisten wie Raubvögel.“ Zugleich fühlt der Creative-Director, dessen Frau mit Kind zur Erholung am Meer weilt, sich geradezu magnetisch zu Korffs geheimnisvoll-ätherischen Assistentin hingezogen und stürzt sich in eine wilde amour fou.
Fast zeitgleich bekommt Jakob Winter ein Video mit satanischen Ritualen und eine Tarot-Karte mit einem Mond-Motiv zugespielt – es beginnt ein böser, zuweilen an David Lynchs magisch-düstere Bilderwelten erinnernder Trip, in dem er zum Spielball in einem ausgeklügelten und von unsichtbarer Hand gesteuerten Master-Plan wird. Alle Ereignisse scheinen ihren Ursprung in einem verdrängten Motivations-Seminar für Manager zu haben. Hier wurden die Teilnehmer im perfekten choreographischen Wechsel von Momenten der Euphorie und Augenblicken absoluter Demütigung mit Aleister Crowleys dunkel-darwinistischer Ideologie infiltriert: „Wölfe seid ihr, geboren, um zu siegen, zu siegen und zu herrschen.“
Stefan Beuses Prosa strahlt eine luzide Leichtigkeit aus, in der dennoch das Abgründige mitschwingt und so eine dichte, mit hochpoetischen Bildern aufgeladene Atmosphäre evoziert. Stück für Stück baut er eine psychologische Hochspannung auf, lässt die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit, zwischen Vertrauen und Verrat verschwimmen und führt uns mitten in das dunkle Herz eines entfesselten Willens zur Macht.
Textauszug:
„Er befand sich in einer Straße, in der er noch nie gewesen war, eine Seitenstraße mit Häusern rechts und links, von denen sich die Farbe abschälte wie alte Haut. Etwas Seltsames ging von diesen Häusern aus, sie waren wie die Erinnerung an etwas, das einst Teil von ihm gewesen war und ihn jetzt befremdete […]“
Karsten Herrmann
Stefan Beuse: Die Nacht der Könige. Piper-Verlag, 212 S., 17,90 Euro. ISBN 3492044131