Mann unter Eis
Wieder einmal war es
Winter. Schnee lag auf allem und kalt war es. Die Bäche und Teiche trugen Eis,
die Bäume standen starr und still und in den Nächten funkelten die Sterne vom
Himmel, zum Greifen nah.
Es war das rechte Wetter,
um Eis laufen zu gehen. Am Wochenende tummelten sich Menschen über Menschen auf
dem See und Klein-Peter war mit Vater und Mutter auf seinen Kufen unterwegs, immer seinen Eltern nachzottelnd; er konnte für sein Alter
schon recht gut laufen.
Langsam fuhren Vater und
Mutter voraus, sich an der Hand haltend. Klein-Peter folgte ihnen, schaute,
sah, sah – es gab soviel zu sehen! So viele Menschen tummelten sich auf
dem Eis und auch kleine Kinder gab es, gerade richtig, um sich für sie zu
interessieren.
Die Mutter wandte sich zurück – da
sah sie, dass ihr kleiner Sohn etwas sah: Klein-Peter schaute vor sich auf das Eis, das hier am Rand des
Sees blank war. Er sah ein Gesicht, das sich unter dem Eis bewegte, sah in verzweifelte
Augen, sah einen zum Schrei geöffneten Mund – „Mamma!“ rief er im Schock.
An der Stimme hörte die
Mutter, was ihr Kind gesehen hatte.
„Mamma!“
Entsetzen.
Die Mutter kehrte um und
fuhr zu dem kleinen Kind, das zitterte und stammelte:
„Mann unter Eis! Mann unter
Eis!“
Die Mutter sah nichts, die
blanke Stelle im Eis schaute sie nur schwarz an.
„Mamma!“ rief das Kind „Mann
unter Eis!“
Und es schluchzte.
Der Vater kam.
„Peter hat etwas gesehen“,
sagte die Mutter.
„Was?“ fragte der Vater.
„Mamma! Mamma ! Mann unter
Eis!“ schluchzte Klein-Peter. Und
er klammerte sich an seine Mutter, zitterte und weinte.
„Ich glaube, er hat etwas
unter dem Eis gesehen“, sagte die Mutter. „Einen Mann unter dem Eis.“
Der Vater sah sich um. „Ins
Eis eingebrochen ist niemand. Alle fahren ganz normal herum.“
Das Kind wurde geschüttelt
vor Angst und weinte.
„Komm, bringen wir ihn
weg“, sagte der Vater.
Der Fleck, neben dem die
Mutter stand, war ein blanker Fleck Eis mit dem Blick in tiefes, schwarzes
Wasser.
„Mann unter Eis! Mann unter
Eis!“ schrie Klein-Peter, als seine Mutter ihn wegtrug.
Nirgends gab es eine offene
Stelle im Eis des Sees.
Die Fahrt nach Hause wurde
schwer für alle drei. Klein-Peter konnte sich nicht beruhigen. Er weinte und
schluchzte, seine Stirne wurde heiß.
Daheim im Bett war er müde, aber er weinte. „Mann unter Eis“ sagte er
wieder und wieder. Es schüttelte ihn, und seine Augen schauten starr und
weit.
Da sagte die Mutter zu ihm:
„Ich glaube dir.“
Da wurde Klein-Peter ruhig.
Tränennass schaute er, war still, schlief bald.
Er hat etwas gesehen,
dachte die Mutter.
Aber einen Mann unter dem
Eis? Ich glaube es nicht.
Aber es war ein Mann unter
dem Eis, wir haben ihn doch alle gesehen, oder?