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Landwirtschaft wohin?

Perspektiven für eine bäuerliche Zukunft

Frühling/Sommer 2001

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(c) Tiroler Bauernzeitung

 

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   Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg billigere Lebensmittel", ließ die österreichische Bundesregierung nach dem EU-Beitritt großflächig affichieren: Das war 1995 und im Grunde genommen nur ein weiterer Beleg dafür, welche Rolle man der Landwirtschaft in der industrialisierten Gesellschaft zugedacht hatte, nämlich: die effiziente, marktgerechte Billigproduktion.

Dazwischen haben sich viele Bilder angesammelt: von verlassenen Hofstellen und "verwilderten" Landschaften, von kaputten Böden und endlosen Getreidefeldern, von gequälten Hühnern und dahintorkelnden Rindern. – Diese Bilder "drängen". Sie sind es, die ein Umdenken notwendig machen: der Konsumenten, der Politiker, der Bauern selbst; denn offensichtlich ist die industrielle, rein auf Kostenminimierung bedachte Landwirtschaft mindestens so zerstörerisch wie nützlich.

   Alles hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert: Die Produktivität der Landwirtschaft ist enorm. Lebensmittel sind so günstig wie nie zuvor. (Die Aufwendungen für Lebensmittel inkl. der antialkoholischen Getränke machen mittlerweile nur noch 13,2 % der Haushaltsausgaben aus. Quelle: Statistik Austria) Der Mangel an Nahrung ist kein Thema mehr. Nicht hier, nicht heute. Anderes ist in den öffentlichen Blickpunkt geraten: die Überschussproduktion etwa, oder die Einkommensbildung und -verteilung innerhalb der Landwirtschaft. Natürlich die ökologischen Probleme. Allmählich beginnt man zudem zu begreifen, dass "der Untergang des Bauerntums" (Hobsbawm) nicht bloß einen Verlust von dezentralen Arbeitsplätzen bedeutet, sondern auch eine gravierende "kulturelle" Umwälzung: Gefährdet sind dabei weniger die so genannte Volksmusik, Lederhosen und Dirndlkleider – sie erfreuen sich ungebrochener Popularität, sondern von der Landwirtschaft geschaffene "Kulturlandschaften" bzw. mit der Landwirtschaft in Verbindung stehende "Kulturtechniken" wie die Buttererzeugung oder die Wollverarbeitung.

Es ist mittlerweile absehbar, dass eine sich selbst bzw. rein dem Markt überlassene Landwirtschaft nicht die gewünschten Produktionsformen und -einheiten entstehen lässt: Die ökonomische "Selbstregulation" führt zur Billig- und Nischenerzeugung, zur intensiven Nutzung der Gunstlagen und schließlich "Ent-Agrarisierung" der so genannten strukturschwachen Regionen, kurzum: zur weitgehenden "Ent-Bäuerlichung" des Landes. Nun wird die Landwirtschaft öffentlich geregelt und gefördert wie kaum ein anderer Wirtschaftssektor: Umso bedauerlicher ist es, dass die Einzelstaaten bzw. die Staatengemeinschaften den Untergang des Bauerntums durch ihre Subventionsspraktiken häufig noch beschleunigt haben, wie Hermann Priebe in seinem bis heute aktuellen Buch "Die subventionierte Unvernunft" (1985) am Beispiel der EU (EG) darlegt.

   Wir sind in Österreich noch immer in der glücklichen Lage, den Dingen eine andere Wendung geben zu können: (Die Bergbauernprogramme oder das ÖPUL-Programm sind als erste Schritte in die richtige Richtung zu werten.) Noch sind die Bauern nicht abgewandert, wie in den süd- und südwestalpinen Entsiedelungsgebieten, noch ist die Industrialisierung der Landwirtschaft nicht so weit vorangeschritten wie in den Kanalregionen, noch wird der Großteil des Landes flächendeckend und sorgsam bewirtschaftet, kurz: Noch sind die meisten "negativen Utopien" hier nicht Wirklichkeit geworden. Vielleicht bleiben sie uns erspart, wenn wir zwei Dinge bedenken:

- Landwirtschaft ist nicht "standardisierbar", d.h. die Produktion erfolgt unter sehr unterschiedlichen Bedingungen, was Betriebsgröße, Klima, Gelände, Standort etc. betrifft. Gewisse Produktionseinheiten sind demnach von vornherein nicht "konkurrenzfähig".

- Die landwirtschaftliche Arbeit ist Arbeit mit der Natur, mit dem "Lebendigen". Die Tiere, der Boden, der Wald: Das sind keine toten Materialien, denen man nach Belieben seine eigenen Regeln aufzwingen kann.

Beides, das Bewusstsein der Unterschiede als auch das "Gefühl für die Natur" scheinen mir die Voraussetzung für eine zukunftsfähige Landwirtschaft einerseits und für eine bäuerliche Zukunft andererseits zu sein.

   Wenn die Rede auf die Landwirtschaft kommt, dann drängen sich aber nicht bloß ökonomische, ökologische oder kulturelle Fragestellungen auf, sondern eben auch solche nach Wert, Sinn und Stellenwert dieser Tätigkeit. Vor allem junge Leute fragen sich: "Was gibt das Bauer/Bäurin-Sein?" Und: "Warum heute noch Bauer/Bäurin werden?" Vielleicht war die "Begründung" der bäuerlichen Existenz einmal einfacher. Möglich ist sie nach wie vor ...

Die in diesem Schwerpunkt des Aurora-Magazins gesammelten Beiträge fokussieren nicht bloß die Mängel der Landwirtschaft: Sie widmen sich ganz gezielt auch der "Fülle" des bäuerlichen Da-Seins. Daneben sollen sie die wesentlichen Bedingungen der Landwirtschaft bewusst machen und gangbare Perspektiven für eine bäuerliche Zukunft aufzeigen.

Hermann Maier

 

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