Geschrieben am 14. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Tristan Egolf: Ich & Louise

Literarischer Amokläufer

Zur Jahrtausendwende fegte Tristan Egolf mit seinem Debütroman „Monument für John Kaltenbrunner“ wie ein Hurrikan über die internationale Literaturlandschaft und sorgte mit seiner Schreibwucht für ungläubiges Staunen. Und auch in seinem zweiten Roman „Ich & Louise“ gibt der 1971 in Pennsylvania geborene Autor wieder ungebremst Vollgas und hetzt von einem Inferno zum nächsten.

Tristan Egolf erzählt die Geschichte von Charlie Evans, dem „Viet-Man“, dem „Produkt eines schwarzen GI und (wie es hieß) einer kambodschanischen Prostituierten“. Der Geigenvirtuose hat gerade seinen Job verloren und will eigentlich nichts als raus aus seiner Heimatstadt Philz-Town. Stattdessen findet er sich als Vorgruppe auf einem „VOLSTAGG“-Gig wieder, zu dem tausende von „Todesrockern“ und „Lederhexen“ aus einem Zeitloch wieder aufgetaucht sind, um sich dem satanischen Heavy-Metal mit „Limburger Aroma“ hinzugeben.

Nach diesem Schrecken nistet sich Charlie in der heruntergekommenen Pension Desmon ein, in der sich ein skurriles Ensemble von Gescheiterten und Outsidern versammelt hat. Mit seinem Anarcho-Freund Tinsel geht er als „Abschaumschläger“ auf die lukrative Rattenjagd in der Kanalisation von Philz-Town und zieht mit ihm bei klirrender Eiseskälte volltrunken um die Häuserblocks.

Tristan Egolfs Prosa jagt in kurzen, harten und expressiv aufgeladenen Sätzen dahin. Seine Protagonisten verkörpern „pure adrenalisierte Rage und Verwirrung“. Allerorten sorgen sie, die weit weg vom amerikanischen Traum in trotziger Verzweiflung leben, in unvorstellbarem Ausmaße für Bambule, Randale und Massaker.

Auch als Charlie nach einem Koma in die Augen der französischen Super-Traumfrau Louise blickt, beginnt nicht etwa eine Liebesgeschichte mit Happy End, sondern der – immer mit anarchischem Witz unterlegte – Terror nimmt in Edelrestaurants und auf Filmsets seinen unwiderstehlichen Lauf „Welcome to the terror dome“!

„Ich & Louise“ ist ein ungebändigtes, wildes Stück Literatur, das sich wenig um stilistische Finessen, psychologische Tiefe und ausgeklügelte Handlungsstränge schert – es ist purer Punk, der jedoch trotz aller scheinbaren Unbekümmertheit allzu leicht zur in sich kreiselnden Pose werden kann. Beim nächsten Mal sollte Tristan Egolf sich daher zu neuen literarischen Ufern aufmachen!

Karsten Herrmann

Tristan Egolf: Ich & Louise. Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Suhrkamp Verlag 2003. Gebunden. 240 Seiten. 22,90 Euro. ISBN 3-518-41428-3