Erstmals
seit dem Zweiten Weltkrieg billigere Lebensmittel", ließ die österreichische
Bundesregierung nach dem EU-Beitritt großflächig affichieren: Das war 1995
und im Grunde genommen nur ein weiterer Beleg dafür, welche Rolle man der
Landwirtschaft in der industrialisierten Gesellschaft zugedacht hatte,
nämlich: die effiziente, marktgerechte Billigproduktion.
Dazwischen haben sich viele Bilder angesammelt: von
verlassenen Hofstellen und "verwilderten" Landschaften, von kaputten Böden
und endlosen Getreidefeldern, von gequälten Hühnern und dahintorkelnden
Rindern. – Diese Bilder "drängen". Sie sind es, die ein Umdenken notwendig
machen: der Konsumenten, der Politiker, der Bauern selbst; denn
offensichtlich ist die industrielle, rein auf Kostenminimierung bedachte
Landwirtschaft mindestens so zerstörerisch wie nützlich.
Alles
hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert: Die Produktivität der
Landwirtschaft ist enorm. Lebensmittel sind so günstig wie nie zuvor. (Die
Aufwendungen für Lebensmittel inkl. der antialkoholischen Getränke machen
mittlerweile nur noch 13,2 % der Haushaltsausgaben aus. Quelle: Statistik
Austria) Der Mangel an Nahrung ist kein Thema mehr. Nicht hier, nicht heute.
Anderes ist in den öffentlichen Blickpunkt geraten: die Überschussproduktion
etwa, oder die Einkommensbildung und -verteilung innerhalb der
Landwirtschaft. Natürlich die ökologischen Probleme. Allmählich beginnt man
zudem zu begreifen, dass "der Untergang des Bauerntums" (Hobsbawm) nicht
bloß einen Verlust von dezentralen Arbeitsplätzen bedeutet, sondern auch
eine gravierende "kulturelle" Umwälzung: Gefährdet sind dabei weniger die so
genannte Volksmusik, Lederhosen und Dirndlkleider – sie erfreuen sich
ungebrochener Popularität, sondern von der Landwirtschaft geschaffene
"Kulturlandschaften" bzw. mit der Landwirtschaft in Verbindung stehende
"Kulturtechniken" wie die Buttererzeugung oder die Wollverarbeitung.
Es ist mittlerweile absehbar, dass eine sich selbst bzw. rein dem Markt
überlassene Landwirtschaft nicht die gewünschten Produktionsformen und
-einheiten entstehen lässt: Die ökonomische "Selbstregulation" führt zur
Billig- und Nischenerzeugung, zur intensiven Nutzung der Gunstlagen und
schließlich "Ent-Agrarisierung" der so genannten strukturschwachen Regionen,
kurzum: zur weitgehenden "Ent-Bäuerlichung" des Landes. Nun wird die
Landwirtschaft öffentlich geregelt und gefördert wie kaum ein anderer
Wirtschaftssektor: Umso bedauerlicher ist es, dass die Einzelstaaten bzw.
die Staatengemeinschaften den Untergang des Bauerntums durch ihre
Subventionsspraktiken häufig noch beschleunigt haben, wie Hermann Priebe in
seinem bis heute aktuellen Buch "Die subventionierte Unvernunft" (1985) am
Beispiel der EU (EG) darlegt.
Wir
sind in Österreich noch immer in der glücklichen Lage, den Dingen eine
andere Wendung geben zu können: (Die Bergbauernprogramme oder das
ÖPUL-Programm sind als erste Schritte in die richtige Richtung zu werten.)
Noch sind die Bauern nicht abgewandert, wie in den süd- und südwestalpinen
Entsiedelungsgebieten, noch ist die Industrialisierung der Landwirtschaft
nicht so weit vorangeschritten wie in den Kanalregionen, noch wird der
Großteil des Landes flächendeckend und sorgsam bewirtschaftet, kurz: Noch
sind die meisten "negativen Utopien" hier nicht Wirklichkeit geworden.
Vielleicht bleiben sie uns erspart, wenn wir zwei Dinge bedenken:
- Landwirtschaft ist nicht "standardisierbar", d.h.
die Produktion erfolgt unter sehr unterschiedlichen Bedingungen, was
Betriebsgröße, Klima, Gelände, Standort etc. betrifft. Gewisse
Produktionseinheiten sind demnach von vornherein nicht "konkurrenzfähig".
- Die landwirtschaftliche
Arbeit ist Arbeit mit der Natur, mit dem "Lebendigen". Die Tiere, der Boden,
der Wald: Das sind keine toten Materialien, denen man nach Belieben seine
eigenen Regeln aufzwingen kann.
Beides,
das Bewusstsein der Unterschiede als auch das "Gefühl für die Natur"
scheinen mir die Voraussetzung für eine zukunftsfähige Landwirtschaft
einerseits und für eine bäuerliche Zukunft andererseits zu sein.
Wenn
die Rede auf die Landwirtschaft kommt, dann drängen sich aber nicht bloß
ökonomische, ökologische oder kulturelle Fragestellungen auf, sondern eben
auch solche nach Wert, Sinn und Stellenwert dieser Tätigkeit. Vor allem
junge Leute fragen sich: "Was gibt das Bauer/Bäurin-Sein?" Und: "Warum heute
noch Bauer/Bäurin werden?" Vielleicht war die "Begründung" der bäuerlichen
Existenz einmal einfacher. Möglich ist sie nach wie vor
...
Die in diesem Schwerpunkt des Aurora-Magazins
gesammelten Beiträge fokussieren nicht bloß die Mängel der Landwirtschaft:
Sie widmen sich ganz gezielt auch der "Fülle" des bäuerlichen Da-Seins.
Daneben sollen sie die wesentlichen Bedingungen der Landwirtschaft bewusst
machen und gangbare Perspektiven für eine bäuerliche Zukunft aufzeigen.
Hermann Maier
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Textbeiträgen!
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