Geschrieben am 29. November 2017 von für Bücher, Litmag

Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex

despentes_subutexDüsteres Gesellschafts-Kaleidoskop

Virginie Despentes wurde in Deutschland Anfang des Jahrtausends durch ihr Debut „Fick mich“ schlagartig bekannt und widmet sich seitdem immer wieder den Rand- und Subkulturexistenzen unserer Gesellschaft und schmückt das mit reichlich Sex, Gewalt und Drogen aus. In ihrem neuen Roman erzählt die bekennende Feministin vom Leben und insbesondere vom unaufhaltsamen Abstieg des Vernon Subutex.

Ein Vierteljahrhundert betrieb Subutex in Paris einen Plattenladen mit Kultstatus, bevor er dann Pleite machte. Nach langer Arbeitslosigkeit wird ihm schließlich die Stütze gestrichen und er fliegt aus seiner Wohnung: „Im Angesicht der Katastrophe hielt sich Vernon an seinen Grundsatz: so tun, als ob nichts wäre.“ Mit einer Notlüge quartiert er sich jeweils für ein paar Tage bei alten Freunden und Freundinnen ein – bei solchen, die noch nicht gestorben sind wie der berühmte Alex Bleach oder die sich noch nicht für Ehe, Karriere oder das Landleben entschieden haben. Da ist beispielsweise der islamophobe und antisemitische Xavier, der „schon immer ein rechter Sack war“ und sich im Supermarkt in Gewalt- und Amokphantasien ergeht, da ist die aufdringliche Sylvia, die ihn mit aller Gewalt festhalten will oder die Transsexuelle Marcia, mit der er eine wilde Affäre beginnt. Doch bald muss der sympathisch-coole Rock’n’Roller Subutex nicht nur feststellen, dass er aus der Zeit, sondern aus allen Gesellschaftsstrukturen gefallen ist und er fortan auf der Straße leben muss – zwischen anderen Obdachlosen, Junkies, Flüchtlingen und den Banden der „Génération identitaire“, die „alles zerstören [werden]“.

Mit dem gewohnten Mix aus Sex, Rock’n’Roll, Gewalt und Drogen sowie einer lässig-rotzigen Prosa zeichnet Virginie Despentes in kaleidoskopischen Szenen ein düsteres Bild der französischen Gesellschaft – einer Gesellschaft, in der nur noch die kleinen Egoismen und der schnelle Spaß zählen, einer Gesellschaft, die scheinbar nichts mehr zusammen hält und die vom grassierenden Geist der Rechten und Identitären eingenommen zu werden droht.

Karsten Herrmann

Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. Kiepenheuer & Witsch 2017. 400 Seiten. 18,99 Euro

Tags :