Der
unendliche Zebrastreifen
Einmal
an einem Sommermorgen ging ein Mann die Straße entlang. Er trug einen Sack aus
Baumwolle. Er wollte einkaufen gehen. Er kam an den Zebrastreifen, der über die
Straße hin auf die andere Seite führte, wo sich der Supermarkt befand. Stellte
sich der Mann an den Randstein, die Autos hielten, und er ging los.
Lang
ragten die Morgenschatten auf die Straße. Breit lagen die Zebrastreifen auf den
Asphalt, und der Mann ging und dachte in der angenehmen Morgenwärme an den
Urlaub am Meer und an die Sonne, die abends unterging.
Weit weg am Horizont sank sie ins Meer. Weit, weit weg lag das andere Ende der
breiten Straße, der Mann ging und ging auf dem Zebrastreifen. Die Autos vor ihm
hielten an und die Autos hinter ihm fuhren los. Endlos, endlos zog sich der
Zebrastreifen in die Ferne, und fern, ganz fern stand eine kleine Gestalt am
Randstein und wartete. Autos hielten, Autos fuhren, und der Mann ging.
Näherte
sich langsam die andere Seite der Straße.
Stand da
ein kleiner Bub.
„Traust
du dich nicht über die Straße?“ fragte der Mann.
Der
kleine Bub nickte heftig.
„Na
gut. Ich helfe dir“, sagte der Mann, wandte sich um und sah den Zebrastreifen
endlos weit bis an den Horizont reichen. Und Autos fuhren, Autos! Autos!
Kein
Wunder, dass der kleine Bub Angst hatte.
„Komm“, sagte der Mann. Er stellte sich an den Rand
des Gehsteigs und die ersten Autos hielten. Die beiden traten auf den
Zebrastreifen.
„Wir
gehen jetzt ganz energisch hinüber“, sagte der Mann zu dem kleinen Buben. Er
musste seinen Schritt drosseln, der kleine Bub konnte nicht so schnell gehen
wie er.
Sie
gingen. Vor ihnen blieben die Autos stehen. Hinter ihnen fuhren sie los. Es
herrschte großer Verkehr auf dieser unendlich breiten Straße.
Und sie
gingen eine Stunde und sie gingen zwei Stunden.
„Ich
habe Durst“, sagte der kleine Bub.
„Hast du
etwas in deinem Rucksack?“ fragte der Mann. Der kleine Mann trug einen kleinen
Kindergartenrucksack.
„Freilich“,
sagte der Bub, „von meiner Mama.“
Nahm der
Mann dem Kleinen den Rucksack ab, der Bub holte eine Flasche heraus und trank.
Und sie
gingen und gingen. Der Horizont war unendlich weit weg.
Zog der
kleine Bub eine Flasche Bier aus seinem kleinen Rucksack. „Ist für dich“, sagte
er und reichte sie dem Mann.
„Danke
schön“, sagte der Mann. Auch er war durstig.
Und sie
gingen und gingen.
Autos
hielten. Autos brummten. Autos fuhren.
„Ich
habe Hunger“, sagte der kleine Bub. Er blieb stehen. Er holte eine
Jausenschachtel aus dem Rucksack, öffnete sie und nahm für sich und den Mann je
ein Brot heraus.
Sie
setzten sich auf den Zebrastreifen und aßen.
Gestärkt
gingen sie weiter.
„Ich
muss rechtzeitig zuhause sein“, sagte der kleine Bub. „meine Mama macht sich
sonst Sorgen. Und mein Papa geht mich suchen.“
So
gingen sie. Blieben die Autos stehen. Fuhren die Autos los. Die Sonne stieg in
den Himmel und senkte sich wieder herab. Es wurde Abend. Der Sonnenball sandte
lange Schatten über die Erde.
„Ich bin
müde“, sagte der kleine Bub. Er holte aus seinem kleinen Rucksack ein Zelt
heraus, der Mann und der kleine Junge stellten es gemeinsam auf. In dem
Rucksack gab es Decken, Holz, Wasser und etwas zu essen. So campierten die
beiden auf dem Zebrastreifen.
Der
Verkehr ließ nach.
Schlief
der kleine Bub bald ein. Der Mann trat vor das Zelt, schaute die Scheinwerfer
an, schaute zu den Sternen auf. Das Ende des Zebrastreifens war nicht zu sehen.
Legte er sich müde in das Zelt.
Am
nächsten Morgen entzündeten die zwei wieder ein Feuer und frühstückten. Dann
räumten sie alles weg und taten es in den kleinen Rucksack. Der kleine Junge
holte einen Besen hervor und kehrte die Asche zusammen. Alles verschwand im
kleinen Rucksack. Nun gingen sie frohen Mutes weiter.
Gegen
Mittag erreichten sie die andere Seite der Straße. Der kleine Bub lachte.
„Jetzt
weiß ich den Weg zu meiner Mama!“ sagte er.
„Gut.
Ich freue mich“, sagte der Mann. „Kommst du allein zu recht?“
„Sicher“, war die Antwort. Der kleine Bub zappelte mit den Beinen vor Ungeduld.
„Komm
gut nach Hause“, sagte der Mann.
Der
kleine Junge nahm einen Sack aus dem kleinen Rucksack und sagte: „Für dich.
Danke schön!“ Und er lief davon. In dem Sack aber fand der Mann Stärkung für
die Rückkehr.
Einen
langen, langen Tag lang ging er auf dem unendlichen Zebrastreifen. Er erreichte
die andere Seite der Straße kurz vor Ladenschluß des Supermarktes. Ging er noch
schnell einkaufen, was er vor langer, langer Zeit hatte einkaufen wollen.
Und er
überquerte wie immer die Straße auf dem Zebrastreifen und ging nach Hause.