Geschrieben am 28. April 2008 von für Bücher, Litmag

Stefan Wimmer: Der König von Mexiko

Charismatischer Chaot

Stefan Wimmer schreibt süffisante Episoden aus dem Leben des Tunichtguts Ingo Falkenhorst. Wer sich bei dieser Lektüre nicht amüsiert, ist entweder strenger Antialkoholiker oder radikale Feministin.

Nein, das würde ihm ganz und gar nicht gefallen. Das jüngst erlassene Rauchverbot in Mexiko Citys Cantinas. Ingo Falkenhorst würde seine Tequilas im „Tiburcia“ oder im „Centenario“ nie ohne Glimmstängel runterkippen. Lieber nähme er die für besonders hartnäckige Qualmer angedrohte Strafe von 36 Stunden Gefängnis in Kauf. Das wäre allemal erträglicher, als das, was er während seiner Trips in der mexikanischen Metropole sonst so erlebt. Zumindest wie das, was der Münchener Kulturredakteur Stefan Wimmer über den promovierenden Germanistikstudenten und Gelegenheitsjournalisten nunmehr in seinem zweiten „Roman“ zu berichten weiß.

Falkenhorsts Lebenslinie ähnelt nämlich mehr den gewundenen Schienensträngen einer Achterbahn als dem geradlinigen Verlauf einer akademischen Karriere. Die mit geklauten Blanko-Gutachten erschwindelten Stipendiengelder haut er regelmäßig für alle nur erdenklichen Drogen sofort wieder auf den Kopf. Über Gegenwart und Zukunft macht er sich nur Gedanken, wenn in seiner Kasse Ebbe herrscht. Und das ist nach vielen durchzechten Tagen und Nächten oft und schnell der Fall. Um seine Kasse wieder zu fluten, angelt er sich mehr zufällig als gezielt eine Tochter aus reichem mexikanischen Hause. Doch das hübsche Mädchen mit schlankem und bleichem Gesicht entpuppt sich kurz darauf als sternbildgläubige Esoterikerin mit einer Vorliebe für unbequeme Kamasutra-Positionen und pomadige Heiratsschwindler. In der Liebe hat er denn auch ebenso wenig Glück wie in seinem Job als freier Auslandskorrespondent. Die Story über Serienmorde an der US-mexikanischen Grenze setzt er genauso in den Sand wie die ihm in Deutschland überraschend angetragene „Karriere“ als Redakteur eines Münchener „Busenmagazins“. Biographische Ähnlichkeiten mit dem lebenden Autor sind natürlich rein zufällig.

Schwarzer Humor, treffende Vergleiche

Keine Frage: Der einst für diverse Radiostationen aus Mexiko berichtende und danach für diverse Männermagazine schreibende Autor schöpft wohl aus privaten Erfahrungen. Wie weit sich seine eigenen Erlebnisse mit denen seines Antihelden Falkenhorst decken, ist eigentlich unwichtig. Entscheidend ist nur, dass Wimmer alles aus eigener Anschauung kennt und als Schriftsteller seinem Vorbild Chandler alle Ehre macht, indem er jede Situation, jede Stimmung in ebenso aberwitzige wie treffende Vergleiche zu bringen versteht. Freilich besitzt Wimmers Tunichtgut nicht die Spur von Marlowes Coolness und Abgebrühtheit. Aber darauf ist seine Kunstfigur auch gar nicht angelegt. Ganz im Gegenteil.

Falkenhorst ist ein charismatischer und chancenloser Chaot, der von einem Fettnäpfchen ins andere tritt und dabei keine wirklich ernsthaften Blessuren davonträgt. Dabei ist es ganz egal, ob er gegen einen intriganten Textchef mit breitestem Pfälzer Dialekt oder eine liebestolle Layoutchefin ankämpfen muss, die er aus Angst vor ihrem Lover abgewiesen hat. Falkenhorst kommt trotzdem immer wieder auf seine wackeligen Beine, die von einem schwarzen Humor gestützt werden, der auf jeder Seite hell hervorscheint und die Lektüre so amüsant macht.

Große Literatur darf man in Wimmers launigen Episoden nicht erwarten, wohl aber großartige Unterhaltung mit einer gehörigen Portion Sprachwitz und alternativer Lebensweisheit.

Jörg von Bilavsky

Stefan Wimmer: Der König von Mexiko. Eichborn Berlin. 320 Seiten. 19,95 Euro.